Das Gesamttransaktionsvolumen auf dem österreichischen Immobilienmarkt betrug im ersten Halbjahr 2023 ca. 1,2 Milliarden Euro, wobei rund 560 Millionen Euro im ersten Quartal und 630 Millionen Euro im zweiten Quartal verzeichnet wurden. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang von ca. 45 %.
Verantwortlich für diesen drastischen Einbruch des Investmentmarktes sind ins- besondere die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die zu einer deutlichen Zurückhaltung auf Investorenseite geführt haben. Finanzierungen sind seit dem Ende der Nullzinspolitik der EZB nicht nur signifikant teurer geworden, sondern für viele Marktteilnehmer auch deutlich schwieriger zu erlangen. Der dadurch ausgelöste, starke Anstieg der Renditen bzw. Rückgang der Preise hat sich im zweiten Quartal weiter fortgesetzt. Die Preisfindung bei vielen Objekten ist dadurch weiterhin schwierig bzw. teils auch noch nicht möglich, da die Vorstellungen potenzieller Käufer und Verkäufer noch immer deutlich auseinanderklaffen.
Im gewerblichen Bereich sind derzeit kaum Core-Objekte verfügbar und die omnipräsente ESG-Thematik bewirkt zusätzliche Kostensteigerungen für die Investoren. Die in den vergangenen Jahren üblichen Forward-Strukturen, also der Ankauf von noch in Planung oder in Bau befindlichen Objekten, sind aktuell kaum zu verzeichnen. Es ist aber zwischenzeitlich zu beobachten, dass sich die Zeit des Abwartens allmählich dem Ende nähert, viele Investoren wieder deutlich aktiver wer- den und in die Detailprüfung unterschiedlichster Objekte gehen. Wir gehen davon aus, dass sich im zweiten Halbjahr 2023 das Investitionsgeschehen wieder leicht erholt, wenn auch weiterhin auf einem deutlich geringeren Niveau als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Wenn das Ende der Zinsanhebungen der EZB eingeleitet wird, rechnen wir mit einem deutlichen Anstieg des Transaktionsgeschehens.
Entwicklung der Assetklassen
Während in den vergangenen Jahren die Assetklasse Wohnen durch die starke Nachfrage nach institutionellen Wohnprojekten an der Spitze der Statistik lag und die meistgehandelte Assetklasse war, hat sich das seit dem Marktumbruch Mitte 2022 signifikant geändert.
Im ersten Halbjahr 2023 haben Einzelhandelsimmobilien mit einem Anteil von 34 % die Führung in der Statistik der meistgehandelten Assetklasse übernommen. Ausschlaggebend hierfür waren die beiden Großtransaktionen der SIGNA, die zum einen das kika/Leiner-Portfolio an Supernova, zum anderen den Apple Store in der Kärntner Straße in Wien an eine Privatstiftung verkauft hat.
Büroobjekte belegten den zweiten Platz im Ranking der Assetklassen und konnten mehr als 23 % des Transaktionsvolumens für sich verbuchen. Gut vermietete Bestandsbüroobjekte in attraktiven Lagen wie das durch EHL erfolgreich vermittelte „Bureau am Belvedere“, das von der Immofinanz AG an die Real Treuhand Immobilien verkauft wurde oder das ebenfalls von EHL vermittelte AMS Wagramer Straße, das von Pine Asia and die Next Generation Invest verkauft wurde, stehen aktuell hoch im Kurs.
Zudem beschäftigen sich viele Investoren mit Bestandsobjekten, die nicht mehr den aktuellen Anforderungen an ESG und EU-Taxonomie entsprechen. Diese Ob- jekte werden hauptsächlich von institutionellen Bestandshaltern an Investoren veräußert, die durch gezielte Investitionen die Zukunftsfähigkeit der Immobilien im Sinne der EU-Taxonomie sicherstellen möchten („manage to ESG“).
Knapp hinter dem Bürosegment haben sich Wohnimmobilien mit knapp 15 % des Transaktionsvolumens eingereiht, gefolgt von gemischt genutzten Liegenschaften mit rund 9 %. Die Assetklasse Logistik, die in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum verzeichnete, bleibt weiterhin sehr gefragt und macht etwa 8 % des Inves- titionsvolumens aus. Allerdings liegt dieser Wert, ähnlich wie im letzten Jahr, unter dem möglichen Potenzial aufgrund des unzureichenden Angebots an neuen Logisti- kimmobilien.
Entwicklung der Renditen
Trotz der Tatsache, dass viele Marktteilnehmer bereits einen weiteren Zinsschritt der Europäischen Zentralbank antizipiert haben, überwiegt immer noch die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung, was zu einer spürbaren Zurückhaltung und Preissensibilität der Investoren führt.
Während der Renditeauftrieb im hochwertigen Core-Segment weiterhin moderat ist, sind die weniger hochwertigen und risikoreicheren Segmente deutlich stärker betroffen.
Infolgedessen ist die Transaktionsaktivität derzeit sehr verhalten, was sich auch im ersten Halbjahr 2023 zeigt. Obwohl viele, insbesondere internationale Investoren den österreichischen Investmentmarkt genau beobachten, wird es noch dauern, bis tat- sächliche Abschlüsse getätigt werden.
Die Spitzenrenditen für institutionelle Wohn- und Büroobjekte bewegen sich bei hochwertigen Objekten bei etwa 4,00 % bis 4,50 %. Bei weniger attraktiven Lagen, ineffizienten Grundrissen, schlechter Infrastruktur oder Nachhaltigkeitsproblemen bei den Gebäuden werden jedoch höhere Risikoaufschläge berechnet. Diese können im Wohnbereich bis zu 100 Basispunkte und im Gewerbebereich bis zu 150 Basispunkte oder mehr betragen.
Im Logistikbereich bleiben die Renditen für ausgewählte, langfristig vermietete Spitzenobjekte auf einem niedrigen Niveau von 4,00 % bis 4,50 %. Im Einzelhandelsbereich ist nach wie vor eine differenzierte Entwicklung gegeben: Lebensmittelmärkte und Fachmarktzentren erfreuen sich grundsätzlich einer guten Nachfrage, wohingegen große Einkaufszentren derzeit für Investoren deutlich weniger attraktiv sind. Aufgrund fehlender aktueller Vergleichstransaktionen ist es hier schwierig, das aktuelle Rendite- niveau zu bestimmen.
Die noch bevorstehenden Zinsschritte der Europäischen Zentralbank und die damit verbundene Unsicherheit beeinflussen die Preisentwicklung in allen Segmenten, allerdings ist davon auszugehen, dass sich die Zinsanpassungen langsam einem Ende näheren und damit die Planungssicherheit für die Investoren und wieder erhöht wird, was den Renditeauftrieb verlangsamt bzw. zum Erliegen bringt.