Umweltbewusstsein und Immobilien – ein Widerspruch?

Am Podium diskutierten:

Yasmin Obojkovits (Abteilungsleiterin Baumanagement bei EHL)

Wolfgang Kradischnig (Geschäftsführer Delta Holding)

Roland Pichler (Geschäftsführer Die Wohnkompanie)

Thomas Tischler (Vorstandsmitglied der ÖRAG und Geschäftsführer der ÖRAG-Facility Management)

Thomas Tischler eröffnet die Runde, und meint: Was ist überhaupt „Umweltbewusstsein“ in der Immo-Branche? Energie-Einsparung, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung; „das wird alles zum Glück schon gelebt“. Spätestens seit der „Fridays for Future“-Bewegung sei der bildhafte Nachweis da, dass die Jugend einen gesunden Planeten für die Folgegenerationen verlangt. „Aber gesamtgesellschaftlich stehen wir da erst am Beginn“, meint Tischler, der an das Einschränken der eigenen persönlichen Bedürfnisse erinnert.

Wolfgang Kradischnig (Delta) berichtet von einer aktuellen Umfrage seines Unternehmens. Was sind denn Kunden überhaupt bereit (mehr) zu zahlen für nachhaltiges Bauen? Egal ob Kreislaufwirtschaft, CO2-Fußabdruck oder Lebenszyklus-Kosten eines Projekts – „die Bedeutung jedes Aspekts sehen unsere Kunden auf der 10er-Skala im oberen Drittel“, berichtet Kradischnig. Die Kunden der Delta Holding seien „sehr wohl bereit, mehr zu zahlen“ – konkret gemeint sind höhere Errichtungskosten bei niedrigeren Kosten für den Lebenszyklus. Diese Bereitschaft pendle sich laut Delta-Umfrage bei 12 Prozent Mehrkosten ein – „die Kunden sind also bereit, einmalige Mehrkosten im zweistelligen Bereich aufzunehmen, um dann im Lebenszyklus Geld zu sparen“. Es sei gleichzeitig Aufgabe der Generalplaner, das den Kunden entsprechend zu erklären und zu vermitteln.

Yasmin Obojkovits (EHL) weiß: „Irgendwann sind wir alle gezwungen, etwas zu tun. Die Ressourcen werden knapper.“ Passieren sollte das aus gesellschaftlicher Überzeugung – aber mit Richtlinien wie dem „Green Deal“ der EU lasse sich auch ein gewisser Zwang erzeugen. Der Bausektor trage einen wesentlichen Teil zur Treibhausgas-Emission bei – „die Nachhaltigkeit kommt jetzt im Bauen an, internationale Investoren achten auf den ‚grünen Stempel‘, es braucht Zertifizierungen“, sagt Obojkovits. In der jungen Generation seien Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit richtiggehend verankert; als „Konsumgesellschaft müssen wir alle in der Umsetzung an uns arbeiten“.

Roland Pichler (Die Wohnkompanie) meint: „Je professioneller der Käufer meiner Wohnimmobilie ist, desto wichtiger sind ihm Lebenszyklus-Kosten und Ökologie-Zertifizierung.“ Gemeint sind institutionelle Investoren, die das Thema „schon sehr lange“ eng verfolgen und die Nachhaltigkeit als wichtig erkennen. Auch Fonds und Versicherungen reagieren, sagt Pichler, und schaffen nachhaltige Projekte. „Das passiert zum Teil aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, aber auch aus Überzeugung.“ Anders die Situation bei privaten Wohnungskäufern in Wien: „Da gibt es ein paar, die fokussieren darauf. Aber es ist nicht jedem Käufer wichtig, dass die Wohnung nachhaltig ist.“ Da spiele auch die „finanzielle Überwindung“ eine große Rolle: Vorrangig gehe es den Käufern um Fläche, Ausstattung, Komfort. „Nicht jeder definiert diesen ‚Komfort‘ über die Nachhaltigkeit“, sagt Pichler.

Die ImmoLive-Community stellt ihre Fragen: klimafreundliche Alternativen zum Beton

Wie immer sind die Zuseherinnen und Zuseher im Chat eingeladen, ihre Fragen ans Podium zu stellen. „Beton als Klimakiller“ – müsse man das Baumaterial nicht überdenken? Wolfgang Kradischnig (Delta) berichtet: 1 Tonne Zement verursacht in der Herstellung 700 Kilogramm CO2 – „das hat einen riesigen Impact auf unsere Branche“. Ja, es sei wichtig, über alternative Baustoffe nachzudenken – etwa Holz. Ein Bauprojekt von Delta mit der Boku (Universität für Bodenkultur, Anm.) aus Holz sei in seinen Rohmaterialien statistisch „in Österreich in 17 Minuten nachgewachsen“. Es gebe aber nicht nur Holz, sondern auch umweltfreundliche Alternativen zum Zement – etwa eine Herstellung bei niedriger Brenntemperatur („das spart irrsinnig viel Energie ein“).

Holzbau sei schon lange Thema in Westösterreich, sagt Roland Pichler (Die Wohnkompanie); jetzt werde es langsam relevant auch in der Ostregion. „Wir werden als Gesamtunternehmen nicht komplett auf Holz umstellen. Aber wir wollen früh dabei sein, wohl auch Fehler machen, aber daraus lernen und hier Verantwortung zeigen.“

 „ESG“ – noch mehr Regeln und Normen für die Umwelt?

Der Chat nennt auch das „neue Schlagwort ESG“ – ist das in der Immo-Branche angekommen? (Anm.: ESG, also „Environmental, social and corporate governance“ bezieht sich auf die drei zentralen Faktoren bei der Messung der Nachhaltigkeit und der gesellschaftlichen Auswirkungen einer Investition in ein Unternehmen oder eine Firma.) Thomas Tischler (ÖRAG) sagt: Wesentlich sei die langjährige kostensparende Nutzung einer Immobilie. Der Wissenschaft zufolge stehe die Industrie an erster Stelle, dann der Verkehr und auf Platz 3 das Wohnen als größte Energieverbraucher. „Ob jetzt die Waschmaschine energieeffizient ist, spielt keine Rolle – die meiste Energie frisst die Klimaanlage, Heizung, das Regulieren der Raumtemperatur. Darin steckt viel Potenzial“, sagt Tischler, und erinnert an Klimaanlagen im Bürobereich, die 24 Stunden liefen, „obwohl das Haus ab 20 Uhr nicht mehr genutzt wird“.

Noch einmal „ESG“ im Chat: Welche Hürden und Anreize gibt es? Sind es mittlerweile nicht zu viele Gesetze und Normen? Roland Pichler (Die Wohnkompanie) meint: Arbeitsschritte zu normieren habe ja durchaus Vorteile, „da müssen wir das Rad nicht bei jeder Baustelle neu erfinden“. Auf der anderen Seite stünden hinter Auflagen auch „Zwänge und Strafen“, und es sei eine Grundsatzfrage, ob man mittels positiver Anreize zur Nachhaltigkeit bewegen wolle oder mittels Zwängen. Als Beispiel nennt er die Gasheizung: „Bei neuen Flächenwidmungen in Wien sind Gasheizungen sowieso verboten. Aber wir würden die gar nicht mehr einbauen wollen“, so Pichler.

Yasmin Obojkovits (EHL) wird zum Verbessern des Öko-Standards in bestehenden Immobilien gefragt. Institutionelle Anleger seien daran durchaus interessiert; spätestens wenn es um den Verkauf des Objekts ginge, spiele das in den Preis. Nachhaltige Ausstattung senke auch die Betriebskosten, was das Objekt allein aus finanzieller Betrachtung wiederum attraktiver mache. „Das Asset Management kennt den laufenden Betrieb. Es ist unser Job, den Eigentümer dahingehend zu beraten“, sagt Obojkovits.

Ressourcenschonung in der Immo-Branche

Wolfgang Kradischnig (Delta) erinnert an den großen Umwelt-Impact der Immo-Branche. Von CO2-intensiven Transporten bis zum Ressourcenverbrauch „haben wir eine große Verantwortung“. Das sei in der Branche zu spüren: „Wir setzen Schritte, wir machen uns auf den Weg.“ Beispiel dafür sei die „Delta Green Line“ seines Unternehmens, sagt Kradischnig. Schon bei der Errichtung werde dabei auf den nachhaltigen, langfristigen Lebenszyklus von Objekten geachtet. Bei der Nachhaltigkeit gehe es aber auch um die Lage: Neue Gebäude im Wiener Speckgürtel „versiegeln den Boden, erzeugen Mobilität. Die sind wesentlich unökologischer als ein Gründerzeithaus in der Wiener Innenstadt, in das ich Geld stecke um es zu sanieren“.

Auch das Raumnutzungskonzept gehe mehr Richtung der „Sharing-Idee“, Gemeinschaftsräumen und Synergien; wenn mehrere Bewohner die gleiche Infrastruktur nutzen, dann wirke sich das auch auf die Bauweise aus. „Damit ist Bauen ein weites Betätigungsfeld, das sich auf den Klimaschutz auswirkt“, sagt Kradischnig.

Bremst Corona die umweltbewusste Entwicklung der Immo-Branche

„Corona ist eine angenehme Ausrede, warum Dinge nicht möglich sind“, sagt Thomas Tischler (ÖRAG). Aber: Gerade die Zeit im Home Office führe doch bei jedem Einzelnen zu Gedanken, „sich in den eigenen vier Wänden optimal entfalten und wohlfühlen zu können“. Das führe zur gesteigerten Nachfrage „hinaus ins Grüne, mit dem eigenen Gemüsegarten“.

Jedenfalls schwierig seien die entgangenen Mietzins-Einnahmen vieler Eigentümer, die wiederum in Folge zum „On-Hold-Setzen“ von „sinnvollen, weiterführenden“ Instandhaltungsmaßnahmen führen, weil das Budget nicht da sei, sagt Tischler: „Corona ist kein Stoppschild, aber die tatsächliche Umsetzung bleibt ein bisschen stehen.“

Teure Baustoffe wegen Rohstoffmangels, und wie baut die Zukunft

„Leider ja, definitiv ein Thema“, erinnert Roland Pichler (Die Wohnkompanie) an aktuelle Medienberichte, wonach der Rohstoffmangel zu teuren Baustoffkosten führe. „Mal schauen, wie sich das auf unser Holzbauprojekt in der Klederinger Straße auswirkt“, befürchtet Pichler eine Verteuerung bei etwa Bauholz und Stahl. „Aber wer lange genug in der Branche ist, weiß: Das gab und gibt es immer wieder; ich will aber nichts verharmlosen.“

Wolfgang Kradischnig (Delta) appelliert für mehr Effizienz bei der Planung und beim Bauen: „Wir müssen so bauen, dass die Rohstoffe gut wiederverwertbar sind. Keine Verbundstoffe mehr. Machen wir mehr aus unseren endlichen Rohstoffen!“, verlangt Kradischnig neue Antworten auf die Frage, vorhandene Rohstoffe in Gebäuden nach deren Lebenszyklus wieder verwenden zu können.

Yasmin Obojkovits (EHL) sieht den CO2-Abdruck als wichtigen Aspekt bei Bauprojekten; aber viele Aspekte – wie intelligente Beleuchtung durch Bewegungsmelder – werden bei Büroneubauten ohnehin schon mitgedacht. „Da geht es nicht nur um den CO2-Ausstoß, das wird sowieso mitgelebt“, berichtet Obojkovits.

Braucht es mehr „Goodwill“-Lockerungen oder Zwang bei der Ökologisierung?

Roland Pichler (Die Wohnkompanie) meint: „Wir wollen ökologisch bauen, wir schauen auf Ressourcen. Aber klar, man kann immer mehr machen.“ Das passiere im Wesentlichen auch freiwillig; im Endeffekt ist die Branche aber „wirtschaftlich getrieben. Da werden sich nicht alle, ohne Rücksicht auf Verluste, in diese Richtung (Ökologisierung, Anm.) werfen“, meint Pichler. In den kommenden Jahren würden in der Branche vor allem „Recycling- und Ressourcen-Manager gebraucht“, prognostiziert er.

„Lockerungen gehen in die falsche Richtung“, meint Wolfgang Kradischnig (Delta). Er sei kein Hardliner und vertrete keinesfalls die Meinung, dass „der Staat alles besser weiß“. Aber: „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel, und der funktioniert nur mit Vorgaben von oberster Seite. Die Wirtschaft alleine ist da zu träge.“ Statt im Speckgürtel „scheinbar billig zu bauen“ und mehr Boden zu versiegeln, bräuchte es Anreize fürs Nachverdichten in der Stadt, wünscht sich Kradischnig. „Wir brauchen Ehrlichkeit und Kostenwahrheit, dann reguliert sich einiges.“

Umweltschutz der Zukunft – wie verändert sich die Immobranche?

Die Abschlussrunde stellt die Frage: Was wird in fünf Jahren Realität sein, wie wird sich die Branche verändert haben?

Thomas Tischler (ÖRAG) sieht eine komplexe Situation, „mit Lösungen in manchen Bereichen und dem Status quo in anderen“. Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen werde eine spannende Herausforderung – Stichwort „Zinshaus mit lauter Gasthermen“. Wie bekomme ich Wärmepumpen in das Haus, wenn ich keine Fernwärme habe?, fragt Tischler rhetorisch und erinnert an die „vielen, vielen Anforderungen in den vielen, vielen Bereichen“.

Roland Pichler (Die Wohnkompanie) wünscht sich: Neubauten sollten sich im Ressourcenverbrauch weiterentwickeln, „auf dass sich Bauwerke mit alternativen Werkstoffen durchsetzen“. In die Bestandssanierung „setze ich wenig Hoffnung. Das wird schwierig in der Stadtbild-Erhaltung“; es fehle immer noch ein einheitlicher Standard, aber: „Ich mag die Innere Stadt, die Gründerzeithäuser. Ich hoffe, dass sie nicht alle dem Neubau weichen müssen.“

Wolfgang Kradischnig (Delta) setzt auf digitale Möglichkeiten. „Wir als Branche werden gefragt sein, unseren Impact auf die Umwelt – siehe CO2-Abdruck – so darzustellen, dass wir schon in der Planung erklären können, was die Bauweise bedeutet“, sagt Kradischnig. Mit „Smart Homes“ und digitaler Sensorik könnten Gebäude nachhaltig geplant und gebaut werden – „es ist unsere Verpflichtung“, die Kunden darauf aufmerksam zu machen „und an der Hand zu führen Richtung Veränderung“. Kradischnig appelliert: „Wir alle müssen in unseren Bereichen das Bestmögliche tun. Jeder kleine Schritt mach Sinn.“

Yasmin Obojkovits (EHL) sieht gute Fortschritte im Neubaubereich, „aber der Bestand wird natürlich eine Herausforderung“. Die vorgelegten Ziele in der Bestandserhaltung zu erreichen – Stichwort Wiener Denkmalschutz – seien eine Challenge, vom Architekten bis zur Umsetzung. Auch Obojkovits spricht sich für die sinnvolle Verwertung von Bestandsobjekten aus, „bevor wir noch mehr Grünland in Bauland umwidmen“. Auch ein „sinnvoller Rückbau“ könne im verbauten Gebiet ein Anschub sein, die Stadtentwicklung „neu zu denken“.

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