Die Suche nach einem neuen Bürostandort gestaltet sich derzeit etwas schwierig. Der Markt ist – was große Flächen betrifft – ausgedünnt. „Unternehmen evaluieren heute sehr differenziert, ob ein Standortwechsel sinnvoll ist“, sagt Elisa Stadlinger, Geschäftsführerin Gewerbeimmobilien bei der ÖRAG. Neben einem Mangel an Flächen liegen die Gründe dafür in den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: gestiegene Zinsen, zurückhaltende Konjunkturprognosen und ein starker Fokus auf Kosteneffizienz. Wer große Flächen braucht, muss schon sehr früh mit der Suche beginnen, wobei „wir öfters feststellen, dass die aktuelle Situation dazu führt, dass sich für viele Unternehmen während des Prüfungsprozesses herausstellt, dass die Aussichten vage sind, adäquate Flächen zu finden, und sie verbleiben am Standort“, so Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien. Die Flächen werden dann aber optimiert, man konzentriert sich also auf eine Verbesserung in den bestehenden Räumlichkeiten. „Das Thema Refurbishment ist ein sehr nachhaltiger Trend. Es ist schon beeindruckend, was man aus Bestandsimmobilien machen kann“, sagt Ewald Stückler, Geschäftsführer Tecno Office Consult, der Firmen bei ihren Umzügen und bei der Adaptierung der Büroflächen berät und begleitet. Abgesehen davon macht es das Thema Bodenversiegelung schwierig, neue Projekte zu starten.
Strategisches Asset
Allerdings geht es nicht nur um eine optimale Nutzung der neuen oder bestehenden Büroflächen, sondern mittlerweile um noch viel mehr. Das Büro wird zum strategischen Asset – ein Raum, der Produktivität, Identifikation und Employer Branding unterstützt. „Die Unternehmen denken anders. Man hinterfragt in der Analyse, wohin die Reise geht, wie wird man wachsen und vor allem, wie will ich mich als Unternehmen in Zukunft präsentieren?“, erklärt Ewald Stückler und bringt es auf den Punkt: „Es wird viel mehr Zeit in die Vision investiert.“
Innen und Außen
Unternehmen denken langfristig, investieren gezielt in Qualität, Standort und Ausstattung – egal ob sie neue Flächen beziehen oder am Standort bleiben. Besonders eine attraktive Infrastruktur rund um den Arbeitsplatz wird immer wichtiger. Felix Zekely, Geschäftsführer von OPTIN Immobilien: „Die Nutzer, die an bessere Standorte ziehen, geben mehr Geld aus, um Infrastruktur in der Fläche zu schaffen und auch rund um den Standort.“ Im Inneren der Flächen wird schon ein gewisses Niveau vorausgesetzt, aber ein gutes Umfeld ist für das Bürohaus das neue Must-have. Diese Investments erscheinen vielleicht zu hoch, aber „im Vergleich zu den hohen Folgekosten von Mitarbeiterfluktuation ist es ein gut investiertes Kapital“, sagt Elisa Stadlinger. Das macht den Unterschied, denn für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch Arbeitsumfeld und Lebensqualität entscheidend. Der Grund ist aber nicht nur, dass sich das bestehende Personal wohlfühlen soll, sondern auch der War for Talents unter den Firmen. Die physische Präsenz im Büro wird wieder stärker eingefordert – nicht als Zwang, sondern als Angebot. Mitarbeitende sollen sich bewusst für das Büro entscheiden, weil es gegenüber dem Homeoffice einen Mehrwert bietet. „Mittlerweile bewerben sich ja die Unternehmen bei zukünftigen Mitarbeitern“, so Ewald Stückler.
Neue Cluster entstehen
Während in Wien Innenstadtlagen und etablierte Bürocluster wie der Austria Campus, das Gebiet rund um den Hauptbahnhof oder die Donau City sehr gefragt bleiben, müssen neue Projektentwicklungen – etwa im 21. und 22. Bezirk – zunächst noch Akzeptanz gewinnen. Mit TwentyOne und TwentyTwo entstehen zwei neue Bürostandorte „jenseits“ der Donau. Als in den vergangenen Jahren neue Standorte außerhalb der Innenstadt und später der gewachsenen Büroachsen entstanden – wie Praterstern, Hauptbahnhof oder das Viertel Zwei –, hätte auch niemand gedacht, dass sie so boomen würden. „Ich bin sicher, dass sich in Wien die Unternehmen daran gewöhnen werden, dass es neue Standorte gibt“, sagt Stefan Wernhart: „Wenn sich Unternehmen verbessern wollen, dann wird der Markt lernen, dass es in der Region auf der anderen Seite der Donau auch tolle Projekte gibt.“ Vor allem besteht in Richtung Norden und Nordosten noch die Chance, freie Flächen zu bebauen beziehungsweise solche, die schon bebaut waren und daher versiegelt sind. „Es sind derzeit noch gefühlte Grenzen, die gesetzt werden“, so Wernhart, ist aber überzeugt: „Das wird sich noch ändern.“ Für neue Standorte sind Geduld, Qualität und Kommunikationsarbeit erforderlich – „denn erfolgreiche Cluster entstehen nicht über Nacht, sondern durch Vertrauen, Infrastruktur und gelebte Nutzung“, so Elisa Stadlinger.
Vorerst keine Hubs vor der Stadt
Von einer Idee, die eine Zeit lang ein Thema war, werden wir uns allerdings verabschieden müssen: von Büro-Hubs vor der Stadt. Ein gut ausgestattetes Homeoffice und drei Tage im Büro lassen diese Idee obsolet werden. Zu Recht fragt Stefan Wernhart: „Warum sollte man hier ein Büro dazwischenschalten?“