Johannes Endl, ÖRAG Immobilien, über allgemeine Entwicklungen und Ballungsräume
Mit dem Beginn der Impfungen Anfang 2021 zeigt sich wieder Licht am Ende des Tunnels. Die Aussicht auf eine Rückkehr zur Normalität wird neue Dynamik in das Wirtschaftsgeschehen bringen. Unsere Welt wird jedoch nach den Erfahrungen von 2020 nicht mehr gänzlich dieselbe sein. Denken wir dabei etwa an die Themen neue Arbeitswelt/Homeoffice und Digitales Arbeiten: Wir wissen heute, wie Videokonferenzen funktionieren und wie man Arbeitsplätze für und von daheim sinnvoll und funktional gestalten kann. Wir wissen aber auch, wo die Grenzen liegen, weil die zwischenmenschliche, unmittelbare Kommunikation eben nicht digitalisierbar ist. Das Büro wird sich wandeln, es wird aber seine zentrale Rolle als Ort des kreativen Austauschs, der Identitätsstiftung und der direkten Kommunikation behalten. Ähnliches gilt für den Handel: Die Verlagerung von Aktivitäten in den digitalen Raum ist eine Tatsache – und die Corona-Krise hat den Wandel beschleunigt. Der Handel wird aber keinesfalls aus unseren Städten verschwinden: Während die reine Bedarfsdeckung sicher noch stärker online stattfinden wird, bleibt gleichzeitig die Bedeutung des gemeinsamen Konsumerlebnisses erhalten. Dies wird zu neuen spannenden Retailkonzepten mit Betonung der Unterhaltungskomponente führen. Die Herausforderung liegt in der Entwicklung von neuen Nutzungen für (dann) nicht mehr benötigten Handelsraum in Nebenlagen. Was zweifellos eine Herausforderung für viele Standorte bedeutet, ist gleichzeitig eine Chance für neue Ideen und Kreativität. Nachhaltiger Umgang mit Konsumgütern könnte dem Handwerk wieder mehr Raum geben – Reparatur wird im Rahmen eines veränderten Bewusstseins oft wieder wichtiger als Neuanschaffung werden.
Die urbanen Ballungsräume werden gerade in herausfordernden Zeiten ihre Wichtigkeit behalten. Schließlich sind sie die ökonomischen, sozialen und kulturellen Zentren und die Orte mit den besten Ausbildungsstätten und Zukunftschancen. Wie beim Arbeiten im Büro gilt auch hier: Der Mensch ist ein soziales Lebewesen und braucht den direkten, persönlichen, „analogen“ Austausch, die Inspiration und den „Spirit“ des Teams.
Franz Kastner, CBRE, zum Thema Logistikmarkt und Investment
Der positive Trend der spekulativen Logistikimmobilienentwicklungen wird sich 2021 fortsetzen – so kommen rund 80.000 Quadratmeter neue Klasse-A-Neubau-Big-Box-Flächen für Fremdnutzer auf den Markt, wobei das Gros der Flächen den Neuentwicklungen der Deutschen Logistik Holding am Industrial Campus Vienna East in Enzersdorf und am Sky Log Park Vienna in Fischamend zuzuschreiben ist.
Der Bedarf an modernen Logistikflächen ist weiterhin stark ansteigend. Die Treiber sind der nach wie vor zunehmende Onlinehandel und die wachsende Nachfrage sowohl von Retailern als auch von klassischen Logistikunternehmen. Die Neukonfigurierung von Lieferketten (Supply-Chain) wie auch der Aufbau von Lagerbeständen werden den Bedarf weiter verstärken – dies ist allem voran den Auswirkungen der Corona-Krise geschuldet.
2020 wurde die höchste Vermietungsleistung seit Aufzeichnungsbeginn registriert. Auf Basis der schon jetzt vorliegenden Flächengesuche wird derzeit davon ausgegangen, dass 2021 erneut ein Rekordjahr werden wird.
Das Interesse der Investoren ist weiterhin ungebrochen, was beispielsweise durch den Ankauf des Industrial Campus Vienna East durch die Deka untermauert wird. Der Logistikinvestmentmarkt profitiert ebenso von den sich abzeichnenden Trends. Das große Interesse der Investoren trifft jedoch noch auf ein begrenztes Angebot, weshalb etwa die Renditen für Logistikimmobilien im Jahr 2020 stark zurückgegangen sind. Vor allem durch die zahlreichen Projektentwicklungen wird mehr institutionelles Produkt am Markt verfügbar sein.
Ernst Kovacs, KE Wohnimmobilien, über Wohnraum
Die Nachfrage nach Wohnungen wird aus meiner Sicht weiter steigen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Bedarf nach Raum je Person steigt weiter, der Zuzug in urbane Regionen ist nach wie vor ungebrochen, und nicht zuletzt ist auch der „Run“ auf sichere Investitionsmöglichkeiten wie Immobilien immer noch sehr hoch. Zudem sind die Grundstücksreserven ein knappes Gut. All das wird zu weiter steigenden Preisen führen.
Was immer wichtiger wird: gute, funktionale und attraktive Grundrisse. Zum einen wird vor allem bei kleineren Wohnungen die optimale Nutzung immer entscheidender – Stichwort Homeoffice –, und der Bedarf an Stauraum steigt ebenfalls. Zum anderen ist auch bei größeren Wohnungen durch die steigenden Preise die perfekte Gestaltung ein Garant für rasche Verwertung.
Zu guter Letzt ist die Qualität der Wohnung immer öfter ausschlaggebend. Dies betrifft sowohl die Ausstattung – Kühlung ist gerade bei hochwertigen Wohnungen fast schon State of the Art –, aber auch die langfristige Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Geringer Energieverbrauch und Betriebskosten spielen eine immer größere Rolle bei der Kaufentscheidung.
Martin Müller, JP Immobilien, über Investments
Der Blick in die Glaskugel für 2021 ist durchaus eine Herausforderung. Wir haben in den einzelnen Assetklassen aufgrund der Corona-Pandemie unterschiedliche Auswirkungen, die sich erst in den kommenden Monaten so richtig herauskristallisieren werden. Im Residential-Segment ist die Nachfrage weiterhin stark und wird auch 2021 anhalten. Die Preise werden im Rahmen einer stabilen Seitwärtsbewegung leicht steigen – aber auch hier gilt: Innovative Konzepte und Projekte werden weiter hoch im Kurs sein, auch was den Faktor Digitalisierung betrifft. So verzeichnen wir eine stark gestiegene Nachfrage nach unserer Hausverwaltungs-App puck. Der Gewerbebereich – Retail, Hotel und Büro – ist aktuell starken Dynamiken unterworfen, und es wird wesentlich von der wirtschaftlichen Gesamtsituation abhängen, wie rasch nachfrageseitig wieder eine gewisse Stabilität einkehrt. Hier werden ebenfalls die nächsten Monate richtungsweisend sein.
Der Investorendruck ist nach wie vor groß, vor allem auch aufgrund der großen Erwartungshaltung hinsichtlich Betongold. Aber Corona hat im Gewerbebereich die Nachfrage deutlich zurückgehen lassen. Internationale Investoren bleiben hierzulande vermehrt aus, dafür steigt die Nachfrage aus Deutschland. Auf der anderen Seite gibt es auch Krisengewinner: Wohnimmobilien, Topbüroobjekte in sehr guten Lagen und sowie Logistikimmobilien. Und auch bei der Finanzierung haben sich die Regeln durchaus geändert: Banken prüfen genauer und somit auch länger, bevor sie ein Projekt finanzieren – das führt zu zusätzlichen Verzögerungen.
Martin Schaffer, MRP hotels, über Stadt- und Ferienhotellerie
Die Hotellerie und der Tourismus unserer Zeit waren noch nie so abhängig von politischen Entscheidungen wie 2020. Detailliertere Annahmen und Prognosen sind daher weiterhin „Glaskugel lesen“, da die kommenden Jahre eng mit gesundheitspolitischen Entscheidungen und Faktoren wie Impfungen, Heilung und dem generellen Verlauf der Pandemie verwoben sein werden.
Stadthotellerie – no Business, no International, no MICE
Wien ist der österreichische Nachfrageverlierer von 2020. Der Nächtigungsrückgang von Januar bis November betrug in Wien 71,6 Prozent. Grund dafür ist die stark fragmentierte internationale Quellmarktsituation, die auch keine schnelle Erholung zulässt.
Der Nachfragestillstand und die immer weiter verfallenden Verkaufsraten in allen Hotelklassen mündet in einen dramatisch niedrigen RevPAR (revenue per available room – zu Deutsch: Erlös pro verfügbarer Zimmerkapazität, Anm. d. Red.) Der RevPAR-Verlust, der in den vergangenen Monaten in österreichischen und deutschen A-Städten zu erkennen war, wird weiter anhalten. Der Umsatz pro verfügbarem Zimmer liegt in Wien aktuell bei etwa fünf Euro. Es ist davon auszugehen, dass sich in den A-Städten die Zimmerraten schneller stabilisieren werden als die Auslastung. Das Vorkrisenniveau wird nicht vor 2024 erreichbar sein.
Über 80 Prozent der Wiener Gästenächtigungen sind internationale Nächtigungen. Besonders das Ausbleiben der aufkommensstärksten Fernmärkte wie USA, China, Japan und auch Russland wird in den nächsten Monaten und Jahren besonders die obere Assetklasse betreffen. Der Luxury-Hotelmarkt in der Stadt war bereits im Jahr 2020 am stärksten vom Nachfragerückgang betroffen.
Wien generierte 2019 laut Meeting Industry Report Austria 1,6 Millionen Nächtigungen durch die boomende Tagungsindustrie. Die analoge MICE-Branche (Tagungs- bzw. Meetingindustrie, Anm. d. Red.) steht international jedoch seit Anfang des Jahres nahezu still, und das betrifft etwa zehn Prozent des Gesamtnächtigungsvolumens in Wien.
Hotelprodukte mit Fokus auf Meetings und Events werden einen länger andauernden Recovery-Prozess erleben. Üppige Event- und Tagungsflächen werden auch im ersten Halbjahr 2021 leerstehen. Digitale und hybride Kongresse für Tausende von Teilnehmern sind auch im kommenden Jahr ein klarer Kalender-Bestandteil eines jeden Fachbesuchers.
Der durch die Pandemie noch weiter angetriebene Megatrend der Digitalisierung und das dramatische Schrumpfen der Wirtschaftsleistung resultieren in langfristigen Einsparungen der Unternehmen bei Reisespendings, besonders für klassische Businessreisen. Die Reiseeinschränkungen im Business-Travel werden langfristig anhalten, und das Nächtigungsplateau von klassischen Geschäftsreisenden wird nie wieder erreicht werden. Der Geschäftstourismus wird ein dauerhaftes Minus von 25 bis 30 Prozent verzeichnen.
„Die Erholung des Stadtmarkts und besonders das Erreichen des Vorjahres-Rekordniveaus von 2019 liegen noch in weiter Ferne.“ Diverse prognostizierte Recovery-Szenarien zeigen, dass auch der teilweise Ausfall des Pipeline-Bettenvolumens die Dauer der Erholung nur marginal verkürzen wird. Durch die Eröffnungsverschiebung vieler bereits löffelfertiger Hotelimmobilien entsteht eine Aufstauung, die 2021 in eine schlagartige Bettenerhöhung der Märkte münden wird.
Ferienhotellerie – die boomende Investorennachfrage
Der vergangene Sommer wurde in den Ferienregionen im DACH-Markt teilweise mit Nächtigungssteigerungen gegenüber dem Vorjahr abgeschlossen. „Corona-Sommer-Gewinner“ sind Berg- und Seedestinationen sowie Nord- und Ostsee. Die genannten Reiseziele mit hohem Inlandsanteil konnten ihre Präsenz am Heimatmarkt noch weiter verbessern und so die Vorjahres-Nächtigungszahlen erreichen und teilweise übersteigen. Auch in den kommenden Jahren werden Top-Feriendestinationen ganzjährig stabiler performen können als Städte.
Damit zusammenhängend ist die Präferenzveränderung der Investoren von der Stadt- zur Ferienhotelimmobilie zu erkennen. Wenig Nachfrage und Renditen in der Stadt und viele neue Investoren in Leisure-Destinationen bieten neue Chancen am Markt.
In den ersten Monaten von 2021 wird keine ausschlaggebende Intensivierung der internationalen Reisetätigkeit erwartet. Märkte, Destinationen und Hotelprodukte mit hohem Inlandsquellmarkt profitieren weiterhin.
Michael Schmidt, 3SI Immogroup, über den Zinshausmarkt
Rückblickend war das Corona-Jahr 2020 trotz aller Probleme ein gutes Wohnimmobilien-Jahr! Betrachtet man den Zinshausmarkt, so bin ich für 2021 optimistisch: Wir haben 2020 mehr als 30 Zinshäuser gekauft. Und auch für das neue Jahr streben wie eine ähnliche Größenordnung an. Nach einer kurzen Pause während des ersten Lockdowns hat der Zinshausmarkt 2020 schnell wieder Fahrt aufgenommen. Und ich erwarte, dass auch 2021 die Nachfrage ungebrochen hoch sein wird. Da das Angebot begrenzt ist, werden die Preise weiter steigen.
Bei Wohnimmobilien rechne ich damit, dass die starke Nachfrage auch 2021 ungebrochen weitergeht. Viele investieren jetzt verstärkt in Eigentumswohnungen. Hoch im Kurs stehen nach den Erfahrungen des Lockdowns Wohnungen mit Balkon oder Terrasse bzw. Eigengarten. Und nach den jüngsten Analysen können wir sagen, dass wieder größere Wohnungen gefragt sind. Der simple Grund: Homeoffice und Homeschooling erfordern mehr Platz. Aufgrund der Nachfrage erwarte ich sowohl bei den Mieten als auch bei den Kaufpreisen weiter einen Anstieg.
Maxim Zhiganov, WK-Development, über Wohnen im gehobenen Segment und Finanzierungstrends
Insbesondere im gehobenen Wohnungspreissegment wird es aus meiner Sicht zu keinem Investmentrückgang kommen. Einmal mehr zeigt sich, dass Immobilien in Krisenzeiten ein sicheres Investment sind. Diejenigen, die das Geld haben, wollen es auch investieren, und zwar in „Betongold“, weil andere Anlageformen weniger interessant sind. Der Aktienmarkt ist zu volatil, Gold ist sehr teuer. Geld per se wird immer weniger wert.
Der österreichische Immobilienmarkt gilt nach wie vor als sicherer Hafen für Immobilieninvestoren. Das zeigt der hohe Anteil von 71 Prozent an ausländischen Investoren bisher und auch der vergleichsweise geringe Rückgang beim Investmentvolumen von ca. 16 Prozent im zweiten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019. Stark getroffen hat es die Sektoren Retail und Hotel, leicht profitiert haben Logistikflächen. Im Retailbereich ist jedoch von einer raschen Erholung auszugehen. Im Hotelbereich bleibt abzuwarten, wie sich das Reiseverhalten der Menschen entwickeln wird.
Im günstigeren Preissegment ist ein Rückgang nicht auszuschließen. Die hohe Arbeitslosigkeit und die dadurch schlechtere Bonität hindern Menschen daran, eine Finanzierung für ein Eigenheim aufzustellen.
Finanzierungstrends 2021
Als Alternative zur Bankenfinanzierung werden sich 2021 neue Finanzierungskonzepte sowohl für private als auch institutionelle Investoren etablieren. Dazu gehören Finanzierungsformen wie Crowdfunding, Mezzanin-Finanzierung, Anleihen und Equity-Finanzierungen. Im Moment wegen der vage Gesetzeslage noch zu undurchsichtig, aber in Zukunft denkbar sind digitale Finanzierungsmethoden wie Security Token Offering.
Klimawandel und individuelle Bedürfnisse im Fokus
Ein Hauptaugenmerk sollte in den kommenden Jahren auf dem Umgang mit dem Klimawandel und den aktuellen Lebensumständen der Menschen liegen. Zum einen ist uns das energiesparende Bauen und Leben bei unseren Projekten enorm wichtig. Auf der anderen Seite muss man noch stärker auf die Bedürfnisse der Menschen reagieren. So sehe ich im Premium-Segment weniger das räumliche Auslagern des Büros als Trend als vielmehr die Adaptierung eigener Spielflächen bzw. Aufenthaltsräume im Gebäude, um mehr Platz in den Wohnungen zu schaffen.