Die Gründe für dieses historisch schwache Quartalsergebnis sind zwar komplex, jedoch eng miteinander verknüpft und treffen die Marktteilnehmer nicht nur hierzulande, sondern auf europäischer bzw. globaler Ebene gleichermaßen in verschieden starken Ausprägungen. Ausgelöst durch die geänderte Zinspolitik der EZB, die Mitte letzten Jahres zur Bekämpfung der stark angestiegenen Inflation mit sehr schnell aufeinander folgenden Leitzinsanhebungen die Trendwende eingeleitet hat, sehen sich die Investoren mittlerweile mit einem völlig geänderten Marktumfeld konfrontiert. Als Konsequenz daraus wurden Finanzierungen nicht nur signifikant teurer, sondern sind für viele Marktteilnehmer auch deutlich schwieriger zu erlangen. In weiterer Folge hat dadurch auch ein starker Anstieg der Renditen bzw. Rückgang der Preise stattgefunden, der auch durch die inflationsbedingt gestiegenen Mieten nicht kompensiert werden kann.
Marktvolumen - Die Herausforderungen steigen
Vor diesem Hintergrund warten viele Investoren derzeit ab, wann und ob es zu einem Ende der Zinsanhebungen der EZB kommen wird. Die nach wie vor sehr hohen Baukosten und die seit ca. einem Jahr stark angestiegene Inflation bestärken sie in dieser Haltung. Die Preisfindung bei den meisten Objekten ist noch immer schwierig bzw. noch nicht möglich, da die Vorstellungen potenzieller Käufer und Verkäufer nach wie vor deutlich auseinanderklaffen.
Da „Nichts tun“ jedoch keine langfristige Strategie sein kann und die Kosten aus Finanzierung, Bau und Erhaltung inflationär weiter laufen, ist zu erwarten, dass es bei Objekten, die nicht ausreichenden Cash-Flow aufweisen, in den nächsten Monaten wieder zu erhöhter Transaktionstätigkeit kommen wird, jedoch auf einem angepassten Preisniveau, das für den ein oder anderen Verkäufer Ernüchterung bringen dürfte. Nach Erreichen des neuen Marktgleichgewichts blicken wir allerdings mit einiger Zuversicht auf die Zeit danach. Wir erwarten, dass sich der österreichische Immobilieninvestmentmarkt nach dieser Phase der Anpassung wieder stabilisiert und zu alter Stärke zurückfindet.
Entwicklung der Assetklassen
Während in den vergangenen Jahren die Assetklasse Wohnen durch die starke Nachfrage nach institutionellen Wohnprojekten an der Spitze der Statistik lag und die meistgehandelte Assetklasse war, hat sich das seit dem Marktumbruch Mitte 2022 deutlich geändert. Im ersten Quartal 2023 wurde Wohnen erstmals wieder von Büroimmobilien überholt, die nun mit beachtlichen 45 % des Transaktionsvolumens die stärkste Assetklasse darstellen.
Eine erwähnenswerte Transaktion im Bürosegment, welche durch EHL erfolgreich vermittelt wurde, war der Verkauf des „Bureau am Belvedere“. Die Liegenschaft wurde von der Immofinanz AG an die Real Treuhand Immobilien verkauft und unterstreicht die grundsätzlich anhaltende Nachfrage nach gut vermieteten Büroimmobilien in zentralen, gut erschlossenen Lagen.
Zum Verkauf stehen im Bürosegment aktuell zumeist aber nicht die stark nach- gefragten, neuwertigen Prime-Objekte in prominenten Lagen, sondern vielmehr Bestandsobjekte, die in vielen Fällen den aktuellen Anforderungen an ESG und EU-Taxonomie nicht mehr entsprechen. Diese Objekte werden überwiegend von institutionellen Bestandshaltern an Investoren veräußert, die durch gezielte Investments die Zukunftsfähigkeit der Immobilien im Sinne der EU-Taxonomie sicherstellen („manage to ESG“).
Hinter Büroobjekten belegten Wohnimmobilien im Ranking der Assetklassen den zweiten Platz und konnten knapp 15 % des Transaktionsvolumens für sich verbuchen. Knapp dahinter liegen mit 14 % des Transaktionsvolumens Gesundheitsimmobilien gefolgt von Hotels mit rund 13 %.
Die weiterhin sehr stark nachgefragte Assetklasse Logistik, die in der jüngsten Vergangenheit ein starkes Volumswachstum vorweisen konnte, verzeichnete rund 12 % des Investitionsvolumens. Dieser Wert liegt wie schon im letzten Jahr aufgrund des unzureichenden Angebots an neuen Logistikimmobilien weit unter dem möglichen Potenzial. Einzelhandelsimmobilien sind insbesondere bei institutionellen Investoren nach wie vor wenig gefragt und wurden lediglich 2 % des Gesamttransaktionsvolumens in diese Assetklasse investiert.
Investoren
Aktuell sind mit knapp 80 % vorrangig österreichische Investoren aus den Bereichen Spezialfonds, öffentliche Hand und Projektentwickler aktiv. Der historisch starke Einfluss von Investoren aus Deutschland ist durch die Marktverwerfungen auf knapp 16 % zurückgegangen. Internationale, nicht deutschsprachige Investoren zeichneten für rund 4 % des Transaktionsvolumens verantwortlich.
Trotz des weiterhin hohen Interesses sämtlicher Investorengruppen für den österreichischen Immobilienmarkt ist zu beobachten, dass insbesondere für die großen, internationalen Investoren die relative Attraktivität von Immobilieninvestments im aktuellen Kapitalmarktumfeld abgenommen hat. Die bessere Performance insbesondere von Veranlagungen im Bereich „fixed income“ und die beim aktuellen Zinsniveau negativen Leverageeffekte haben sicherlich wesentlich zur Zurückhaltung am Immobilienmarkt beigetragen. Diese Faktoren führen dazu, dass Kapital teils in andere Märkte und Anlageklassen umgeschichtet wird, insbesondere in festverzinsliche Wertpapiere im US-Dollar-Raum, die im Moment zum Teil als attraktive Alternative gesehen werden.
Obwohl Immobilien in Zeiten hoher Inflation und negativer Realzinsen normalerweise besonders gefragt sind, besteht aktuell noch eine spürbare Zurückhaltung bei Immobilieninvestitionen, die vor allem der aktuellen Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Zinsentwicklung geschuldet sind.
Entwicklung der Renditen
Obwohl die Marktteilnehmer in vielen Fällen bereits einen weiteren Zinsschritt der EZB in ihre Erwartungen und den Businessplänen antizipiert haben, überwiegt die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Dies führt zur deutlich spürbaren Zurückhaltung der Investoren, was nicht nur in der Preisfindung selbst, sondern auch in der Nachfrage ihren Niederschlag findet. Während der Renditeauftrieb im Spitzensegment vergleichsweise moderat war und sich die Preisanpassungen der vergangenen Monate in dem Bereich auch in Grenzen gehalten haben, sind die nachgelagerten Qualitätssegmente deutlich stärker betroffen.
Dementsprechend ist die Transaktionsaktivität derzeit sehr verhalten, was auch das erste Quartal 2023 bestätigt. Auch wenn viele, vor allem internationale Investoren den österreichischen Investmentmarkt sehr genau beobachten, wird es noch einige Monate dauern, bis es wieder vermehrt tatsächlichen Abschlüssen kommt. Gerade aber im großvolumigen Core+ Bereich finden Käufer und Verkäufer derzeit nach wie vor preislich nicht zusammen.
Die Spitzenrenditen für institutionelle Wohn- und Büroobjekte liegen für Top-Produkte bei etwa 3,75 % bzw. 4,00 %. Bei weniger attraktiven Lagen, ineffizienten Grundrissen, schlechter Infrastruktur oder Nachhaltigkeitsthemen bei den Gebäuden werden jedoch höhere Risikoaufschläge berechnet, die im Wohnbereich bis zu 100 bzw. im Gewerbebereich bis zu 150 Basispunkten und mehr betragen können.
Im Logistikbereich verharren die Renditen für ausgewählte, langfristig vermietete Objekte im Spitzensegment auf einem niedrigen Niveau von 4,00 % bis 4,50 %. Im Bereich Einzelhandel zeigt sich eine differenzierte Entwicklung: Während Lebensmittelmärkte und Fachmarktzentren sich weiterhin guter Nachfrage erfreuen, sind große Einkaufszentren für Investoren derzeit weniger attraktiv. Daher gestaltet sich die Bestimmung des Preisniveaus in diesem Segment als schwierig, da mangels vorliegender Vergleichstransaktionen das aktuelle Renditeniveau praktisch kaum auszumachen ist.
Die noch bevorstehenden bzw. bereits angekündigten Zinsschritte der EZB und die damit verbundene Unsicherheit beeinflussen die Preisentwicklung in allen Segmenten. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Renditen tendenziell weiter erhöhen werden.
Ausblick
Der österreichische Immobilieninvestmentmarkt durchlebt derzeit eine Phase des Abwartens. In den kommenden Monaten ist zu erwarten, dass die Liquidität und die Transaktionstätigkeit tendenziell auf einem niedrigeren Niveau verharren werden.
Das deutlich veränderte Markt- und Zinsumfeld hat bisher nicht zu Zwangsverkäufen oder Restrukturierungen geführt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Druck aufgrund dieser Entwicklungen in allen Assetklassen zunehmen wird - insbesondere getrieben durch auslaufende Finanzierungen. Für Investoren mit klaren Zielvorstellungen und gefüllter „Kriegskassa“ ergeben sich dadurch attraktive Chancen. Zum Teil werden die Wertrückgänge durch die gute Performance der Vermietungsmärkte, getrieben von der erstarkten Flächennachfrage und der auch inflationsbedingten Mietsteigerungen, kompensiert. Dies ist vor allem bei hochwertigen Büroimmobilien, modernen Logistikhallen und insbesondere im Bereich Wohnen zu beobachten. Dies kann allerdings den Renditeanstieg wie erwähnt nicht gänzlich kompensieren.
Wir erwarten, dass sich die Preisvorstellungen auf Käufer- und Verkäuferseite im Laufe der kommenden Monate zu- nehmend annähern werden. Viele Analysten gehen davon aus, dass die Turbulenzen rund um die Rettung der Credit Suisse und die Angst vor ähnlichen Problemen bei weiteren systemrelevanten Banken die EZB dazu veranlassen werden, die Dynamik der Zinsanhebungen merklich zu verlangsamen. Dies könnte den Investoren eine „guidance“ hinsichtlich der weiteren Entwicklung geben, sodass das Transaktionsgeschehen wieder in Gang kommt. Wir nehmen derzeit jedenfalls wieder mehr Interesse seitens potentieller Käufer wahr und auch die Pitch- und Vermarktungsaktivitäten nehmen zu.