Dass die Folgen dieser Entwicklungen bis jetzt verhalten ausfielen, ist primär darauf zurückzuführen, dass Immobilienmärkte ihrer Natur nach langfristig sind und entsprechend langsam reagieren. Daher ist auch davon auszugehen, dass Veränderungen, die sich in der ersten Jahreshälfte abzeichneten, im weiteren Jahresverlauf in deutlich höherem Maß schlagend werden.
Die aktuellen Verwerfungen auf dem Energiemarkt haben dazu geführt, dass das Langfrist-Thema Energiewende und der damit verbundene Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern schlagartig ins Bewusstsein gerückt wurde: Fragen nach dem Heizsystem, den laufenden Energiekosten und eventuell in den kommenden Jahren anstehenden Investitionen gehören daher zu den Top-Themen bei Vermietungs- und Verkaufsgesprächen.
Angebotsentwicklung
Für 2022 war aufgrund der Welle an weit fortgeschrittenen Neubauprojekten ein absoluter Rekordwert bei den Fertigstellungen erwartet worden. Diese Prognosen müssen nun nach unten korrigiert werden, da eine Reihe von Projekten (primär wegen Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien, aber auch bei Ausstattungsgegenständen für Küchen und Bäder) mehrere Monate verspätet fertiggestellt und sich so erst in den Zahlen für 2023 niederschlagen werden. Statt der eigentlich für heuer prognostizierten 19.700 neuen Wohnungen ist nun nur mehr ein Plus von maximal 13 Prozent auf 18.600 Einheiten zu erwarten.
Diese Verzögerungen werden im Jahr 2023 aber nicht zu mehr Fertigstellungen führen, da Projektentwickler bereits begonnen haben, Projektlaufzeiten zu strecken oder beabsichtigen, Baustarts zu verschieben. Hintergrund sind die hohen Baupreise, die bei manchen Projekten keine gesicherten wirtschaftlichen Perspektiven zulassen. Aus diesem Grund sind auch für 2023 und 2024 rückläufige Fertigstellungszahlen zu erwarten.
Das aktuelle Neuflächenangebot wird sich demnach wieder verknappen und das zeitweise bereits be- fürchtete Überangebot an Wohnungen erscheint demnach aus heutiger Sicht auf absehbare Zeit ausgeschlossen.
Eine neuerliche Trendwende zeichnet sich beim Verhältnis neuer Mietwohnungen zu neuen Eigentumswohnungen ab. Das aktuelle Ungleichgewicht bei der Angebotsverteilung zwischen Miete und Eigentum wird sich wieder etwas glätten. Institutionelle Anleger, die seit 2020 deutlich verstärkt in den Eigenbestand investierten, sind jetzt nicht mehr so aggressiv auf der Suche nach neuen Objekten. Das künftige Angebot wird sich daher wieder mehr in Richtung Eigentumswohnungen verschieben.
Nachfrageentwicklung
Die Nachfrage nach Wohnungen in Wien ist unverändert stark, das betrifft sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen. Der Beginn der Ukrainekrise und der damit verbundene Zuzug hat dabei noch für einen kurzfristigen Zusatzschub gesorgt, der den Markt aber bisher weder in größerem Maß noch nachhaltig beeinflusst hat.
Grundsätzlich reagiert die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt nicht sehr sensibel auf wirtschaftliche Veränderungen, da das Grundbedürfnis Wohnen immer hohe Priorität hat. Demographische Entwicklungen haben hier deutlich größeren Einfluss.
Gewisse Verschiebungen zwischen den Teilmärkten sind aber spürbar. Höhere Eigenkapitalanforderungen der Banken und Zinsanstiege werden für den Wohnungsankauf verstärkt zu berücksichtigende Parameter sein. Außerdem werden nun private Eigentümer wieder etwas öfter bereit sein, auch Wohnungen abzugeben. Wohnungssuchenden wird daher erstmals seit einigen Jahren wieder ein breiteres Angebot für den Ankauf zur Verfügung stehen und es wird zu einer Abschwächung des Nachfrageüberhangs auf dem Eigentumswohnungsmarkt kommen. Das derzeit noch außerordentlich vielfältige Angebot im Mietbereich wird hingegen kleiner werden.
Deutlich stärker ist die Sensibilisierung im Hinblick auf Energie- und Betriebskosten geworden. Objekte mit guter Energieeffizienz und geringerem Versorgungsrisiko, etwa durch eine teilweise Eigenproduktion von Strom und Wärme, sammeln aktuell viele Pluspunkte bei Mietern und Käufern. Anbieter energieeffizienter Wohnungen und Häuser haben damit ein wichtiges Marketingargument. Dieses wird noch wichtiger werden, wenn die Betriebskostenvorschreibungen an das neue Energiepreisniveau adaptiert sein werden und sich Kostensteigerungen niederschlagen.
Das Interesse an Anlegerwohnungen ist nach wie vor hoch. Hier schlagen zwar die steigenden Zinsen zu Buche, andererseits sind die hohen Inflationsraten nach wie vor ein starkes Argument für Immobilieninvestments, da die Realzinsen so stark negativ wie kaum jemals zuvor sind. Vor allem eigenkapitalstarke Investoren kaufen daher auch im aktuellen Marktumfeld regelmäßig zu.
Preisentwicklung
Die Wohnungsmieten waren wegen des gestiegenen Angebots bereits im Vorjahr weitgehend stabil, diese Tendenz setzt sich auch heuer fort. Steigende Wohnkosten sind fast ausschließlich auf die stark gestiegenen Energiepreise zurückzuführen. Energieeffiziente Häuser mit geringeren Kosten für den laufenden Betrieb treffen damit auf äußerst positiven Zuspruch. Davon profitieren vor allem Neubauprojekte, die in aller Regel bessere Kennziffern aufweisen.
Die 2021 besonders starke Preisdynamik bei Eigentumswohnungen hat nachgelassen, auch wenn der Trend weiter nach oben weist. Im Jahresvergleich liegen die Preise je nach Marktsegment um 7,2 bis 8,8 Prozentpunkte höher.
Ausblick
Die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen werden sich auf den Wohnungsmarkt mit etwas Zeitverzögerung stärker auswirken als bisher. Längere Realisierungszeiten bei laufenden Projekten mit Verzögerungen von Fertigstellungsterminen, Verschiebungen von Projektstarts wegen der hohen Baupreise und fallweise auch die Absage von Projekten mangels Finanzierung und / oder wirtschaftlicher Perspektive sowie die ohnehin bereits seit dem Vorjahr rückläufigen Baugenehmigungen werden ab Mitte 2023 für mehrere Jahre zu deutlich sinken- den Fertigstellungszahlen führen. Im Rahmen der geringeren Produktion wird es voraussichtlich eine leichte Verschiebung in Richtung Eigentumswohnungsprojekte geben.
Die Nachfrage wird auch bei möglicherweise etwas schwächerer Wirtschaftsentwicklung nicht wesentlich sinken. Allerdings wird es einen stärkeren Fokus auf kostengünstiges Wohnen geben, auch wegen der steigen- den Belastung durch Betriebs- und Energiekosten, die den Spielraum für Miete oder Rückzahlungsraten für Eigentumswohnungen einengt.
Bei den Wohnungspreisen ist schon wegen der deutlich höheren Baukosten mit weiteren Anstiegen zu rechnen, allerdings nicht mit der Dynamik der vergangenen Jahre. Die hohe Inflation wird auch zu einem weiteren Anstieg des Mietniveaus führen, wobei die Steigerungen in der Regel unter der Inflationsrate liegen werden.