Weitere Projektstarts werden verschoben, bis 2025 wird die Zahl der Fertigstellungen in Wien um mehr als 53 Prozent sinken
Maßnahmen für rasche und kostengünstige Wohnraumschaffung notwendig
Steueranreize für Neubau und zielgerichtete Unterstützung für sozial schwache Gruppen erforderlich
Andererseits finden Entwickler und Investoren im gegenwärtigen Marktumfeld kaum wirtschaftlich darstellbare Projekte und haben ihre Investmentaktivitäten daher teilweise radikal zurückgefahren, was in den kommenden Jahren insbesondere in urbanen Zentren zu einer bedeutenden Angebotslücke führen wird.
In Wien, dem mit Abstand größten Markt Österreichs, werden die Wohnungsfertigstellungen von 2023 bis 2025 zumindest um 53 Prozent zurückgehen, nämlich auf maximal 7.500 Einheiten. „Wir erfahren aber praktisch wöchentlich von weiteren Projekten, die vorläufig gestoppt werden, und daher rechne ich damit, dass sogar diese bereits sehr niedrige Fertigstellungszahl unterschritten wird“, erklärt Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen, im Rahmen eines Pressegesprächs zur aktuellen Marktsituation. „Gründe dafür sind primär die hohen Baupreise und die deutlich gestiegenen Finanzierungskosten. Aber auch die Diskussionen über weitere Beschränkungen der Mieten bzw. der Indexierung sind große Unsicherheitsfaktoren, die Investoren zu Zurückhaltung veranlassen. Hier droht eine Angebotslücke, die Wohnen in weiterer Folge in einem wirklich problematischen Ausmaß teurer machen könnte.“
Auch Franz Pöltl, als Geschäftsführer der EHL Investment Consulting für den Geschäftsbereich Institutionelle Immobilieninvestments verantwortlich, ortet aktuell wenig Bereitschaft, neue Projekte zu starten bzw. zu erwerben. „Großinvestoren wie Immobilienfonds, Pensionskassen und Versicherungen, die in den vergangenen Jahren auf Käuferseite dominiert haben, gehen aktuell kaum neue Engagements ein und ziehen tendenziell sogar eher Mittel aus dem Immobiliensegment ab. Diese Entwicklung wird zumindest so lange anhalten, bis die EZB die Zinsanhebungen abgeschlossen hat. Erst dann wird sich die Marktstimmung ändern und Institutionelle werden wieder in größerem Maß Neuinvestments prüfen.“
Dass die aktuelle Situation politische Maßnahmen erfordert, steht für Schunker außer Zweifel: „Aber wir brauchen Maßnahmen, die zu mehr Wohnraumschaffung führen und diese nicht noch weiter bremsen. Hier kann und muss man an vielen Schrauben drehen: Umwidmungs- und Bauverfahren dürfen nicht mehr viele Jahre dauern, sondern müssen beschleunigt werden, die Nutzung von Baulücken sowie der Ausbau und die Aufstockung von Bestandsobjekten müssen erleichtert werden, neues Bauland muss in vernünftigen Maß zur Verfügung stehen und für die vorgeschriebenen und meist sehr kostenintensiven Nachhaltigkeitsmaßnahmen muss es entsprechende Förderungen geben. Darüber hinaus wäre es wichtig, mit steuerlichen Anreizen die Wohnraumschaffung wieder in Schwung zu bringen.“
Die derzeit immer wieder in die politische Debatte eingebrachten Mietbeschränkungen hätten hingegen den gegenteiligen Effekt und könnten, als Folge eines weiter zurückgehenden Wohnungsneubaus, mittel- und langfristig Mieten und Wohnungspreise sogar dramatisch nach oben treiben, so Schunker: „Im Moment braucht es einerseits Anreize, damit mehr Kapital in den Wohnungsneubau fließt. Die enormen Investitionssummen, die in den kommenden Jahren dafür erforderlich sind, können nur dann aufgebraucht werden, wenn ausreichend privates Kapital zur Verfügung steht. Andere Sparten wie insbesondere der geförderte Wohnbau, der ohnedies mit Grundstücks- und Baukostenlimits kämpft, könnten eine anhaltende Schwäche des freifinanzierten Wohnbaus sicher nicht kompensieren. Andererseits ist eine zielgerichtete Unterstützung für bestimmte Bevölkerungsgruppen erforderlich, für die das aktuelle Kostenniveau nicht leistbar ist.“
Interesse an Eigentumsschaffung und Veranlagung nach wie vor hoch
Immobilien bleiben der sicherste Inflationsschutz für private Käufer
Die Marktentwicklung der vergangenen eineinhalb Jahre war durchaus ambivalent: Während die Marktmieten weiter moderat zulegten, sind die Kaufpreise für Wohnungen in städtischen Lagen trotz der starken allgemeinen Teuerung nicht gestiegen. „Damit ist der Kauf einer Wohnung, egal ob zur Eigennutzung oder für Veranlagungszwecke, um einiges attraktiver geworden“, so EHL-Wohnen- Geschäftsführerin Karina Schunker. „Tatsächlich ist das Interesse am Eigentums- und Vorsorgewohnungen auch ungebrochen hoch, nur haben die gestiegenen Fremdkapitalzinsen und die äußerst restriktiven Kreditvergaberegeln die Möglichkeiten vieler potenzieller Käufer sehr eingeschränkt.“
Schunker rät, mögliche Wohnungskäufe dennoch eher früher als später zu prüfen. „Die erzielbare Rendite steigt insbesondere in einem Inflationsszenario im Zeitverlauf deutlich an und macht eine Vorsorgewohnung und mehr noch den Kauf einer Eigentumswohnung zu einer langfristig attraktiven Veranlagung mit einem sicheren Inflationsschutz. Darüber hinaus ist die Rendite nie die alleinige Motivation für einen Immobilienerwerb. Vielmehr ist es für den Großteil der Bevölkerung nach wie vor ein Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu leben bzw. Erspartes in Sachwerten wie Immobilien zu veranlagen.“ Aktuell gebe es noch ein vergleichsweise breites Angebot, aber in spätestens zwei Jahren sei zu befürchten, dass die Auswahl deutlich geringer sein wird.
Dazu kommen bei mittel- und langfristiger Veranlagung auch sehr positive Wertsteigerungsperspektiven: „Angesichts der hohen Baupreise, der geringen Neuflächenproduktion und des Bevölkerungswachstums in Wien sowie den Landeshauptstädten, gehe ich langfristig von einer weiterhin positiven Wertentwicklung aus. Wie schon so oft in der Vergangenheit wird man vielleicht auch in ein paar Jahren wieder sagen: ,Hätte ich doch schon damals meine Wohnung gekauft.‘“