Die Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland schlägt Alarm: Eine aktuelle Umfrage unter ihren Mitgliedern zeigt, dass bei über einem Drittel aller Projekte die Genehmigung länger als ein Jahr dauert. Nur noch 29 % der Bauverfahren werden innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen, obwohl dies laut Verwaltungsverfahrensgesetz die Regel sein sollte.
Kammerpräsident Bernhard Sommer bringt es auf den Punkt: „Überlange Bauverfahren verursachen volkswirtschaftliche Schäden und können Existenzen kosten.“
Die volkswirtschaftlichen Folgen sind massiv: Rund 400 Wohnungen jährlich gehen durch Verzögerungen verloren, was die Miet- und Immobilienpreise weiter anheizt. Auch die Bauwirtschaft leidet unter gebundenem Kapital, Planungsunsicherheit und steigenden Finanzierungskosten. Verzögerungen behindern außerdem zentrale Klimaziele, etwa durch das Ausbleiben von thermischen Sanierungen oder Solarausbau.
Peter Bauer, Vizepräsident der zt: Kammer, fordert verbindliche Ziele zur Reduktion der Genehmigungsdauern von Bauprojekten im Regierungsprogramm. Ein Grund für die langen Verfahren ist der immer komplexer werdende Baubewilligungsprozess. Die quantitativen und qualitativen Anforderungen an Gebäude und damit auch der Prüfaufwand steigen ständig. So führen zum Beispiel die Klimaziele der EU notwendigerweise zu zusätzlichen Auflagen, Richtlinien und Normen.
„Wir sind im guten Dialog mit der Verwaltung und erkennen, dass bessere Verfahrenskoordination und lösungsorientierte Prüfung Potentiale sind, die schon jetzt auszuschöpfen sind“, erklärt Sophie Ronaghi-Bolldorf, Vorsitzende des Ausschusses Bauordnung der zt: Kammer. Die Kammer legt umfassende Reformvorschläge vor, darunter eine bessere Koordination zwischen den beteiligten Magistratsabteilungen, klare Prüfkriterien, einen digitalisierten und transparenten Verfahrensablauf sowie die Stärkung der verfahrensleitenden Behörden. Ziel ist es, Genehmigungen rascher und effizienter zu ermöglichen – ohne Abstriche bei der Qualität.
Ein zentraler Reformvorschlag ist die Stärkung des § 70a der Wiener Bauordnung, der Ziviltechniker:innen als Prüforgane einsetzt, aber bislang kaum angewendet wird – unter anderem aufgrund rechtlicher Unsicherheiten. Der Bauprozess müsse vereinfacht, Verwaltungsabläufe koordiniert und die Prüfkultur reformiert werden. Vorbilder wie das Hamburger Modell zeigen, dass mit Mut zur Strukturreform deutliche Verbesserungen möglich sind.
„Außerdem muss die Bauordnung neu geschrieben werden“, fordert Bernhard Sommer. Das Werk eignet sich nicht mehr für die Regelung des zeitgemäßen Bauens, und auch die digitale Transformation stockt: Die bald 100 Jahre alte Wiener Bauordnung lässt sich kaum mit modernen Prüfroutinen kombinieren.