In Wien gibt es weiterhin dramatische Preissprünge, wie der aktuelle Immobilienpreisindex ImmoDEX von IMMOBILIEN.NET zeigt: Im Vergleich zu 2011 stiegen in der Leopoldstadt, in Mariahilf, Hernals und in der Brigittenau die Preise für gebrauchte Eigentumswohnungen im Schnitt um 11 und 12%. Für das gesamte Stadtgebiet wurde eine durchschnittliche Preissteigerung von 5,7% errechnet. Im Burgenland gibt es einen der stärksten Wertzuwächse in Österreich. Bei gebrauchten Eigentumswohnungen führt das östliche Bundesland das bundesweite Ranking mit 12,1% Preissteigerung an– allerdings von einer niedrigen Ausgangsposition. Starke Zuwächse bei Wohnungen gab es auch in Tirol mit +9%.
Die Grundstückspreise steigen ebenfalls, und Grund und Boden wird immer knapper– speziell in der Stadt. Wohnen in den Städten wird daher stetig teurer. Aber wie weit kann das noch gehen bzw. wann wird Wohnen günstiger? Günstiger wird es dann, wenn die Leute nicht mehr kaufen können– das besagt der Immobilienpreisindex.
Schmerzgrenze teilweise erreicht
Bei den neu gebauten Eigentumswohnungen im innerstädtischen Bereich in Wien gibt es bereits einen Lichtblick, denn offenbar existiert eine gewisse „Schmerzgrenze“ bei den Quadratmeterpreisen. Diese scheint zumindest in einigen Gegenden, wie etwa innerhalb des Gürtels, erreicht. Alle Bezirke, die 2011 über der Grenze von 5.000 Euro pro Quadratmeter lagen, sind mittlerweile wieder knapp daruntergefallen (mit Ausnahme natürlich des 1. Bezirks). Georg Spiegelfeld, Geschäftsführer von Spiegelfeld Immobilen, ist sich daher sicher: „Generell wird der Run auf Wohnungseigentum nicht mehr die Dimension der vergangenen Jahre erreichen, und daher werden auch die Preise nicht mehr so ansteigen.“ Es bleiben eben nur wenige über, die sich einen Quadratmeterpreis knapp unter 5.000 Euro noch leisten können oder auch wollen, und Erwin Hübl, Geschäftsführer von Hübl und Partner, ist überzeugt, „dass sich die soziale Schichtung in der Stadt verändern wird. In guten Lagen werden immer mehr Besserverdiener wohnen, was die Durchmischung in Wien gefährdet.“ Hier ist weiterhin die Stadt gefordert, damit die schlechter Verdienenden nicht in die Peripherie abgedrängt werden und dort No-go-Areas entstehen.
Unterschiedliche Strategien
Wohnen muss leistbarer werden, und es gibt unterschiedliche Strategien, wie die Bauträger darauf reagieren. Um Wohnen erschwinglicher zu machen, werden die Wohnungsgrößen reduziert und die Einheiten anders geschnitten, wie Silvia Wustinger-Renezeder, Geschäftsführerin der SEG, bemerkt: „Die Leute haben weniger Geld, und die Kosten steigen. Die Wohnungen werden daher kleiner, um leistbar zu bleiben. Wir stehen vor neuen Herausforderungen. Wir sind mittlerweile gezwungen, mit 60 bis 70 Quadratmetern das gleiche Wohngefühl zu liefern, wie wir es früher in größeren Wohnungen hatten.“ Das ist eine Entwicklung, die nicht nur Österreich, sondern auch Europa und sogar die ganze Welt betrifft. Überall dort, wo die Wohnpreise bis über die „Schmerzgrenze“ gestiegen sind, wird auf kleinere Einheiten gesetzt. Selbst in Singapur lag, wie ein Marktbericht von CBRE zeigt, die Durchschnittsgröße der neu gebauten verkauften Wohneinheiten im Jahr 2010 noch bei knapp über 100 Quadratmetern, 2012 waren es nur noch 85.
Einsparen der Grundfläche
Die Veränderung der Grundrisse wird daher eine der wesentlichsten Herausforderungen für den Wohnbau der kommenden Jahre sein. „Die Grundrisse der Projekte müssen so gestaltet werden, dass sie einem breiten Nachfragespektrum entsprechen können: Die Wohnfläche darf nicht zu groß sein– jeder Quadratmeter muss gut konzipiert sein, und ungenutzte Vorräume oder andere ungenutzte Ecken sind eine gebaute Geldverschwendung, die man sich nicht mehr leisten kann“, erklärt Wustinger-Renezeder. So wird das auch bei 6B47 REAL ESTATE INVESTORS gesehen. Bei einem neuen Projekt in Wien werden durch effiziente Grundrisse und neue Ideen 8 bis 10% Grundfläche pro Wohnung eingespart, ohne dass das Wohngefühl dabei verloren geht. Diese „fehlenden“ Quadratmeter wirken sich nicht nur beim Kaufpreis aus, „sondern natürlich auch bei den Mietkosten“, erklärt Peter Ulm, Geschäftsführer von 6B47: „Wenn ich um zehn Quadratmeter weniger Wohnfläche, aber die gleiche Raumaufteilung habe, erspare ich mir für zehn Quadratmeter Anschaffungs-, Verbrauchs- und Betriebskosten. Darin liegt die echte Effizienz.“
Zuerst Büroflächen, dann Wohnraum
„Vor 15 Jahren begann der Trend der effizienten Büroflächen“, erklärt Ulm: „Er hat sich mittlerweile bei allen gewerblichen Projekten in Österreich durchgesetzt, aber bei den Wohnimmobilien stehen wir in diesem Bereich erst am Beginn. Letztendlich kann man diese Idee von den Büroimmobilien 1:1 übernehmen, und die Qualität leidet nicht darunter.“ Effizienz und der optimale Einsatz von Flächen sind die großen Herausforderungen der Zukunft. Das sehen auch die Wohnungssuchenden so, wie eine Umfrage von s REAL und Wohnnet beweist: So nannte mehr als die Hälfte der Teilnehmer (52%) auf die Frage, welche Eigenschaften einer Immobilie– abseits von Lage und Preis– die wichtigsten seien, die Raumaufteilung an erster Stelle.
Innerhalb und außerhalb der Wohnung
Mehr Möglichkeiten auf weniger Raum– was innerhalb der Wohnung realisiert wird, gilt auch für die allgemeinen Bereiche des Hauses. Zahlreiche Firmen setzen sich mit platzsparenden Methoden und Innovationen auseinander, wie etwa das Unternehmen Riedl Aufzüge aus München mit einer neue Generation von Aufzugstüren, die eine geringere Türpaketdicke aufweisen. Die Vorteile überzeugen: mehr Platz in der Kabine und mehr Wohnraum, der verkauft oder vermietet werden kann. Im Neubau ist ein Gewinn von 15 Zentimetern Tiefe pro Stockwerk möglich. Riedl-Aufzüge-Geschäftsführer Peter Andrä ist überzeugt: Ähnlich wie die Reduzierung des Schachtkopfs im Aufzugsbau noch kein Ende genommen hat, wird auch die Paketdicke bei den Türen in den nächsten Jahren immer geringer werden: „Schmale Schiebetüren werden sich in Zukunft durchsetzen.“
Baunormen hinterfragen
Oftmals sind es aber auch zu viele Baunormen und Richtlinien, welche die Preise für den Quadratmeter Wohnraum erhöhen. Reinhard Schertler, Vorstand der S+B Gruppe, die für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft eintritt, über die aktuelle Lage: „Wir haben beim geförderten Wohnbau enorm hohe Richtlinien, was den Passivhausstandard betrifft. Da kommen wir mittlerweile an die Grenzen der Finanzierbarkeit. Und es stellt sich die Frage, ob wir nur noch hochwertigsten Wohnraum produzieren können oder auch leistbaren Wohnraum.“ Schertlers Vorschlag, die „Standards etwas zu senken“, wird in Vorarlberg derzeit auf politischer Ebene diskutiert. Mittlerweile gibt es eine eigene interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Bauträgern, Fachleuten und Mitgliedern der Landesregierung, die das Thema aufarbeitet. „Ziel ist es, auszuloten, wie Kosten gesenkt werden können, ohne die Qualität aus den Augen zu verlieren“, so Schertler.
Wie im Westen so im Osten
Auch in Wien klagen die Bauträger über dieses Problem: „Wenn gemeinnützige Bauträger frei finanziert bauen, dann bieten sie diese Einheiten zu den gleichen Preisen an wie geförderte Wohnungen“, so ein Vertreter eines heimischen Bauträgers: „Das funktioniert natürlich nur, wenn man den Standard im Vergleich zu den geförderten Wohnungen herunterschraubt.“ Darunter leidet allerdings nicht die Qualität der Wohnbauten, denn die heimischen Baustandards sind europaweit an der Spitze. „Das bedeutet eigentlich, dass wir als Steuerzahler beim geförderten Wohnbau einen Standard finanzieren, der den sozial Schwachen nicht hilft. Denn die Förderung dient eher dazu, dass der Standard höher wird, aber die Kosten gleich bleiben“, so der Geschäftsführer des Unternehmens. Eine Senkung des Standards würde nämlich die Möglichkeit bieten, zum gleichen Geld MEHR Wohnraum zu schaffen. Und auch eine einheitliche Bauordnung in allen Bundesländern würde dem Preisanstieg entgegenwirken.
Einsparungspotenzial durch Technik
Nicht nur platzsparend soll gebaut werden, sondern auch technisch sinnvoll. Ein weiterer Einsparungsschritt ergibt sich durch die technische Entwicklung. Smart Buildings sollen ja nicht nur dazu dienen, den Wohnkomfort zu erhöhen, sondern auch dazu, die Kosten des laufenden Betriebs der Wohnung zu minimieren. Das wäre auch tatsächlich der erwünschte Effekt, denn findet das nicht statt, werden sich in der breiten Masse „Smart Grids“ nicht durchsetzen. „Stellen Sie sich ein Gebäude vor, dessen Bedienung intuitiv ist und so viel Spaß wie ein Smartphone macht“, meint Karl Friedl, Geschäftsführer von M.O.O.CON und Vizepräsident der ÖGNI. Das Wissen über die technischen Voraussetzungen für intelligente Gebäude, die den Nutzer zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen animieren, gibt es bereits. In der Umsetzung zeigen sich jedoch ähnliche Probleme wie vor der Einführung des iPhones: Brauchbare Ansätze von Smartphones gab es zwar auch vor Apple, die Bedienung dieser älteren Geräte war aber noch viel zu kompliziert und noch lange nicht so positiv konnotiert wie die Bedienung eines Smartphones von heute. „Die große Unbekannte bei Smart Buildings ist der Nutzer“, erklärt Bernhard Herzog, Leiter der Forschung Entwicklung bei M.O.O.CON. Selbst wenn die Gebäudetechnik bereitstünde und den Menschen zum verantwortungsvollen Umgang mit Energie und Ressourcen animieren könnte, heißt das noch lange nicht, dass er das so auch tut. Er muss die Aufforderung verstehen und sie leicht umsetzen können sowie ein positives Gefühl dabei haben „Nachhaltigkeitsthemen werden aber oft noch mit Verzicht und schlechtem Gewissen und zu wenig mit positiven Attributen assoziiert“, so Herzog.
Nachhaltigkeit ohne Verzicht
Ein passendes Beispiel für „Nachhaltigkeit ohne Verzicht“ ist der neue Standardaufzug von KONE, der unter anderem für „Innovation und Umweltverträglichkeit“ den Product of the Year Award der World Architecture News (WAN) erhielt. Die WAN-Jury würdigte insbesondere den starken Fokus auf die Nachhaltigkeit: KONE hat den Energieverbrauch seines Standardaufzugs im Zeitraum von 2008 bis 2012 um über 70% gesenkt– durch verbesserte Stand-by-Lösungen (denn im Stand-by wird die meiste Energie verbraucht, nicht im Betrieb) für Antriebe und LED-Beleuchtung. Außerdem können mehr als 90% des Aufzugs am Ende seiner Lebensdauer wiederverwertet werden. Auf Gebäude entfallen 40% des weltweiten Energieverbrauchs, der Verbrauch von Aufzügen und Rolltreppen umfasst dabei durchschnittlich 6%.
Nach oben bauen statt in die Breite
In den Städten ist die Verkehrsinfrastruktur schon vorhanden. Daher fordern die Stadtentwickler bereits seit Langem, „die Stadt nach oben zu bauen und nicht in die Breite“. Das meint auch der Grazer Universitätsprofessor und Architekt Hans Gangoly: „Wichtig wäre es, den Wohnraum nach oben zu entwickeln– um ein bis zwei Geschoße. Damit entstünde neuer Wohnraum, für den auch schon die Infrastruktur vorhanden wäre und die also nicht wie bei neuen Siedlungen erst auf Kosten der Allgemeinheit errichtet werden müsste.“ Gangoly spricht aber hier nicht von einzelnen Gebäuden. Im Idealfall– und das ist der eigentliche Punkt– geht es darum, ganze Stadtviertel zu verdichten. (Siehe Artikel {{article_open::324}}„Nachverdichtung ist ein ,Muss‘“{{link_close}}.)
Grenzen des eigenen Denkens
„Durch das hohe Preisniveau in den Städten werden auch Immobilien in deren Umland wieder stärker nachgefragt werden“, meint Michael Pisecky, Geschäftsführer von s REAL. Allerdings wird Wohnraum nur dort gesucht, wo eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr besteht. „Es ist notwendig“, so Erwin Hübl, „dass wir Verkehrssysteme haben, mit denen die Distanz von Arbeitsplatz zum Wohnort relativ problemlos zu bewältigen ist.“ In Wien selbst funktioniert das sehr gut, aber einige Regionen in Niederösterreich gehen diesbezüglich leer aus. „Gäbe es hier eine bessere Anbindung, dann würden auch die Immobilienpreise nicht so steigen“, ist sich Hübl sicher. Mittlerweile beträgt die Fahrzeit von Wien nach St. Pölten nur noch 25 Minuten. Zahlreiche Möglichkeiten bieten sich an, Wohnraum auch zentral leistbar zu machen, doch ist es dabei vielleicht manchmal notwendig, die engen Grenzen des eigenen Denkens zu überschreiten.