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Damals im Ostblock – wie alles begann

Heute heißt die Region CEE/SEE, aber damals vor der Öffnung war es der Ostblock. Leider ist es für einige Unverbesserliche immer noch der Ostblock, auch wenn sich sehr viel verändert hat. Gunter Eisert war vor mehr als zwei Jahrzehnten der Geschäftsführer der Volksbankentochter Immoconsult und einer der Ersten, die in CEE/SEE im Immobilienbusiness unterwegs waren. Im Interview erzählt er von dieser sehr bewegten und abenteuerlichen Zeit und gibt auch persönliche Einblicke in sein Leben.

In welchem Land und wann waren Ihre Anfänge in CEE?

Eisert: Meine Anfänge waren damals in einem komplett neuen Staat, der tschechischen Republik, die aus der Tschechoslowakei hervorging, die sich erst 1992 in die tschechische Republik und die Slowakei aufgespaltet hatte. Martin Sabelko, seine damalige Freundin, meine Frau und ich wurden 1992 von der österreichischen Botschaft in Prag eingeladen. In der Folge wurde dann der Schritt nach Prag gesetzt. Die ersten Projekte waren ein Bürohaus am damaligen Gorki-Platz und eine Jugendstilvilla im Botschaftsviertel. Die Villa war ein interessantes Haus, da sie davor als eine Abhörzentrale mitten im Diplomatenviertel gedient hatte.

Wie kamen Sie zu den notwendigen Kontakten?

Eisert: Wir haben durch unsere Partner– und das war unser Glück– einen Herrn getroffen, der ein gutes Entree bei gewissen Behörden hatte, wie zum Beispiel bei der Baupolizei in Prag Eins, die interessanterweise nur weiblich besetzt war. Nach diesen beiden Projekten haben wir das dritte begonnen, das Holland Center mit 2.000 Quadratmetern Geschäftspassage und 8.000 Quadratmetern Büro mitten im Zentrum.

Wie war die Situation insgesamt?

Eisert: Damals war es in Prag sehr schwierig. Es gab nur drei moderne Projekte im Zentrum: eines von der UBM, die damals schon von Karl Bier geleitet wurde (Anm. d. Red.: auch heute noch; die UBM ist mittlerweile in zehn osteuropäischen Ländern tätig), dann das Prag City Center und wir.

Wann kamen die anderen Länder?

Eisert: Neben Prag haben wir in Bratislava und Budapest auch die ersten Projekte entwickelt. In Österreich war der Markt ziemlich zu und die Situation nicht die beste. Zudem war es mein Wunsch, gemeinsam mit meinem Geschäftsführerkollegen Wolfgang Perdich mit der Immoconsult einen Gesamtanbieter für Projekte zu etablieren, der von der Grundstücksbeschaffung bis zum Verkauf des Gesamtprojektes alles abwickelt. Prag, Bratislawa und Budapest sind fast parallel gelaufen und danach kam erst der Schritt nach Rumänien und Bulgarien.

Sie haben ein eigenes Büro in Prag gehabt und waren auch viel Zeit in CEE. Wie haben Sie damals die Zeit empfunden?

Eisert: Das war ja im Osten eine komplette Wende. 50 Jahre in einem System prägen die Menschen und der Umbruch im menschlichen Bereich hat mich sehr berührt. Man konnte beobachten, wie die Gewinner aus dem System hochgekommen sind, und übrig geblieben sind diejenigen, die sozial im Kommunismus abgesichert waren. Die haben verloren. Ich kann mich an eine Weihnachtsfeier erinnern, die wir in Prag organisiert haben, und wir haben natürlich auch die Portiere eingeladen, und einer von ihnen hat fast geweint vor Rührung, als ich mich neben ihn gesetzt habe, da er mir erzählt hat, in der gesamten kommunistischen Ära durfte er nie neben einem Direktor sitzen. Das hat mich damals sehr berührt.

Wie war die Zusammenarbeit?

Eisert: Es gab viele Menschen, die es aufgrund des Systems nicht gewohnt waren, nach unseren Vorstellungen zu arbeiten. Sie haben sich teilweise wirklich schwer getan, die Forderungen und Ansprüche der westlichen Firmen zu erfüllen.

Das hat sich auch auf die Immobilien ausgewirkt.

Eisert: Natürlich! Standards und alles was man beachten muss, um ein Projekt erfolgreich zu verwerten, waren aus zwei Gründen fremd: Sie haben es nicht gelernt– woher auch?– und man war eine Zeit lang der Meinung, man kann für jede Immobilie hohe Mieten verlangen, egal wie schlecht sie waren.

Was auch so war.

Eisert: Man konnte jeden Dreck hoch vermieten. Wir hatten damals Mieten von 36 D-Mark (18 Euro) pro Quadratmeter. Wir selbst sahen darin natürlich eine große Chance, denn wir wussten, wenn wir ordentliche Projekte machen und von Anfang an dabei sind, dass man damit auch viel Geld verdienen kann. Mit Miete und Verkauf. Man muss den Gebäuden auch Identität geben und Qualität bieten. Wir haben immer sehr darauf geachtet. Aber etwas anderes war mir auch wichtig …

Nämlich?

Eisert: Der Kulturaustausch war mir immer sehr wesentlich. Es ist wichtig, wenn ich wo arbeite, dass ich mir anschaue, was gibt es für Bauwerke, was ist im Land los, wie lebt die Bevölkerung? Wir haben auch die Kollegen aus Prag nach Wien eingeladen und zum Beispiel die Prager Baupolizei mit der Wiener Baupolizei zusammengebracht. In Prag waren ja die Auflagen des Denkmalamtes viel höher. Oder wir haben über Stadtentwicklung gesprochen. Es war eine gegenseitig sehr befruchtende Zeit.

Dann kam der Schritt nach Rumänien.

Eisert: In Rumänien habe ich am meisten mitgemacht mit Personal und Korruption. Wir haben ein Projekt errichtet, und als wir beim Bau schon im Parterre waren– wobei es ein harter Weg war, überhaupt eine rechtskräftige Baugenehmigung zu bekommen–, hat unser Grundstücksnachbar eine Bestätigung bekommen, dass unser Grundstück unbebaut ist, und hat auf seinem Grundstück direkt an der Grenze ebenfalls ein Haus errichtet. Wir konnten nichts dagegen tun und der Nebenbau hat unserem Projekt natürlich enorm geschadet.

Hätte man nicht klagen können?

Eisert: Wir hätten eine Amtshaftungsklage einbringen können, aber dann hätten wir gleich unser Büro in Bukarest zusperren können und das Land verlassen müssen, damit uns nichts passiert und wir halbwegs gesund nach Hause kommen. Ich erinnere mich noch an ein anderes Erlebnis: Wir sind im Privatjet nach Bukarest geflogen, um über ein Grundstück zu verhandeln, das direkt neben der katholischen Kathedrale lag. Wir wurden in ein Kellerloch gebeten und haben dort einen ganzen Tag bei Wasser und einem scheußlichen Kaffee verhandelt. Ich weiß nicht, wie oft unser Gegenüber wutschnaubend den Verhandlungstisch verlassen hat. Es war eine abenteuerliche Verhandlung, aber am Abend hatten wir das Grundstück. Oder die Sache mit dem Shopping-Center …

Shopping-Center?

Eisert: Also Shopping-Center ist zu hoch gegriffen. Es war eine Lagerhalle, eine sehr hoch gebaute, lang gestreckte primitive Lagerhalle mit einem riesigen Parkplatz davor. Drinnen waren über 100 kleine, wie Käfige abgezäunte Geschäfte, in denen faktisch alles verkauft wurde. Die Mieten waren enorm hoch und der Eigentümer hat die Errichtungskosten seines „Shopping Center“ in einem Jahr wieder verdient gehabt. Ich habe viele Center quer über den ganzen Erdball gesehen, aber nie wieder so etwas wie das erste Shopping-Center in Rumänien.

Haben Sie damals mit Partnern zusammengearbeitet?

Eisert: Ja. Wir haben viele Projekte mit israelischen Bauträgern und Investoren gemacht. Wir haben das Finanzierungskonzept gemacht und unsere Partner die Abwicklung des Baus– diese Partnerschaften waren sehr gut.

Haben Sie Ihren Entschluss bereut, in CEE tätig zu sein?

Eisert: Trotz der Unsicherheit und der abenteuerlichen Verhältnisse habe ich nie meinen Entschluss bereut, zudem war die Arbeit eine enorme Erweiterung meines Horizonts. Ich habe damit die Menschen, die Kultur und die Landschaft dieser Länder kennen gelernt. Mir ist auch immer sehr am Reisen gelegen, und das ist auch etwas, was mir momentan ein bisschen abgeht, weil ich mir ja auch immer die Länder angesehen habe, und ich habe Orte gesehen, an die ich sonst nie gekommen wäre.

Würden Sie heute etwas anders machen?

Eisert: Einiges …, aber ich würde nicht etwas anderes machen; wenn ich jetzt zurückblicke, würde ich etwas anders machen: Ich würde meiner Familie nicht mehr so viel Zeit stehlen, weil man glaubt, Geschäfte machen zu müssen. Und ich würde meinen Vorgesetzten mehr Kontra geben und sagen: „So nicht!“ Mehr, als ich es ohnehin getan habe. In CEE würde ich nichts anders machen, weil ich glaube, dass ich einen verständnisvollen und guten Weg gegangen bin; bei den Projekten und den Menschen gegenüber. Ich habe auch mein starkes Engagement in keiner Weise bereut.

Wo sehen Sie den großen Unterschied zwischen damals und heute?

Eisert: Die Länder haben sich natürlich in ihrer prinzipiellen Struktur grundlegend geändert und auch die Infrastruktur ist ganz anders. Es ist bestimmt nicht mehr möglich, diese Pionierleistung, die man gemacht hat, zu wiederholen. Die Qualität der Objekte steigt und dadurch werden qualitativ schlechtere Objekte schwerer zu verwerten sein. Die Renditeerwartungen sind gesunken: In Sofia haben wir unser erstes Objekt um 12 bis 13 Euro vermietet, heute liegen die Mieten bei 8 Euro. Es gibt mehr Mitbewerber und die Goldgräberstimmung, wie sie zu unserer Zeit herrschte, wird nie mehr kommen. Wo ich große Chancen sehe, ist allerdings der Handel.

Ihr Resümee?

Eisert: Es war alles sehr spannend und es war reizvoll, ich hatte viele Erfolgserlebnisse, und wer hat das nicht gerne?

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Walter Senk

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  • Erschienen am:
    01.09.2011
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