Karriere in der Immobilienbranche: die jungen Wilden II

Vor mehr als zwanzig Jahren war es nicht leicht eine Liste zu erstellen mit Top 100 „Frauen in der Immobilienwirtschaft” Heute wäre das schon um einiges leichter, denn es sind weitaus mehr Frauen als damals und es werden immer mehr. Das sieht man auch bei unserer zweiten Ausgabe von ImmoLive – Summer Special „Die jungen Wilden”. Es sind nämlich drei Frauen und zwei Männer auf dem Podium. 
Die Vorstellungsrunde
Mirlinda Lokaj arbeitet seit dreieinhalb Jahren für die WISAG-Gebäudetechnik, als Assistentin der Geschäftsführung. Maria Trauntschnig entdeckte während des Studiums ihr Interesse für die Projektentwicklung; sie arbeitet seit mehr als drei Jahren als Projektmanagerin bei Value One. Anna Zillner ist seit 2019 Maklerin für Büroimmobilien bei EHL; den Weg in die Branche fand sie über ein Praktikum während des Studiums. Dominik Erne stammt aus Vorarlberg und fand den Weg nach Wien – und zu Bondi Consult – ebenfalls über das Studium. Er ist Projektleiter für „TWENTYONE“, das Projekt auf den ehemaligen Siemens-Gründen in Wien-Floridsdorf. Marcel Weber komplettiert die Runde –  er ist Makler für Gewerbeimmobilien bei Arnold Immobilien, und das seit mehr als drei Jahren.
Alle verbindet, dass sie seit drei bis vier Jahren in der Branche tätig sind – und das jeweils durchgehend bei derselben Firma. Und: Echte Alternativen zur Branche sieht keine bzw. keiner aus der Runde. „Jedes Projekt ist ein Prototyp, bei jedem neuen Projekt entwickelst du neue Konzepte. Das wird nie langweilig“, erklärt Dominik Erne von Bondi Consult seine Faszination für die Branche. „Schon in der Schule war mein Interesse für Stadtentwicklungsprojekte groß“, ergänzt Anna Zillner (EHL). Das Studium des Bauingenieurwesens war für Maria Trauntschnig von Value One „zu zahlenbasiert“ – weswegen sie in die Projektentwicklung gekommen sei: „Da stimmt die Mischung aus dem Wirtschaftlichen und dem Technischen. Von Marketing und Sales bis zu Controlling und dem Verkauf – es ist ein breites Spektrum.“ Mirlinda Lokaj von WISAG pflichtet bei: „Die Immobilienwirtschaft ist dynamisch, man lernt jeden Tag dazu.“
Veränderungen in der Branche
Vor allem „im technischen Sinn“ sei großer, ständiger Fortschritt in der Gebäudetechnik zu beobachten, meint Mirlinda Lokaj von WISAG. Neben der „Digitalisierung als ständige Begleiterin“ sieht Anna Zillner (EHL) beim Thema Aus- und Fortbildung die größte Veränderung. Studiengänge wie Immobilienmanagement seien heute „voll belegt“, im Gegenteil zur Situation noch vor einigen Jahren. „Die Immobilienbranche wird immer jünger, und immer professioneller“, meint Dominik Erne von Bondi Consult. Die Digitalisierung schreite auch im Bereich der Wiener Stadtverwaltung positiv voran, bemerkt Erne und verweist beispielhaft auf die „digitale Baueinreichung“. „Auf der Baustelle tragen wir Planänderungen gleich am Tablet ein, es werden keine Baupläne mehr ausgedruckt“, ergänzt Maria Trauntschnig von Value One. Marcel Weber von Arnold Immobilien beschreibt die Professionalisierung der Branche: „Da brachen One-Man-Shows weg, die vielleicht früher funktioniert haben.“ Die Firma Arnold Immobilien „expandiert pro Jahr um ein Land“, damit würden Abläufe – und die Kundschaft – internationaler – „es gibt keinen nationalen Markt mehr.“
Damit steigen aber auch die Ansprüche an die Dienstleistung, sagt Weber.
Wird die Branche weiblicher?
Anna Zillner von EHL sieht den Trend von TU-Studiengängen Richtung Immo-Branche durchgängig weiblicher werden. „Die Baustelle ist noch männerlastig“, da werde frau manches Mal noch „blöd angeschaut“, erzählt Maria Trauntschnig von Value One – „aber auch auf der Baustelle werden die Frauen immer mehr. Auch im Studium zum Bauingenieurwesen seien „ein Drittel“ der Studenten junge Frauen, „eine gute Quote“. Auch, so Trauntschnig, gebe es in ihrem Unternehmen Value One „mehr Projektmanagerinnen als Projektmanager“. Mirlinda Lokaj sieht es vom Unternehmensbereich abhängig: „Ich arbeite bei der WISAG in der Gebäudetechnik. Das ist eine Männerdomäne.“ Im kaufmännischen Bereich der WISAG liege der Frauenanteil hingegen bei über 50 Prozent.
Ob Frauen in der Immo-Wirtschaft bestimmte Bereiche besser abdecken können als Männer, etwa durch Verhandlungsgeschick oder Problembewusstsein? Maria Trauntschnig (Value One) wünscht sich einen Mix aus Männern und Frauen im Team; Anna Zillner (EHL) ergänzt: „Bringen wir das nicht auf die geschlechtsspezifische Ebene. Jede und jeder hat Stärken und Schwächen, da geht es um die Persönlichkeit.“ Dominik Arne von Bondi Consult hält entgegen: In der Immo-Branche gebe es „viele Alpha-Tierchen, da klescht es immer wieder. Frauen bringen da eine gewisse Ruhe hinein.“
Trends im Gewerbebereich und die Zukunft im Büro-Immo-Markt
Alle Podiumsgäste sind im Gewerbebereich tätig, und werden zu Entwicklungen ebenda gefragt. Dominik Erne von Bondi Consult sieht die „Flexibilität beim Home Office“ im Bleiben – aber das Büro ebenso von Bestand als „Ort der sozialen Kontakte, der Zusammenarbeit“. Büros würden sich aber wegbewegen vom Großraumbüro Richtung „normale“ Büros – mit baulichen Maßnahmen wie eingezogener Wände. Anna Zillner von EHL spricht vom „Activity based working“ als „großes Schlagwort“, der Trend gehe weg vom fixen Arbeitsplatz. „Eine Idee der 1970er-Jahre, die jetzt Corona-bedingt wieder kommt.“ Home Office alleine reiche nicht – Menschen brauchen den Austausch, die Kollaboration, sagt Zillner – in diese Richtung werde sich die Büronutzung künftig verändern.
Weil sich jedes Unternehmen der Home-Office-Frage anders stellen muss, muss auch die Projektentwicklung im Gewerbebereich flexibler werden. Maria Trauntschnig von Value One begleitet das Projekt des neuen Firmen-Headquarters, das im Sinne des „activity based workings“ angelegt sei: „Will ich einen Vertrag lesen und muss mich fokussieren, habe ich Rückzugsorte. Will ich mitten im Geschehen sein, arbeite ich an einer Projektinsel“, schildert Trauntschnig die Idee. Büros müssten weg vom Gedanken der Standard-Arbeitsplätze, hin zu „Community Areas“ – das „zieht die Leute auch wieder weg vom Home Office ins Büro“, sagt Trauntschnig.
Dominik Erne von Bondi Consult begleitet das Projekt „TWENTYONE“ auf den ehemaligen Siemensgründen in Wien-Floridsdorf. „Es reicht nicht mehr, nur ein Büro hinzustellen. Man braucht ein Mobiliätskonzept, man muss flexibel auf die Mieter eingehen“, so Erne. Dazu brauche es ein „insgesamtes Quartier-Management“, das die Leute zusammenbringt und vernetzt.
Es gehe Investoren nicht mehr ausschließlich um die Rendite, sagt Marcel Weber (Arnold Immobilien). Egal, welche Asset-Klasse im Gewerbebereich – ob Büro, Retail, Hotel – immer stärker werde ein Auge auf die Drittverwertbarkeit gelegt. Die Lage entscheide oft über eine Nachverwertung: „Refurbishment, oder mache ich ein Hotel daraus.“ Die Lage sei und bleibe das entscheidende Merkmal. „Und auch während des Lockdowns hat sich die Immobilien-Welt weitergedreht, es wurden alle Asset-Klassen weiter gekauft.“
Mirlinda Lokaj (WISAG) sieht die „innovative Gebäudetechnik“ an oberster Stelle – was braucht der Nutzer, wie kann ich den Nutzer am besten vernetzen? Als Facility Manager wolle man „vom Spatenstich an“ dabei sein – um eine einfache Administration, neben einfacher Nutzung, zu erlangen. Das betreffe Neu- genauso wie Umbauten, und sei „sehr gefragtes“ Thema.
Gibt es einen Mega-Trend in der Immobilienwirtschaft?
Weil die Jungen die Welt oft mit anderen Augen sehen, werden sie nach möglichen „Mega-Trends“ in der Branche gefragt. „Der Ausdruck ist mit Vorsicht zu genießen“, sagt Marcel Weber, „das Zinshaus ist seit dem Jahr 1900 ein Mega-Trend und wird es bleiben“. Die Branche verändere sich dynamisch – etwa durch neue Finanzierungsformen wie Crowd Funding. „Es kommt sehr schnell, es geht sehr schnell – den einen Trend gibt es nicht, dazu ist die Branche zu vielfältig.“
Anna Zillner von EHL beschreibt den Trend zu Mikro-Apartments in Wien noch im Jahr 2019: Der Wunsch nach kleinem, leistbaren Wohnraum wurde abgelöst von Corona. Jetzt ist man „glücklich über ein Extrazimmer, über die paar Quadratmeter mehr“. Jetzt gehe es um Freiflächen wie Terrassen und Balkons – „das zeigt, wie schnelllebig unsere Branche ist. Es gibt nicht den einen Mega-Trend“.
Maria Trauntschnig von Value One sieht „BIM“ – also das „Building Information Modelling“ – als großen Trend. Dabei werden Planung, Betrieb und Nutzung vereinheitlicht. „Aber auch da wissen wir nicht, wohin die Reise geht“, so Trauntschnig.
Dominik Erne (Bondi Consult) sieht das Thema Freiflächen im Kommen, nicht nur im Wohn- sondern auch im Gewerbebereich: „Warum Teamgespräche nicht nach außen verlegen?“ Abgesehen davon sieht auch Erne die Branche schnelllebig, es gebe rasche Trendwechsel.
Mirlinda Lokaj (WISAG) hat während der Corona-Krise beobachtet, wie Hotels herunterfahren musste und Betriebskosten sparen wollten. „Da hilft Green Facility Management“, so Lokaj. Nachhaltige Energieeffizienz sei ein Kostenfaktor, der schon in der Planung und Gebäudetechnik berücksichtigt werde.
Wohnraumverdichtung als Mega-Trend?
„Den einzelnen Supermarkt, der in der Gegend herumsteht, wird es nicht mehr geben“, sagt Dominik Erne von Bondi Consult. Künftige Gebäude hätten eine Nutzungsmischung, von Gewerbe bis Wohnen; die Asset-Klassen würden zusammenwachsen.
Maria Trauntschnig von Value One stellt dem Trend zur Wohnraumverdichtung das Interesse nach mehr Außenfläche und Grünraum entgegen. Bei Büros werde es zu Verdichtungen kommen; was sich aber ausgleichen werde mit der Nachfrage nach „anderen Facilities“.
Was bringt die Digitalisierung für die Branche?
Dominik Erne von Bondi Consulting erinnert an China, wo bereits Einfamilienhäuser „aus dem 3D-Drucker kommen“. Neue Formen der Systembauweise – etwa im Garagenbau – verkürzten Bauzeiten teilweise um bis zur Hälfte.
Marcel Weber (Arnold Immobilien) meint nicht, dass neue Finanzierungsformen wie Crowd Funding sein Business grob verändern werden – „wer zahlt, und wie gezahlt wird, ist dem Makler egal, solange gezahlt wird.“ Was Corona gezeigt habe: „Man muss nicht mehr für einen Termin nach Deutschland fliegen, da reicht eine Videokonferenz aus.“ Gleichzeitig werde „das Exposé digitaler, animierter“. Da müsse man schlicht mit der Zeit gehen – auch im Kontakt mit dem Kunden.
Anna Zillner von EHL spricht das Thema der Datenbankanbieter an – eine „immense Hilfe, wenn man nicht mehr alles mit der Hand abtippen muss“. Überhaupt brächten „Krisenzeiten die kreativsten Ideen heraus“ – vergleiche den Bankencrash im Jahr 2008, welcher den Fahrdienstleister „Uber“ hervorgebracht habe. Im Dienstleistungsbereich sei der persönliche Aspekt jedoch besonders wichtig – und „das kann man nicht digitalisieren“. 360-Grad-Rundgänge und virtuelle Touren seien praktisch – aber könnten den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.
Maria Trauntschnig (Value One) spricht zu „BIM“, dem „Building Information Modelling“. In ihrem Bereich, dem altbaugeschützten Bestand, sehe sie „BIM“ skeptisch: Jede Tür habe ihr eigenes Maß, man könne nichts „auf den Prototyp herunterbrechen“. Man müsse vor Ort Entscheidungen treffen, gemeinsam mit dem Architekten bei der Begehung. Dass das mittlerweile am Tablet passiere und „sofort weitergegeben“ würde, sei Vorteil der Digitalisierung. Neben dem „Smart Home“ sieht Trauntschnig das „smarte Büro“ im Kommen – intelligente Büroräumlichkeiten, die sich zum Beispiel angesichts der Meeting-Teilnehmer im Raum anpassen, etwa hinsichtlich des Lichts und der Belüftung.
Mirlinda Lokaj (WISAG) unterstützt die Meinung: Schnittstellen in der Software, in der IT, würden immer wichtiger. Das würde Auswertungen bei Rundgängen erleichtern, und Prozesse insgesamt beschleunigen.
Was wollen die Jungen anders machen als die Generation davor?
Mirlinda Lokaj (WISAG) beschreibt das „eigene Image“, das dem Facility Management anhefte. Vielen sei gar nicht bewusst, wie wichtig Facility Management für das Funktionieren eines Gebäudes ist. Hier brauche es Bewusstseinsbildung und mehr Zusammenarbeit, bereits in der Projektentwicklung.
Dominik Erne von Bondi Consult sieht die Nachhaltigkeit als große Aufgabe der jungen Generation. „Das sind Themen, die manchmal wehtun – zum Beispiel bei den verschiedenen Zertifizierungen – aber das ist nachhaltig, und auch den Partnern wichtig“.
Marcel Weber (Arnold Immobilien) erinnert an den Umweltgedanken, der sich etabliert: Viele „grüne“ Immobilienfonds würden nunmehr ausschließlich zertifizierte Gebäude ankaufen. Es seien kleine Dinge, die viel ausmachen könnten – etwa Bienenvölker auf Hausdächern anzusiedeln.
Anna Zillner von EHL pflichtet bei: Das Thema Nachhaltigkeit, angesichts des „Welterschöpfungstags“ am 22. August, sei in allen Medien präsent. Effiziente Gebäudetechnik und Zertifizierungen waren in den Jahren zuvor „nicht im Fokus“; das könne die junge Generation verändern, auf dass sich das zum Positiven wandle. Was „leistbares Eigentum“ betreffe, sieht Zillner ein Unternehmen nur bedingt handlungsfähig – da brauche es Dialog mit der Politik bei diesem „hochpolitischen Thema“.
Maria Trauntschnig (Value One) möchte das „negativ behaftete“ Image der gesamten Branche verbessern: „Viele denken, da gibt es nur wirtschaftliche Gedanken. Aber wir wollen alle etwas Nachhaltiges entwickeln, und den Menschen etwas zurückgeben.“

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