Stark gestiegene Bodenpreise, hohe Baupreise und gestiegene Kapitalmarktzinsen bremsen die Immobilien- und Bauwirtschaft aktuell. Jede Wohnung, die heute nicht geplant ist, fehlt in fünf Jahren. Tatsächlich beträgt die Dauer von der Idee bis zum Einzug der Mieter oder Eigentümer rund vier bis fünf Jahre. Die Daten zeigen eine wirklich dramatische Entwicklung.
Wurden 2019 – vor Corona – noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, so war für 2023 ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Genehmigungen zu beobachten (Quelle: Statistik Austria, Baumaßnahmen). Dazu kommt, dass viele genehmigte Bauprojekte zurzeit „on hold“ sind und nicht begonnen werden.
Bauprojekte – verschieben oder einstellen
„Viele Unternehmen stellen den Bau ein oder verschieben Projekte auf einen späteren Zeitpunkt, weil die Rahmenbedingungen derzeit denkbar schlecht sind. Das stellt den Immobilienmarkt auf den Kopf. Die gravierenden Folgen für die österreichische Wirtschaft, insbesondere für die Immobilien- und Bauwirtschaft, sind leider noch nicht bei allen angekommen”, warnt Gerald Gollenz, der Obmann des Fachverbands der Immobilien- und Vermögenstreuhänder. Und da man sich der Dringlichkeit der Situation offensichtlich noch nicht überall bewusst ist, gab es zuletzt „einen historischen Schulterschluss zwischen den gewerblichen und den gemeinnützigen Bauträgern“, erklärt VÖPE-Präsident Andreas Köttl: „Erstmalig treten wir gemeinsam auf, und damit sind wir wesentlich breiter aufgestellt und wollen uns verstärkt aufeinander abstimmen.“ Man wolle ein „Angebot an die Politik machen: Arbeitet mit uns zusammen. Wir bieten Lösungen für Lebensräume der Zukunft.“
Krise in der Bauwirtschaft
Aber es sei nicht nur eine Krise im Bereich Wohnen, die uns bevorstehe, sondern „auch eine Krise in der Bauwirtschaft“, erklärt Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz: „Die Stagnation führt zu einem Einbruch der Beschäftigten.“ Mit über 300.000 Beschäftigten insgesamt in der Bauwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen hat die Bauwirtschaft einen hohen Anteil am BIP. Und noch einen anderen Aspekt beschönigt Josef Muchitsch nicht: „Wenn die Firmen zu wenig Aufträge haben und Beschäftigte abbauen, dann werden auch weniger Lehrlinge ausgebildet – das ist ein roter Faden, der sich durchzieht.“ Zudem kommen Arbeiter, die einmal die Baubranche verlassen haben und in anderen Berufen tätig sind, nicht mehr zurück. „Wir brauchen Perspektiven, Strukturen und Lösungen“, so Josef Muchitsch. Das 2,2 Milliarden Euro umfassende „Wohn- und Baupaket“ der Bundesregierung ist auf den Baustellen noch nicht angekommen. Andreas Köttl: „Die Maßnahmen des Bundes führen ad hoc nicht zum Turnaround, auch wenn wir sie sehr begrüßen.“
Übernahme von Verantwortung
„Wir wünschen uns von der Bundespolitik die Übernahme von Verantwortung. Niemand fühlt sich im Bund als Letztverantwortlicher“, erkennt Andreas Köttl einen weiteren Mangel. Der letzte Bautenminister schied im März 1987 aus dem Amt. Bei Antritt der Bundesregierung Vranitzky II im Jahr 1987 wurden das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie sowie für Bauten und Technik wieder zum Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zusammengelegt. Andreas Köttl: „Seither wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt, und niemand fühlt sich letztverantwortlich. Aus unserer Sicht fehlt es an zwei wesentlichen Elementen: an der Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie an der Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen Ebene.“ Und er ergänzt: „Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.“
GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer: „Wir schlagen eine Allianz vor, worin der Bund, die Länder und die Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen Branchenverbänden Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘.“
Die Forderungen
Gefordert wird von dem Bündnis „kein Geld“, wie Andreas Köttl betont, „sondern die Koordination und die Umsetzung von Vorschlägen“. Dazu gehören die Verkürzung der Verfahrensdauer, „die Deregulierung des Wohnbaus, eine erhöhte Rechts- und Planungssicherheit und auch die Rücknahme der unzähligen Bauvorschriften und zu beachtenden Normen, die das Bauen und Entwickeln unnötig verteuern“, so Klaus Baringer. „Klare Vorgaben sind wir bereit umzusetzen“, meint Andreas Köttl: „Das ist lösungsorientiert.“ Überhaupt zeigt sich, dass die Schuldzuweisungen in der letzten Zeit immer weniger werden, „und man versucht gemeinsame Lösungen zu finden“, sagt Peter Krammer, Fachverband Bauindustrie, Wirtschaftskammer Österreich: „Politik, Behörden und Bauwirtschaft müssen gemeinsam dieses massive Problem bewältigen.“
Conclusio von Andreas Köttl: „Hier muss etwas passieren!“