Im Wesentlichen will man eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern, die gemeinsame Umsetzung des ‚Erneuerbare-Wärme-Gesetzes‘, die Weiterentwicklung und Zweckbindung des Wohnbauförderungsbeitrags sowie mehr Unterstützung der Gemeinden bei der Dekarbonisierung ihrer Gebäudebestände.
Der seit 2017 laufende aktuelle Finanzausgleich wurde schon einmal ohne Änderung verlängert. Große Spannungen insbesondere bei der Finanzierung des Bereichs Gesundheit, Pflege und Soziales erfordern nun aber eine Neufestsetzung. „Was die Finanzausgleichsverhandlungen jetzt nicht in Angriff nehmen, verschieben wir wieder auf viele Jahre. Das können wir uns aber so nicht mehr leisten, denn die Herausforderungen für Umwelt- und Klimaschutz sind einfach zu groß.“, argumentiert DI Susanne Formanek, Vorstand und kaufmännische Projektleiterin von RENOWAVE.AT.
Game-Changer - klimaneutrale Gebäude- und Quartierssanierung
Die Wärmewende bedeutet die Umstellung der Heizungssysteme aller Gebäude auf klimafreundliche Systeme bis 2040. Man spricht hier von Dekarbonisierung, kann aus diesem Bereich dann keine Kohlendioxid-Emissionen mehr entstehen. Dafür kann bei knapp der Hälfte des Gebäudebestands in Österreich die Hülle saniert und fast zwei Millionen mit Öl und Gas beheizte Wohnungen und Dienstleistungsgebäude auf Fernwärme, Wärmepumpe oder Pelletsheizungen umgestellt werden. „Das klingt nach einer Mammutaufgabe, kann aber gelingen, sofern Bund und Länder konsequent und entschlossen handeln. Die finanziellen Möglichkeiten wurden bereits deutlich ausgeweitet. Neben der Wohnbauförderung der Länder stehen nun auch umfangreiche Mittel des Bundes zur Verfügung, mit den Förderschienen ‚Sanierungsscheck‘, ‚Raus aus Öl und Gas‘-Bonus und `Sauber Heizen für Alle`. Groß ist der Handlungsbedarf demgegenüber bei den nicht-finanziellen Maßnahmen: Das sind auf Seiten des Bundes das ‚Erneuerbare-Wärme-Gesetz‘ und wohnrechtliche Reformen, insbesondere aber auch die Koordination der Maßnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden – und hier trifft kein anderes Instrument besser als der Finanzausgleich“, betont Dr. Wolfgang Amann, Chef des IIBW und Gründungs-Genossenschafter von RENOWAVE.AT.
Der Finanzausgleich als Schlüssel zur Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
Der ‚Steuerkuchen‘ in Österreich macht heuer rund 120 Mrd. Euro aus. Damit bestreiten die Gebietskörperschaften ihre vielfältigen Aufgaben. Derzeit gehen rund 54 Prozent an den Bund, 30 Prozent an die Länder und 16 Prozent an die Gemeinden. Eingehoben werden die Steuern aber überwiegend vom Bund. Ihre Aufteilung wird alle paar Jahre in einem sehr komplizierten Aushandlungsprozess neu festgelegt – dem Finanzausgleich. Mit diesem Gesetzeswerk werden aber nicht nur die Steuergelder verteilt, sondern auch die Aufgaben den Gebietskörperschaften zugeordnet. Die direkte Verbindung von Aufgaben und Geld hat zur Folge, dass der Finanzausgleich zum wohl wichtigsten Instrument in der Kooperation von Bund, Ländern und Gemeinden geworden ist.
Welche Rolle spielt dabei die Wohnungspolitik?
Viele Politikfelder im Bereich Wohnen stehen in gemischter Verantwortung zwischen Bund und Ländern und waren seit jeher wichtige Themen früherer Finanzausgleiche, allen voran die Wohnbauförderung. Weitere relevante Themen sind die Raumordnung, das Grundverkehrsrecht, die Bauordnungen, Steuern auf Grund und Boden, die Wohnungssozialpolitik sowie der Erhalt der Biodiversität. Zur Erreichung der österreichischen Klimaziele bei unseren Gebäuden sind diesbezügliche Vereinbarungen bei den nun laufenden Verhandlungen unverzichtbar. DI Susanne Formanek und DI Ulla Unzeitig, Vorstände des Innovationslabors RENOWAVE.AT, fordern im Namen der Genossenschaft die Verhandlungspartner:innen des Finanzausgleichs auf, jetzt einen konstruktiven Beitrag zur Erreichung der Wärmewende zu liefern. Die Umsetzung folgender Maßnahmen sei essenziell für das Gelingen einer erfolgreiche Wärmewende in Österreich.
Hier die konkreten Forderungen im Überblick:
Bessere Koordination zwischen Bund und Ländern
Die finanziellen und nicht-finanziellen Maßnahmen zur Gebäudedekarbonisierung müssen viel besser aufeinander abgestimmt werden. Dies betrifft Förderungen, gemeinsame Definitionen und Begriffsbestimmungen. Für die geplante gemeinsame Wärmestrategie und die ebenfalls geplante abgestimmte Förderstrategie von Bund und Ländern sollte im Finanzausgleich der Rahmen abgesteckt werden.
Gemeinsame Umsetzung des „Erneuerbare-Wärme-Gesetzes“
Der beschlossene Ausstiegspfad aus Öl bis 2035 und aus Gas bis 2040 erfordert abgestimmte wohnungspolitische Schritte von Bund und Ländern. Wichtig auf Länderseite sind beispielsweise begleitende sozialpolitische Maßnahmen bei verpflichtendem Kesseltausch.
Weiterentwicklung und Zweckbindung des Wohnbauförderungsbeitrags
Das im internationalen Vergleich sehr erfolgreiche österreichische wohnungspolitische Modell braucht Kontinuität. Eine Wiedereinführung der Zweckbindung des Wohnbauförderungsbeitrags und die daraus entstehenden Rückflüsse wären der richtige Hebel. Derartige revolvierende Fonds bewähren sich auch international als Triebfeder der Wärmewende. Denkbar wäre eine Weiterentwicklung zu einem ‚Gebäudedekarbonisierungsbeitrag‘.
Konsolidierung der Subjektförderung
Wohnbeihilfe, Abdeckung von Wohnbedarf in der Sozialhilfe und Heizkostenzuschüsse von Bund und Ländern sind unzureichend aufeinander abgestimmt. Es gilt, ein innovatives Modell der Zusammenführung und Vereinheitlichung zu entwickeln, gerade auch im Hinblick auf die Wohnhaussanierung und die Berücksichtigung der Bedürfnisse armer Haushalte. Verknüpfung von Wohnbauförderung und Raumordnung Innovationen in mehreren Bundesländern zeigen das sehr große Potenzial von Instrumenten auf, die die Stärken der jeweiligen Rechtsmaterien kombinieren, und zwar gleichermaßen im Neubau und bei der Schaffung kompakterer Ortskerne durch Renovierung und Nachverdichtung. Ziele und Grundsätze sollten stärker länderübergreifend festgelegt werden, insbesondere im Hinblick auf die Herausforderung von netto-null Flächenversiegelung. Wesentlich ist auch, die Verfassungsmäßigkeit der Vertragsraumordnung endlich zu klären.
Bessere Nutzung der Potenziale des Grundverkehrsrechts und der Besteuerung von Grund und Boden
Diese beiden Rechtsmaterien besitzen große Potenziale für eine sorgfältigere Nutzung von Grund und Boden, für vermehrte Gebäudesanierungen und die Innenentwicklung von Gemeinden.
Unterstützung der Gemeinden bei der Dekarbonisierung ihrer Gebäudebestände
Viele Gemeinden sind mit der Herausforderung der Wärmewende überfordert. Es sind daher finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen nötig, um dann die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Konsolidierung der Datenbasis
Informierte Entscheidungen erfordern zuverlässige Daten. In vielen wohnungsbezogenen Bereichen bestehen massive Defizite. Besonders wichtig ist die konsequente Umsetzung einer Energieausweisdatenbank auf Bundesebene. „Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit reif, um diese notwendigen und, aus unserer Sicht, längst überfälligen Weichenstellungen für eine erfolgreiche Wärmewende zu stellen. Wir haben viele Hebel dafür selbst in der Hand. Ich appelliere daher nochmals an alle Verhandlerin:nnen des Finanzausgleichs sich hier ihrer Verantwortung für den Klimaschutz zu stellen – für uns und für alle zukünftigen Generationen. Das ewige Aufschieben auf übermorgen ist keine Option mehr“, resümiert DI Ulla Unzeitig, Vorstand RENOWAVE.AT.
Das Innovationslabor RENOWAVE.AT wurde im Rahmen des BMK-Programms „Stadt der Zukunft“ initiiert, um Kooperationen und Synergien im Forschungsbereich „klimaneutrale Gebäude- und Quartierssanierungen in ganz Österreich“ zu unterstützen. Es wurde im Jänner 2022 als zentrale Anlaufstelle für Innovationsvorhaben im Sanierungsbereich für Demonstrationsgebäuden und -quartieren, gegründet und setzt Impulse für einen klimaneutralen Gebäudebestand. Ziel ist es, hochwertige Sanierungen einfacher, kostengünstiger und rascher umsetzbar zu machen und dafür Innovationen zu forcieren. RENOWAVE.AT gestaltet und bietet Experimentierräume und Laborinfrastruktur, um die besten Ideen auf den Weg zu bringen. Mehr Informationen unter www.renowave.at Bilddownload: https://we.tl/t-uyx2gdwG40 © Petra Rautenstrauch: v.l.n.r. DI Ulla Unzeitig (Vorstand RENOWAVE.AT), Dr. Wolfgang Amann (GF IIBW und und Gründungs-Genossenschafter von RENOWAVE.AT) und DI Susanne Formanek (Vorstand RENOWAVE.AT)