Wie steht es um Trends und die Preisentwicklung im Wohnbereich in Deutschland, wird Paschke eingangs gefragt. „Wenn die Pandemie eines gezeigt hat“, ist sich Paschke sicher, dann sei das die Wohnimmobilie als Wertanlage. Der deutsche Markt sei „robust“ und „entwickelt sich dynamisch“ – geschuldet Faktoren wie dem Niedrigzins und der hohen Nachfrage in Ballungszentren. Corona habe auch den „Wunsch nach dem einen Zimmer mehr“ befeuert, sagt Paschke – die Nachfrage nach mehr Wohnraum, dem Arbeitszimmer, dem Platz fürs Home Office sei spürbar. Weitere Trends laut Paschke: flexible Grundrisse für flexible Nutzungsmöglichkeiten; der Drang „ins Umland und in die Natur“ sowie der Trend zur Nachhaltigkeit und dem ökologischen Bauen. Im Neubaubereich sah Paschke in Deutschland Preissteigerungen zwischen 7 und 9 Prozent im vergangenen Jahr, der Trend werde sich fortsetzen mit Steigerungen „zwischen 4 und 5 Prozent“.
Immobilien – Trends und Wohnpreise in Österreich im neuen Jahr 2021
Nach seinem Kollegen aus Deutschland ist Michael Mack von Raiffeisen Immobilien am Wort, mit einem Ausblick auf die Wohnpreis-Entwicklung und Trends in Österreich. Gestützt auf eine Gallup-Umfrage berichtet Mack: „Wir sind nahe am deutschen Markt“, die Entwicklung hierzulande sei ähnlich. 30 Prozent der Befragten sähen demnach „den Gedanken, sich in Richtung einer ländlichen Gegend zu verändern“. Das sei eine „rasante Bewegung“ vom städtischen Bereich Wiens „in den äußeren Speckgürtel“. Mehr Fläche, mehr Grün, „das Zimmer mehr“ zum selben Preis – das sei ausschlaggebend für den Drang ins Ländliche. Mit der Möglichkeit des Home Office werde auch „eine Stunde Pendeln“ in jede Richtung in Kauf genommen, weil man eben „nur mehr zwei bis dreimal die Woche“ in die Stadt müsse. Die Nachfrage nach Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern werde zu Preissteigerungen im „guten einstelligen Bereich“ führen, prognostiziert Mack; bei Wohnungen in städtischen Lagen würden die Preise nicht ganz so stark anziehen. „Am stärksten wachsen die Preise für Baugründe abseits der Stadt“, weiß Mack.
Stefan Wernhart (EHL) spricht über die Entwicklungen im Bürobereich. „Büro-Cluster zeigen sich seit vergangenem März leer“, weil die meisten Mitarbeiter im „remote working“ tätig seien. Der Büromarkt werde dadurch nachhaltig verändert, viele Unternehmen würden sehen, dass „home working gut funktioniert“. Diese Modelle des „hybriden Arbeitens“ werden also Bestand, auch nach der Pandemie. Das führt laut Wernhart aber nicht zu einer Verringerung der benötigten Bürofläche – die Flächen würden danach schlicht anders genutzt. Die „new value of work“ sei oft beschworen worden, mit der Pandemie nun aber „im Turbo“ eingezogen.
Die Pandemie als „Brandbeschleuniger“ von Trends
Anton Bondi entwickelt das Gewerbegebiet „TwentyOne“ im 21. Wiener Bezirk Floridsdorf, eine der letzten großen zusammenhängenden Gewerbeflächen in Wien. Ändern sich durch den „Neubeginn“ die Konzepte? Das Nachdenken über „veränderte, gelockerte Bürokonzepte“ sei nicht neu – die aktuelle Situation werde aber jedenfalls nicht zu einem geringeren Büroflächenbedarf führen. „Nicht jeder hat den Luxus daheim für das eine Zimmer mehr“ – viele Mitarbeiter suchen bewusst den Weg ins Büro, denn: „Wir brauchen die Nähe, den Austausch, die Kommunikation.“ Was es brauche, sind flexiblere Nutzungskonzepte im Büro; „niemand will mehr ein Großraumbüro, da wird eher rückgebaut“. Der Flächenbedarf werde aber nicht sinken, bekräftigt Bondi, stattdessen kämen neue kreative Konzepte.
Wie steht es um „Wohn-Working“, wird Stefan Wernhart (EHL) gefragt. Gemeint ist ein Wohnsitz weit entfernt von Wien, um für zwei bis drei Tage am Stück ins Büro in die Stadt zu fahren – und dort auch zu übernachten. Eher nein, meint Wernhart; er sieht eher die dezentralen Büros im Kommen. Das Standardkonzept „eine Stunde Pendeln“ werde sich nicht ändern, meint auch Clemens Paschke aus Berlin.
Paschke von „Ziegert EverEstate“ wird zum Fusionieren seines Unternehmens gefragt, das aus zwei Einzelunternehmungen hervorgegangen ist. Wie funktioniert so eine Fusion im Lockdown? „Eine spannende Sache“, sagt Paschke, aber die „Lernerfahrung Lockdown und Home Office“ habe es ja schon aus dem Frühjahr 2020 gegeben. Es war eine „ungewöhnlich hohe Offenheit gegenüber dem Digitalen, gegenüber dem Neuen“, erzählt Paschke, was ohne Pandemie und Lockdown wohl so nicht funktioniert hätte. Und: „Lieber Überkommunizieren als zu wenig kommunizieren“, denn die Mitarbeiter müssten „vernünftig miteinander reden und arbeiten“ können.
Die Digitalisierung ist gekommen um zu bleiben
Michael Mack von Raiffeisen Immobilien spricht über „die zwei Seiten“ – einerseits der Part der Unternehmenskultur, und der rasche Umstieg der Prozesse für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „in einer noch digitaleren Umgebung als zuvor“. Auf der anderen Seite stehe der Kundenwunsch „nach einer sofortigen Verfügbarkeit von Daten“ sowie der Wunsch nach direkter Kommunikation. Die Raiffeisen Immobilien sei „seit jeher dezentral aufgestellt“ und daher „vom Digitalisierungsgrad her weit fortgeschritten“, siehe etwa virtuelle 360-Grad-Rundgänge durch Immobilien. Wichtig müsse sein, „dass der Mitarbeiter daran Spaß hat, mit neuen digitalen Tools umzugehen“ – entsprechend attraktiv müsse die Software in der Bedienung sein. „Nur so bringe ich die Mitarbeiter dazu, Lust daran zu finden und sich zu committen – und daraus Kundennutzen entsteht“, sagt Mack.
Anton Bondi ergänzt zum Thema Home Office: Wohnimmobilien, die schon im Bau befindlich sind, seien natürlich „schwieriger anzupassen“ als jene im Planungsstadium – Stichwort „nach der Mikrowohnung, die jahrelang das Beste war, kommt jetzt wieder der Drang nach mehr Wohnraum“. Anders sei es bei Büroimmobilien: Wo der Innenausbau noch nicht passiert sei, könne „ein Stück weit“ angepasst werden. Am wichtigsten sei jedenfalls die Glasfaseranbindung: „Da merken wir gerade, wie schwierig es ist, entsprechende Anbindungen zum ‚schnellen Internet‘ zu bekommen.“ Gerade im Wohnbereich gebe es Nachholbedarf im Nachrüsten schneller Web-Anbindungen.
Stefan Wernhart (EHL-Gewerbeimmobilien) beobachtet: Jene Unternehmen, die jetzt aktiv am Markt auf der Suche nach Büroimmobilien sind, „nehmen das Thema sehr ernst. Die treten mit Beratern an uns heran, und wollen keine klassischen alten Konzepte mehr“. Auch Wernhart meint: Statt fixer Arbeitsplätze komme es zu anderen Nutzungsformen, wie Kollaborations- und Kommunikationsräume. Das führe also nicht zu weniger Flächenbedarf, sondern zu anderer Flächennutzung – „damit die Mitarbeiter gerne ins Büro kommen“, denn ein „100-prozentiges Home-Office-Modell ist nicht zielführend“, sagt Wernhart, „wir brauchen den menschlichen Kontakt. Das hybride Modell wird bleiben.“
Clemens Paschke erzählt aus seiner Vita: Er komme aus dem digitalen Bereich, vor dem Einstieg in die Immobilienbranche, und dort sei es schon vor Jahren um die Frage der modernen Büronutzung gegangen – „es ist schön, dass sich die Branche jetzt in einem Aufwach-Moment befindet“, und Konzepte verfolge, die in einzelnen Sub-Branchen wie der IT schon länger Thema seien.
Auch 2021 gilt: Der ImmoLive-Chat stellt die Fragen
Was passiert mit den Wohnungspreisen, wenn die Banken nicht mehr finanzieren können – weil ihre eigene Kapitaldeckung nicht reicht? So eine Frage aus dem ImmoLive-Chat. Michael Mack von Raiffeisen Immobilien meint: „Ich bin kein Banker, aber wir sind weit davon entfernt, dass eine Eigenkapitaldeckung nicht mehr da ist.“ An der Zinssituation werde sich in den nächsten Jahren – „aus heutiger Sicht“ – nicht viel ändern; gleichwohl „leben wir in einer volatilen Zeit“ und könnten Veränderungen nicht vorhersehen. Clemens Paschke (Ziegert EverEstate) sieht „einen großen Appetit von Banken, Wohnungen zu finanzieren“, zumal Immobilien eine „sichere Anlageklasse“ seien. In der Tat seien Banken zögerlich geworden bei der Vollfinanzierung im Zuge des Lockdowns: Sie hätten „Risiko rausgenommen“, hätten „nur mehr 90 Prozent statt 100 Prozent vollfinanziert“, seien „restriktiver in der Geldverleihung“ geworden. Auf die stabilen Immobilienpreise habe das aber keinen Einfluss gehabt, meint Paschke.
Stefan Wernhart (EHL) und Anton Bondi (Bondi Consult) sprechen über das „neue Miteinander“ von Mietern und Vermietern in Zeiten des Lockdowns und der Einnahmen-Entfälle. Medial kolportierte Fälle von Mietzins-Streitigkeiten seien „der Prominenz der Beteiligten“ geschuldet; tatsächlich betreffe das „viele kleine und mittlere Unternehmen“, die sich mit ihren Vermietern nun einigen müssten. Umgelegt auf den Wohnbereich sieht Clemens Paschke aus Deutschland „nur ein paar Fälle von Mietentgängen“, der Staat habe etliche Maßnahmen zu deren Auffangen gesetzt. Michael Mack von Raiffeisen ergänzt um seine Einschätzung der rechtlichen Regelung betreffend Miet-Stundungen. „Wir stehen vor dem möglichen Auslaufen der Förderungen der Regierung – erst dann werden wir sehen, wie schnell sich die Wirtschaft erholen kann“ und wie sich die Gesamtsituation auf die Wohnungswirtschaft auswirken werden. In Österreich – mit seinem hohen Anteil an geförderten Wohnungen – würden die Auswirkungen weniger drastisch als in Deutschland, meint Mack.
Home Office aus Sicht des Unternehmers – und die Zukunft der Unternehmenskultur
Anton Bondi (Bondi Consult) schildert seine Unternehmenslinie: Mitarbeiter sollen von dort arbeiten dürfen, wo sie arbeiten können – „natürlich unter gewissen Richtlinien unseres Unternehmens“. Es brauche beide Seiten: Das Vertrauen des Managements, dass der Mitarbeiter auch von zu Hause Leistung bringe; und das Commitment des Mitarbeiters, auch von zu Hause für das Unternehmen zu arbeiten. „Im Wesentlichen stellen wir den Mitarbeitern frei“, ins Home Office zu gehen, sagt Bondi, aber „einen Tag pro Woche verlangen wir physische Anwesenheit“. Leider gebe es schwarze Schafe, die das Home Office als „verlängerten Arm des bezahlten Urlaubs“ sehen. Das sei in kleinen Unternehmen leichter zu managen, aber „je größer das Unternehmen und die Struktur, desto schwieriger ist es, einen Mix zu finden“, sagt Bondi.
Home Office sei oft auch ein „Neubeginn“ für die Unternehmenskultur, auch was die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen betreffe. „Wir haben Sachbearbeiter, wo wir uns oft wundern – wow! – was die von zu Hause rausschleudern“, lobt Bondi. Stefan Wernhart (EHL) ergänzt: Vor allem junge Mitarbeiter hätten Spaß an der Flexibilität, und bewegen sich weg von der „nine-to-five-Mentalität“. Ein flexibles, hybrides Büroflächenkonzept werde alleine mit dem Nachwachsen der jungen Generation Bestand haben. Umso wichtiger müsse es für Unternehmen sein, einen „Kodex“ zu entwickeln „und auch klar auszusprechen“, was im „remote work“ möglich und erforderlich sei. Der Schlüssel fürs Management sei dabei die offene, digitale Kommunikation mit den Mitarbeitern. Michael Mack (Raiffeisen Immobilien) pflichtet bei: Für die Führungskraft sei Kommunikation alles; „man kann nicht zu wenig kommunizieren“, und sei es über Video-Programme wie Microsoft Teams oder Zoom.
Ein Blick auf den „Mietendeckel“ in Berlin
Clemens Paschke von Ziegert EverEstate wird zum Mietendeckel in der deutschen Bundeshauptstadt Berlin gefragt. „Das Mietenangebot ist drastisch zurückgegangen“, um über 70 Prozent im Altbaubereich, schildert Paschke, „wer eine freie Wohnung hat, bietet sie nicht mehr zur Miete an – sondern nur mehr zum Kauf“. Das biete dem potenziellen Käufer ein breiteres Angebot; für den Mieter verschärfe sich die Lage dramatisch. Nichtsdestotrotz „entwickeln sich die Preise weiter“, und die Investoren seien verunsichert – „die Neubauleistung sinkt“. Es passiere somit eine Verknappung des Angebots; das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage werde damit langfristig beeinflusst, sagt Paschke. Dieser Mietpreisdeckel in großen deutschen Städten werde wohl „ganz wichtiges Thema“ im deutschen Wahlkampf, nicht nur in Berlin.
Welchen positiven Neubeginn bringt 2021?
Stefan Wernhart (EHL Gewerbeimmobilien) wünscht sich von Unternehmen, mit und für ihre Mitarbeiter die „Räumlichkeiten neu gestalten“ und den Optismismus zu finden, um im zweiten Halbjahr „am Markt das aufzuholen, was im ersten Halbjahr verloren gegangen ist“.
Anton Bondi (Bondi Consult) sieht die „lesson learned“: Unternehmen hätten verstanden, mit der Situation umzugehen und der Digitalisierung Einzug zu bieten. Das sei ein positiver Ausblick für die Zukunft – „im zweiten Halbjahr 2021 entwickeln wir uns Richtung Optimismus und Wachstum“.
Michael Mack von Raiffeisen Immobilien sieht es „schön, dass wir darauf hin arbeiten, zurück zur Normalität zu kommen“ – das habe eine positive Auswirkung auf die Motivation der Mitarbeiter. Und die junge Generation sei motiviert durch die neuen Formen der Kommunikation und des Arbeitens. „Mit der Impfung starten wir im zweiten Halbjahr voll durch!“
Clemens Paschke (Ziegert EverEstate) schließt: „Corona hat uns gezwungen, zu experimentieren.“ Jetzt sei Zeit, ein Fazit zu ziehen – und die positiven Dinge, die geklappt haben, dauerhaft zu behalten.