Der Wohnungsmarkt boomt – neue Ideen und Gedanken für heute und die Zukunft
Über Aussichten und Lösungen sprechen am ImmoLive-Podium:
Karina Schunker (Geschäftsführerin EHL Wohnen)
Jasmin Soravia (Geschäftsführerin Kollitsch-Soravia)
Winfried Kallinger (Geschäftsführer Kallinger Projekte)
Ernst Kovacs (Geschäftsführer KE Wohnbau)
Jasmin Soravia gibt eingangs einen Überblick über Trends und den Wertewandel: Spätestens seit der Pandemie würden Menschen mehr Wert auf das eigene Wohnumfeld legen (sie verbringen ja mehr Zeit dort; auf Ausstattung und den „Weg ins Freie“ achten. Vormals ungeliebte Erdgeschosswohnungen hätten massiv an Wert gewonnen, durch ihren direkten Weg in den Garten. Der „Weg ins Grüne“ werde begleitet vom Flächenbedarf für das Home Office – dem gegenüber stehe die geringere Kaufkraft, weil „während Corona haben die Menschen ja auch weniger verdient“, sagt Soravia.
Was baut der Markt? Und welche Wohnungen sucht der Markt?
Preise, Größe, Nachfrage – welche Flächen werden derzeit gesucht? Karina Schunker (EHL) meint, nur auf Wohnfläche gebe es „kein Limit nach oben“. Aber: „Wichtig und gefragt ist ein effizienter Grundriss“, mit großzügigen Flächen für Wohnzimmer/Küche. Je nach „Leistbarkeit“ werde das Extra-Zimmer angefragt, um ein Home-Office-Büro einzurichten. Und, „großes Thema“: Grünraum werde immer stärker angefragt, sagt Schunker, und: „Wenn ich effizient plane, kann ich auch auf 60 Quadratmeter guten Wohnraum schaffen.“
Sind die Grundrisse aber wirklich gut geplant? „Es gibt hervorragende Bauträger, aber das ist leider nicht immer so“, sagt Ernst Kovacs (KE Wohnbau). Gerade bei kleineren Wohneinheiten drücke der Preisdruck die Planung: „Einen Abstellraum habe ich auf 40 Quadratmeter nicht mehr, da muss ich froh sein, genug Platz zum Essen zu haben.“ Kritisch hinterfragt Kovacs das Baumodell dahinter: Warum werden solche Einheiten dann überhaupt noch gebaut? Es seien oft ausländische Investoren, die selten auf Grundrisse und Bauträger schauen – und vielmehr auf Renditen. Die andere Seite der Medaille: „Bauträger zählen nach Kubikmeter, nicht nach Quadratmeter“, so Kovacs – unabhängig von der „Bestlage oder Randlage“ zähle der Grundriss, um effizient zu verkaufen bzw. vermieten.
Welche Veränderungen gibt es am Wohnbaumarkt?
Winfried Kallinger (Kallinger Projekte) meint: Im freifinanzierten Wohnbereich seien Projekte weniger „bedarfsgetrieben, sondern mehr investitionsgetrieben. Es zählt nicht mehr die Wohnqualität, es zählt die Rendite.“ Das bringe dem Bewohner, der Bewohnerin aber nichts – „ich will nicht teurer wohnen, ich will besser wohnen!“, so Kallinger. Das sei die dunkle Seite der Anlagewohnung, die schein: „Dort kann ich weder Kinder großziehen noch vernünftig Home Office betreiben“, bewertet Kallinger die Situation kritisch – „preiswert Wohnen heißt nicht automatisch kleiner bauen“.
Fragen aus dem ImmoLive-Chat
Die Sommerpause naht, aber auch in der letzten Podiumsdiskussion vor den „ImmoLive-Ferien“ stellt die Community im Chat ihre Fragen.
Trend zur Freifläche: Ist das nicht mehr Wunsch denn Realität? Balkone und Co. kosten nicht wenig. Karina Schunker (EHL) meint: „Das stimmt, aber es reichen auch kleine Balkone – gerade zum Rausgehen und Luft schnappen.“ Das werde im Preis bereits pauschal mitgerechnet. „Das ist nicht nur Wunsch, das ist durchaus Realität“, sagt Schunker. Abgesehen davon werde zum großen Teil sowieso ausschließlich mit Freifläche geplant bzw. gebaut – „immer angepasst an die Lage, und angepasst an die Wohnungsgröße im städtischen Raum“, weiß Schunker. Das wirke sich natürlich auf den Kaufpreis aus – „aber dieser Preis wird auch akzeptiert, das ist gefragt, Wohnen mit Freifläche mit Mehrpreis wird angenommen“. Stockwerkslage, Orientierung, Freifläche – potenzielle Käufer und Mieter schauen auf mehr als nur die reine Quadratmetergröße.
Nachhaltigkeit als Trend im Wohnbau
Winfried Kallinger (Kallinger Projekte) wird aus dem Chat zum Thema Nachhaltigkeit und „Gesundes Wohnen“ (Material, Atmosphäre, Strahlungen) gefragt. Kallinger antwortet: „Emissionsarme, gesunde Baustoffe und gute Qualität“ passiere ohnehin – auch wenn es bei Bauträgern vielleicht „noch nicht so stark im Bewusstsein“ sei – durch diverse Zertifizierungen und Öko-Auszeichnungen rücke das aber immer stärker ins Bewusstsein. „Die Nachhaltigkeit wird eine zentrale Bedeutung bekommen“, sagt Kallinger: „Jeder will große Fenster und helle Wohnungen, aber heiß darf es in der Wohnung nicht werden“, beschreibt er die Herausforderungen von Lichteinfall, Luftqualität und Co.
Ernst Kovacs (KE Wohnbau) ergänzt: (Bau-)Preise würden vor allem im dicht verbauten Wiener Gebiet steigen – etwa im Innergürtel, in der Josefstadt oder am Alsergrund. Wer dort neu und nachhaltig baue, sehe eine dynamische Preisentwicklung.
Wer will als Kunde für Nachhaltigkeit zahlen? Jasmin Soravia (Kollitsch-Soravia) meint: Wer ab Planungsbeginn „nachhaltig baut“, steigt kostentechnisch deutlich günstiger aus. „Jeder will etwas für die Umwelt tun“, aber nach Planung und Bau sei es teuer, nachzurüsten – „und viel mehr zahlen wollen die Leute dann ja nicht“, so Soravia. Passiv- und Niedrigenergiehäuser, Holzbauweise: Das betreffe eher die klischeehaften „Häuslbauer“, weniger die Mieter im urbanen Raum. „Wurscht ist das Thema nicht“, weiß Soravia und erinnert nicht zuletzt an die Novellen der Bauordnung (Stichwort Photovoltaik), was sich auch im städtischen Raum niederschlagen werde.
„Holzbauweise, Photovoltaik, schrittweise mehr Fokus auf Nachhaltigkeit – Wegschauen wird nichts helfen“, bekräftigt Karina Schunker (EHL) die Meinung.
Skeptisch gegenüber Holzbauweise ist Winfried Kallinger (Kallinger Projekte): Bei großen Bausubstanzen sei die äußere Holzverkleidung „ganz nett“, und „Zirbenholz riecht gut. Aber so viele Zirben haben wir nicht, dass wir das nachhaltig machen könnten“ – die landwirtschaftliche Monokultur führe zur Artenverarmung. „So einfach ist es leider nicht“, sagt Kallinger, und sieht den „Wildwuchs“ an Umwelt-Zertifizierungen „inhaltsleer und unverständlich“. Die Brau-Branche habe „viel zu lang geschlafen. Endlich sind wir aufgewacht. Die Leute fragen danach, sie fordern das!“
Vertikale Verdichtung als Nachhaltigkeit?
„Lieber höher bauen als neue Flächen versiegeln“, nennt Jasmin Soravia (Kollitsch-Soravia) das Neubauprojekt „Biotope City“ an der Wiener Triester Straße. Auf den ehemaligen Coca-Cola-Gründen würden „sinnlos betonierte Flächen“ jetzt besser genutzt, in dem Fall fürs Wohnen. „Es gibt so viele brachliegende Objekte“: Diese zu verdichten und entwickeln wäre viel sinnvoller als Grünflächen zu versiegeln, sagt Soravia.
Eine Diskussion entwickelt sich zwischen Ernst Kovacs (KE Wohnbau) und Winfried Kallinger (Kallinger Projekte). Kovacs kritisiert die Wiener Bauordnung: In Flächenbezirken und Neubaufeldern müssten mehrgeschossige Wohnhäuser erlaubt sein, „mit sechs statt drei Geschossen verdopple ich die Nutzfläche.“ Kallinger widerspricht: Je höher die Häuser, desto mehr Abstand müsse dazwischen liegen: „Bauklasse II ist die ideale Verdichtung!“
Wie umgehen mit dem freien Raum?
Ernst Kovacs (KE Wohnbau) wirft eine Idee in die Runde; vereinfacht gesagt: Warum nicht PKW-Besitzer gesetzlich zur Garagenplatz-Miete verpflichten? Würden Autos von der Straße verschwinden, würde mehr Lebensqualität geschaffen.
Karina Schunker (EHL) will in der Planung „den einen attraktiven Punkt“ schaffen, quasi das Ideal zwischen Mehrkosten für nachhaltiges Bauen und Wünschen der Mieter/Bewohner. Bestehende Objekte würden in Zukunft näher unter die Lupe genommen werden – „was nicht funktioniert, muss neu gedacht werden“ wirbt Schunker für teils drastische Neu-Nutzungen.
„Die Stadt Wien ist durchaus offen für Neu-Nutzungen und Umwidmungen“, sagt Jasmin Soravia (Kollitsch-Soravia) und erinnert gleichzeitig an den Usus in Niederösterreich: „Pro Bauplatz zwei Wohneinheiten – das fördert doch nur die Zersiedelung.“ Weniger positiv sieht Soravia die neuen Flächenwidmungs-Ordnung für Wien, wonach bei neu gewidmeten Flächen zwei Drittel für den geförderten Wohnbau reserviert sein müssen: „Das kann in bestimmten Gegenden sicher gut funktionieren, aber nicht überall in Wien“, sagt Soravia.
Österreichs Bauordnung, IKEAs „Tiny Living“ und die Realität
„So schnell holt die Bauordnung die Realität nicht ein“, erinnert Winfried Kallinger (Kallinger Projekte) mit Schmunzeln an Paragrafen aus den 1930er-Jahren, die noch „Pferdestallungen“ und „Heimen ausschließlich für die Betriebsaufsicht“ vorsehe – das erschwere Umwidmungen bzw. Neugestaltungen, fordert Kallinger ein Ausputzen der Bauordnung.
„Effiziente Grundrissgestaltung ist das A und O“ bewertet Karina Schunker (EHL) das neue „Tiny Living“-Fertighaus-Modell von IKEA. Dabei würden „alle Nischen, sogar jede Treppe“ für zusätzlichen Stauraum genutzt – „eine spannende Entwicklung“, befindet Schunker. Widerspruch gibt es von Ernst Kovacs (KE Wohnbau): Es gelte nicht, jeden Quadratmeter „auszuquetschen“, sondern für mehr Grünraum und Freiflächen zu sorgen.
„Das machen die Freifinanzierten aber nicht, das passiert in der Stadt Wien nur im geförderten Wohnbau“, wirbt Winfried Kallinger (Kallinger Projekte) für den kommunalen Wohnbau.
Dienstleistungen im Wohnbau – welche Annehmlichkeiten kommen?
„Es braucht nicht immer gleich den Concierge“, sagt Jasmin Soravia (Kollitsch-Soravia), und verweist auf Wohntürme wie „TrIIIple“ und die „Danube Flats“; aber gewisse Annehmlichkeiten machen Objekte attraktiver – „es braucht kein in-house-Fitnesscenter, aber wenn mir die Hausverwaltung die Kleinigkeiten abnimmt, ist das praktisch“, sagt Soravia – und nennt als Beispiel das organisierte Fensterputzen.
Wohnen, Arbeiten, Freizeit, multifunktional – wächst es nicht wieder zusammen, so wie in der Gründerzeit? Das fragt die Community im Live-Chat. Kritisch sieht das Ernst Kovacs (KE Wohnbau) und nennt das Beispiel Hauseingang: „Bleibt die Tür offen, damit Kunden ins Büro können? Oder ist sie versperrt, damit Bewohner Sicherheit haben?“ Gleichzeitig mahnt er zu Flexbilität: „Wer konzentriert im Büro arbeitet, stört niemanden. Und für die verschlossene Tür werden sich Lösungen finden.“
Winfried Kallinger (Kallinger Projekte) sieht die Mischfunktion ähnlich positiv: „Die Leute haben ja keine laute Werkbank mehr im Haus, sondern sie sitzen am Computer.“ Abgesehen davon: „Hundegebell und Kindergeschrei, das ist die Lebensrealität“.
Was bringt die Zukunft des Wohnens?
Zum Abschluss überlegt die Runde, welche Trends gekommen sind um zu bleiben.
„Home Office wird bleiben, aber nicht in dieser Ausprägung“, ist sich Jasmin Soravia (Kollitsch-Soravia) sicher. Wer dieser Tage durch die Wiener Innenstadt spaziere, bekomme ein „Gefühl fast wie früher“ – die Menschen „wollen wieder hinaus, die Kollegen sehen, das Soziale suchen“.
Werden die Kundenwünsche individueller? Karina Schunker (EHL) sieht darin einen „spannenden“ Gedankenanstoß, denn letztlich „berühren auch Immobilien einen emotionalen Auslöser“, und die Suche nach der eigenen Wunsch-Wohnung sei immer individuell geprägt – was in Zukunft noch mehr von Nachhaltigkeit und Flexibilität geprägt sein werde.
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17.06.2021
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