Definitiv war 2023 das Jahr der Profis, wie sich bereits Ende 2022 abzeichnet hatte. Für die Immobilienbranche bildeten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – allen voran die Zinswende – die größten Herausforderungen. Durch die gestiegenen Zinsen verschieben sich die Rentabilitäten bei Immobilien – „das erfordert ein Umdenken auch in der Portfoliostrategie“, so Herwig Teufelsdorfer. Der Vorstand der S IMMO AG hatte gute Intuition bewiesen. Der Rückzug aus Deutschland, den das Unternehmen eingeleitet hat, erweist sich als richtige Entscheidung: „Wir veräußern sukzessive unseren Bestand in Deutschland und investieren im Gegenzug in Österreich und CEE in Immobilien, von denen wir uns einen höheren Ergebnisbeitrag erwarten.“ Auch bei 3SI wurden rechtzeitig vorausschauende Entscheidungen getroffen, die das Unternehmen 2023 stabil positionierten, wie Geschäftsführer Michael Schmidt meint: „Wir haben uns als Unternehmen bereits im ersten Halbjahr 2022 abgesichert, was uns Planungssicherheit gegeben hat.“ Michael Schmidt spricht die stark gestiegenen Zinsen an, die ihn in dieser Höhe „doch überrascht haben“. Diese Voraussicht fehlte aber zahlreichen Akteuren, und nicht alle Marktteilnehmer kommen mit den veränderten Rahmenbedingungen zurecht, wie Herwig Teufelsdorfer feststellt: „Diese Verwerfungen sind natürlich für die ganze Branche schwierig und werden sicher auch in den nächsten Monaten noch einige unerwünschte Kollateralschäden zur Folge haben.“
Der Investmentmarkt
Der Investmentmarkt befindet sich in einem Transformationsprozess. Aufgrund des hohen Zinsniveaus und der aktuellen ökonomischen Rahmenbedingungen sind viele institutionelle Investoren zurückhaltend bzw. haben nicht die Möglichkeiten zu investieren. Da sich diese zurückgezogen haben, „bleibt für eigenkapitalstarke Privatinvestoren viel Platz“, so Markus Arnold, Geschäftsführer von Arnold Immobilien: „Besonders im Fokus stehen dabei Wohnimmobilien und solide Gewerbeimmobilien.“
ESG & Bestand
Die Branche hat allerdings auch noch ganz andere Themen zu bewältigen. Für Jasmin Soravia, Geschäftsführerin Kollitsch & Soravia Immobilien, war die „ESG-Compliance“ die größte Herausforderung: „Die Einhaltung von Richtlinien im Bereich Umwelt, Soziales und Governance stellt die strategische Leitplanke dar und habt das Potenzial, über den wirtschaftlichen Erfolg zu entscheiden.“ Mit der Formalisierung wächst auch die Bürokratie. „Unternehmen durchleben eine Transformation und brauchen Schnittstellen zwischen Risikomanagement, Strategiefragen, Datenanalyse und Nachhaltigkeitsthemen.“ Eine riesige Aufgabe für Projektentwickler, bei denen neben den Regulierungen „hohe Baukosten auf stark gestiegene Zinsen treffen“, so Sebastian Beiglböck, Geschäftsführer der VÖPE. Unabhängig vom Neubau verstärkt sich der „Fokus auf den Bestand“ immer mehr, so Jasmin Soravia: „Auch Kreislaufwirtschaft, Biodiversität oder Baulandmobilisierung sowie Nachverdichtung versus Neuversiegelung werden mehr an Bedeutung gewinnen und uns in der Zukunft stark beschäftigen.“
Wohnen
Im Wohnbereich hat sich der Markt komplett gedreht: „Raus aus dem Eigentum, rein in die Miete.“ Das Angebot hat sich aber nicht nur durch die Nachfrage verringert, sondern auch durch das Bestellerprinzip – so wie es von der Branche bereits erwartet wurde. Georg Spiegelfeld, Präsident Immobilienring Österreich: „Seit Einführung des Bestellerprinzips hat sich das Angebot auf Plattformen von Wohnungen bis 1.000 Euro Miete um 50 Prozent reduziert, bei Wohnungen im Bereich 1.000 bis 1.500 Euro um 25 Prozent.“ Im hochpreisigen Segment ab 1.500 Euro ist das inserierte Angebot stabil.
Doch sieht Daniel Deutsch, Geschäftsführer BE Real Immobilien, auch einen Vorteil: „Der Mietermarkt hat trotz allem viele Unternehmen über die strengen Finanzierungsregelungen gerettet.“ Und noch eine interessante Veränderung zeigt sich seit dem Sommer. Daniel Deutsch stellt fest, dass die Mieter wieder „respektvoller“ geworden sind: „Sie wissen, dass sie jetzt Kunden sind, die nichts für die Dienstleistung bezahlen.“ Das zeigt sich bei den Bewerbungen für die Wohnungen und vor allem in der Pünktlichkeit. „Früher sind die Interessentinnen und Interessenten oft nicht gekommen und haben das Handy abgedreht, damit sie nicht erreichbar sind. Jetzt sind sie überpünktlich und höflich. Und möchten etwas von dir.“
Die Herausforderungen waren groß und werden es in den kommenden Monaten auch bleiben. Michael Schmidt bleibt optimistisch: „2023 hat gezeigt, dass eine Krise auch immer eine große Chance sein kann.“