Von der Rollbahn zur Airportcity

Flughäfen sind längst nicht mehr nur zum Starten und Landen von Flugzeugen vorgesehen. Viel eher könnte man meinen, das Fliegen sei nur ein Nebenprodukt einer Immobilie, die längst den Status eines Stadtteils hat.

Der Flughafen befindet sich weltweit im Wandel: In der international bedeutsamen und stetig wachsenden Branche nimmt der Wettbewerb permanent zu, sodass im Zuge stattgefundener Liberalisierungen und Privatisierungen Konzentrationstendenzen erkennbar werden, sowohl bei Fluggesellschaften als auch bei Flughafenbetreibern. Trotz des enormen Wachstums des Luftverkehrs sinken die Einnahmen im sogenannten Aviations-Geschäft seit mehreren Jahren: aufgrund von hohem Kostendruck, der aus sinkenden Start- und Landungsentgelten sowie Flughafensteuern resultiert, rückläufigen Ticketpreisen und auch wegen des größer werdenden Marktanteils von Low-Cost-Carrier-Gesellschaften.

Komplette Infrastruktur

Diese Faktoren führen zu einer Generierung des Kapitals aus anderen Geschäftsfeldern beziehungsweise zu einer (zwangsweisen) Stärkung des sogenannten Non-Aviation-Bereichs, der im Wesentlichen aus den Sektoren Einzelhandel, Gastronomie und Services besteht und sich bei größeren Flughäfen weltweit zu einem wesentlichen Bestandteil entwickelt hat. Mehr als 35 Milliarden US-Dollar umfasst das globale Travel Retail Business, von dem zwei Drittel auf das Airport-Shopping entfallen. Internationale Verkehrsflughäfen bieten neben der Bereitstellung der luftverkehrsnahen Infrastruktur mittlerweile ein breites Spektrum von städtischen Nutzungen wie Hotels, Kongress- und Tagungseinrichtungen, Einkaufszentren, Unterhaltungs- und Gastronomieangebote sowie Büro- und Logistikimmobilien. Aufgrund ihrer funktionalen Komplexität sind zum Teil bereits eigenständige Airport-Citys entstanden.

Flughafen oder Innenstadt

Dabei reichen bei großen internationalen Flughäfen die Auswirkungen über die Airport-City hinaus. Der Luftverkehr ist einer der wichtigsten Standortfaktoren für die Ansiedlung und Investitionstätigkeit internationaler Unternehmen. So haben in Deutschland rund 9.200 Unternehmen ihren Sitz oder eine Niederlassung in den Einzugsgebieten deutscher Flughäfen. Das spiegelt sich auch bei den erzielbaren Mieten wider: Die Spitzenmieten von Büros an Flughäfen sind inzwischen oftmals vergleichbar mit denen von Büroimmobilien in Innenstadtlagen. Wien ist mit der Nähe des Flughafens zum Zentrum regelrecht gesegnet, wenn man sich zum Vergleich andere europäische Hauptstädte ansieht. So benötigt man vom Zentrum Moskaus bis zum Flughafen rund drei Stunden und da erscheint es für Geschäftsleute oft schon sinnvoller, gleich am Flughafen zu bleiben und dort die Geschäfte abzuwickeln– die Infrastruktur ist ja vorhanden.

Der große Umsatzbringer

Die internationale Travel-Retail-Branche und insbesondere das sogenannte Airport-Shopping durchleben zurzeit eine besonders dynamische Entwicklungsphase. In diesem profitablen, jedoch durch Ereignis- und Krisenanfälligkeit sensiblen Geschäft gibt es inzwischen eine Vielzahl durchdachter Konzepte, die im Non-Aviation-Bereich verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. Aufgrund der zunehmenden Flugbewegungen weltweit beziehungsweise aufgrund der weiter anziehenden Frequenz von Fluggästen sowie der nachlassenden Margen aus dem reinen Luftverkehr ist es nur logisch, dass die internationale Travel-Retail-Branche den Non-Aviation-Bereich und insbesondere das sogenannte Airport-Shopping an Flughäfen weiter ausbauen wird. Mittlerweile trägt der Einzelhandel in entscheidendem Maß zum Umsatz beziehungsweise Gewinn eines Flughafens bei. Der Flughafen Amsterdam-Schiphol, der mit seinem See-Buy-Fly-Konzept als Vorreiter des Airport-Shoppings gilt, erzielt heute rund die Hälfte seiner Einnahmen aus dem Non-Aviation-Geschäft, zu dem auch die Vermietung von Immobilien gehört. Überhaupt macht der Non-Aviation-Bereich bei den großen Flughäfen bereits über die Hälfte der Umsätze aus. Bei kleineren Flughäfen und entsprechend geringeren Passagierzahlen beträgt der Anteil 30 bis 40%.

Unterschiede zwischen Flughäfen und normalen Handelsflächen

Airport-Retailing unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom traditionellen Handel in Innenstädten und Shopping-Centern. Allein die Trennung nach Land- und Luftseite stellt eine Besonderheit dar, die nicht nur von der Erreichbarkeit oder vom Vermarktungsaspekt her eine entscheidende Rolle spielt. Die (luftseitigen) Einzelhandelsflächen unterscheiden sich schon allein in ihrer räumlichen Begrenzung: Sie verfügen über eine wesentlich geringere Quadratmeterfläche im Vergleich zum klassischen oder urbanen Einzelhandel und sind nur limitiert verfügbar. Die überwiegende Ansiedlung von Läden aus dem Luxus-Segmentbereich oder aus dem hochwertigen Bereich professioneller Betreiber ist ein weiterer markanter Unterschied. Travel-Retail zeichnet sich durch hohe Verkaufsflächenproduktivität, weniger Verkaufsvolumen, aber insgesamt höhere Margen aus. Zur weiteren Perfektionierung des Non-Aviation-Bereichs respektive des räumlich begrenzten Marktes kann das Airport-Retailing in der Regel auf hocheffiziente Datensysteme zurückgreifen (genaue Verfolgung, wer was wo kauft), nach deren Ergebnissen die Einzelhandelszonen (um)gestaltet werden können.

Neue Flughäfen können sich von der Planungsphase an mit der Einzelhandelskonzeption und neuen Technologien, wie z. B. Online-Shopping oder Pre-Order-Systemen als zusätzlichen Einkaufskanälen, auseinandersetzen. Bei der Planung neuer Flughäfen oder neuer Terminals wird dem Einzelhandel mittlerweile viel mehr Bedeutung als früher beigemessen. Überdurchschnittliche Renditen werden bei Neubauprojekten insbesondere in China, Indien, dem Mittleren Osten sowie Osteuropa erwartet. Wenn nicht eine Aschewolke dazwischenkommt

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  • Erschienen am:
    09.06.2011
  • um:
    13:46
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Geschrieben von:

Walter Senk

Walter Senk ist Chefredakteur der Immobilien-Redaktion, die er 2010 gründete. Er ist seit über 25 Jahren Journalist mit dem Fachgebiet „Immobilien“. Er konzipiert und betreut Newsletter und Magazine für Medien und Unternehmen, moderiert Veranstaltungen und leitet Podiumsdiskussionen. Sein Motto: Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.

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