Politik und Gesellschaft fordern einen „Escape Plan“ aus der Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen. Das ist laut Jürgen Hürner ein Wunschdenken – und kein besonders smartes. „Wir werden auch zukünftig eine Abhängigkeit von anderen Ländern haben müssen, damit die Energiewende gelingt. Vor allem wenn es um das Schaffen einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur sowie dem Ausbau des Stromnetzes und der Stromspeicher geht“, ist er überzeugt. Ein eigenständiges Handeln jedes Landes, wäre äußerst unwirtschaftlich und nicht im Sinne einer nachhaltigen Energieversorgung. „Wir müssen die Energiewende als gemeinsame Chance sehen. Sie kennt keine Ländergrenzen und auch kleinste Städte sind in der Lage, die globale Energiewende anzutreiben“, erklärt er.
Nur internationaler Ausbau der Netze und Verbindung der Infrastruktur sinnvoll
Die Stadtwerke Amstetten sind angespornt von der Überzeugung, dass die Energiewende in Österreich nicht nur gelingen kann, sondern gelingen wird. Dazu braucht es aber nicht nur die eigene Kraft, sondern Kooperationen und Investitionen mit weiteren Städten und Ländern. Europäische Kooperationen sind vor allem beim Ausbau des Stromnetzes essenziell, damit die Photovoltaik-Wind-Symbiose optimal genutzt werden kann. Wind erzeugt zwei Drittel der Energie in den Wintermonaten und umgekehrt Sonnenenergie zwei Drittel in den Sommermonaten. Die heikelste Komponente ist dabei klar die Netzinfrastruktur. „Nicht jedes Land hat jederzeit genau die gleichen Wind- und Sonnenbedingungen. Im Norden Deutschlands wird viel Windenergie produziert, diese muss beispielsweise nach Italien transportiert werden können, wo umgekehrt viel mehr PV-Strom produziert wird, der wiederum in andere Länder transportiert werden können muss. Es ist eine europäische Mission, die Energieversorgung zu sichern“, weiß Hürner.
Je besser die gemeinsame Planung und Nutzung der PV-Wind-Symbiose, desto weniger Stromspeicher werden in Zukunft benötigt. Die internationale Zusammenarbeit ist dabei die einzig logische, nachhaltige und wirtschaftliche Herangehensweise. Auch beim Wasserstoff braucht es eine gut geplante Infrastruktur, hier ist die räumliche Trennung von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch eine besondere Herausforderung. „Man kann sich das so vorstellen: Der benötigte Strom wird beispielsweise im Burgenland durch Wind erzeugt und muss dann hunderte Kilometer zu einem großen Elektrolyseur transportiert werden. Danach wird damit Wasserstoff erzeugt und dieser eingespeichert.
Nach der Speicherung muss er dorthin transportiert werden, wo er verbraucht wird oder es erfolgt wieder eine Verstromung und die Einspeisung in das elektrische Netz. Das Ganze muss europaweit – oder bestenfalls darüber hinaus – funktionieren. Für die Wasserstoffinfrastruktur gibt es zwar schon Pläne in Österreich, aber es ist noch keine größere Infrastruktur in Betrieb. Eine raschere Lösung beim Ausbau der Leitungen bietet hier die Umwidmung bestehender Gasinfrastruktur für den Wasserstoff. Es gibt beispielsweise auch Pläne, Wasserstoff von Afrika nach Europa zu transportieren. Deshalb braucht es eine gemeinsame Vision für die Energiezukunft“, erklärt Hürner.
Massive Investitionen sind nicht optional, sondern ein Muss
Die Energiewende kostet Geld und ist in der Landschaft sichtbar. In einem Europa, das in der Energiezukunft angekommen ist, werden Windräder, Solarpaneele und Kraftwerke sichtbar sein und zum Landschaftsbild dazugehören – „dann wissen wir, dass wir angekommen sind“, erklärt Hürner. „Das erfordert massive Investitionen. Aber der Preis, den wir jetzt für die Energiewende zahlen, ist klein im Vergleich zu dem, was ohne Handeln passieren wird“, warnt er. Ein Irrglaube sei laut dem Experten außerdem, dass oft angenommen werde, dass Sonnenenergie nichts koste. „Viele denken, dass der Strom, sobald die PV-Infrastruktur ausgebaut ist, wesentlich günstiger wird. Was sie dabei vergessen: die Netzkosten und die Speicherkosten werden steigen und das wird voraussichtlich künftig den Großteil der Stromrechnung ausmachen“, erklärt er. Nachhaltige Energieversorgung kostet, aber diese Investitionen sind notwendig, wenn wir in Zukunft noch einen lebenswerten Planeten an die nächsten Generationen weitergeben möchten.
Vorreiter: Amstetten auf dem Weg zur Klimaneutralität
Die drei Eckpfeiler der Versorgungssicherheit sind Wasser, Energie und Wärme. Die Stadtwerke Amstetten versorgen die gesamte Region mit genau diesen. Auch künftige Generationen sind darauf angewiesen, damit verlässlich versorgt zu werden. Um das zu gewährleisten, brauche es hohe Investitionen in den Klimaschutz, weißHürner: „Grundsätzlich gilt: Wir können nicht nur sparen, wir müssen auch investieren. Auch Aspekte, die nicht direkt mit der Erzeugung und Bereitstellung von Wasser, Energie und Wärme in Verbindung stehen, bringen Herausforderungen in der Versorgungssicherheit. Umstände wie beispielsweise die fortschreitende Bodenversiegelung sind ebenso besorgniserregend.“ Wenn Wasser nicht versickern kann, gibt es weniger Grundwasser, das aufbereitet werden kann, es fließt weniger Wasser in die Flüsse, die wiederum Wasserkraftwerke betreiben. „Versorgungssicherheit kann nicht abgegrenzt gesehen werden, es hängt alles von einem intakten Ökosystem ab. Zudem ist nicht jedes Wasser Trinkwasser – auch hier bedarf es Naturschutz, um mehr Trinkwasser zu garantieren beziehungsweise den Aufbereitungsaufwand möglichst gering zu halten“, erklärt Hürner. Ein bedachter Umgang mit Ressourcen und der Schutz des gesamten Ökosystems sind Grundsätze der Arbeit der Stadtwerke Amstetten.
Das braucht moderne Infrastruktur und konstante Innovation. Die Wasserqualität ist nicht nur für Menschen wichtig, sondern auch für die Natur und Umwelt. „Ich bin überzeugt davon, dass es in allen Bereichen mehr Klimaschutz braucht, dass wir nachhaltige Energie- und Wasserversorgungssysteme benötigen und dass auch unsere Wärmegewinnung ressourcenschonender und nachhaltiger werden muss“, erklärt Hürner. Zu den neuesten Projekten der Stadtwerke Amstetten, auf dem Weg zur Klimaneutralität, zählen die Modernisierung des Umspannwerks Amstetten oder das im Vorjahr gestartete Photovoltaik-Bürgerbeteiligungs-Projekt.