Michael Ehlmaier, Geschäftsführer der EHL Immobilien über aktuelle Herausforderungen in und Chancen der Immobilienwirtschaft

Der Weg in die Branche, und was es braucht außer Fachwissen

Als Ehlmaier im Jahr 1994 ins Unternehmen gekommen ist, war das drei Mitarbeiter groß. 26 Jahre später ist der Geschäftsführer und leitet ein Business mit 195 Angestellten. Dabei ist er selbst „vom Zivildienst bei der Caritas direkt in die Branche gerutscht“, ohne Vorkenntnisse oder Vorwissen. „Ich bin gesessen wie ein Schwamm, habe Wissen aufgesaugt von den Kollegen“, erzählt Ehlmaier, der diesen Einstieg auch heute noch möglich sieht: „Jeder mit Ehrgeiz und Wissbegierde hat bei mir eine faire Chance.“ Das Know-How komme mit der Praxiserfahrung und von Kolleginnen und Kollegen, das „learning on the job“ werde gelebt; dazu kämen viele Fortbildungsmöglichkeiten. „Das Fachwissen ist eine Komponente; aber soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz sind viel wichtiger im Dienstleistungsbereich“, ist Ehlmaier überzeugt.

Was hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten in der Immo-Wirtschaft verändert?

Als wesentlichsten Fortschritt nennt Ehlmaier die „Markt-Transparenz“. Zu seinen Anfängen 1994 habe es „keine Internetrecherche, keine Marktberichte“ gegeben. Zinshäuser seien teilweise „zum doppelten des Marktpreises“ verkauft worden, genauso gab es „echte Schnäppchen“. Heutzutage sei die Branche viel transparenter, das diene dem „Austausch unter Marktkollegen“ aber vor allem dem Kunden. Nicht zuletzt habe sich die Sprache verändert, erzählt Ehlmaier schmunzelnd: „Früher wurden Immobilien verwaltet, heute werden sie gemanagt.“

Ein Jahr im Zeichen von Corona – was bedeutet Covid-19 für die Branche?

Covid-19 „ist eine große Herausforderung. Die Situation ist spannend, traurig, erkenntnisreich“, reflektiert Ehlmaier die vergangenen acht Monate seit Ausbruch der Pandemie. In seinem Unternehmen sei der Teamgeist jedenfalls gewachsen – auch, wenn „wir bis 18. Mai geschlossen waren, dann bis zum Sommer auf 80 Prozent hochgefahren sind“; und jetzt, angesichts einer drohenden Zweiten Welle die Personalkapazität wieder „auf 50 Prozent“ herunterfahren hätten. Ehlmaier zeigt sich persönlich bewegt: „Wir haben Sorge um unsere Mitarbeiter und Kunden, und wir wollen mithelfen, die Infektionszahlen zu senken.“

Die EHL Immobilien ist in fünf Tochtergesellschaften – etwa den Investmentbereich oder die Sparte Hausverwaltung – gegliedert. Das helfe, bei einem Mitarbeiterstand von 195 auch in Krisenzeiten „flexibel und dynamisch“ zu bleiben, ist Ehlmaier überzeugt. Von einer festgelegten Frauenquote hält er wenig: „Wir haben jetzt schon zwei Drittel Frauen im Unternehmen!“

Wer investiert jetzt in Wien, in Österreich?

Laut EHL Marktbericht haben sich in diesem Jahr die deutschen, österreichischen undschweizer Investoren den Investmentmarkt geteilt. Investitionen aus anderen Ländern gab es kaum. Das hat mit Corona zu tun. „Vor zehn Jahren waren die Schweizer noch Exoten, heute investieren sie mittels Fonds und Stiftungen in unsere Immobilien“, sagt Ehlmaier. Wiewohl „Deutsche und Österreicher unsere Kernzielgruppe bleiben“, sieht er, dass in den kommenden Jahren auch das Interesse „aus Asien, etwa Korea, Australien und Übersee“ wieder kommen wird. Der Wiener Markt sei international hoch angesehen: Objekte hätten hohe Qualität, der Markt sei transparent. Bei längerfristig, gut vermieteten Immobilien im Gewerbebereich hätten die Preise sogar angezogen – trotz der Pandemie.

Was bringt das kommende Jahr für die Branche?

Niemand wisse, was Covid-19 noch bringt, hat auch Ehlmaier keine Kristallkugel zur Hand. Es werde von der Asset-Klasse abhängen, wie lange die Corona-Krise jeweils darauf wirke. Aber: „Wir brauchen gesunden Optimismus und dürfen nicht negativ sein!“, zeigt sich Ehlmaier kampfeslustig. Allgemein seien die Asset-Klassen diverser geworden: „Vor zehn Jahren gab es kaum Interesse an Studentenheimen oder Wohnhäusern für die ältere Generation“, das habe sich geändert. Auch die technische Umrüstung, z.B. vom Wohnhaus in ein Hotel, werde immer spannender. Ehlmaier beobachtet derzeit „ein großes Interesse von internationalen Investoren an Wohnungs-Neubauten, aber auch an Gewerbe-Immobilien im Logistik-Bereich“.

Welche Bezirke boomen in Wien?

Aus dem ImmoLive-Chat kam die Frage nach Ehlmaiers persönlicher Einschätzung, wo in Wien die spannendste Stadtentwicklung passiere. Die Antwort war eindeutig: Überall da, wo öffentliche Mobilität ausgebaut bzw. erweitert werden, liegen spannende Immobilien. Etwa, so Ehlmaier, entlang der Achse der U-Bahn-Linie U4 mit Objekten im Grätzel Heiligenstadt und entlang der Muthgasse in Wien-Döbling; das Areal um den (relativ) neuen Wiener Hauptbahnhof habe sich ebenfalls toll entwickelt; mit der Verlängerung der U-Bahn-Linie U2 habe das Grätzel vom Praterstern bis zum „Viertel Zwei“ in der Wiener Leopoldstadt an Attraktivität gewonnen; und mit dem U-Bahn-Ausbau bis zum Wienerberg im Süden Wiens werde sich auch diese Gegend „gut entwickeln“. Ehlmaiers Fazit: „Wir haben noch Platz im Wohnbereich bis nach Aspern (Stadtentwicklungsgebiet im Nordosten Wiens, Anm.) hinaus. Wien ist noch lange nicht ausverkauft und durchentwickelt.“

Was macht einen guten Immobilien-Manager aus?

Die Covid-19-Pandemie habe es gezeigt, sagt Ehlmaier: Verboten sei der „Tunnelblick“; es brauche „immer den Blick nach links und rechts“ bei der Entwicklung von Strategien. Oberste Prämisse: Demütig, aber ehrgeizig weitermachen!

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