Der Immobilienmarkt in Österreich verändert sich derzeit – und nicht immer nur zum Guten.
Brezovich: Ich sehe derzeit eine tief greifende Veränderung auf dem Markt der publikumsorientierten, institutionellen Anlagegesellschaften, die durch die Konzentration und Internationalisierung bedingt ist. Nehmen wir als Beispiel die heimischen Immobilien-AGs wie CA Immo, S Immo und Immofinanz. Deren Aktionärsstrukturen waren früher breit gefächert und vielfältig. Jetzt kündigt sich durch wechselseitige Beteiligungen und zuletzt wegen bedeutender Käufe von Aktien der S Immo AG durch Ronny Pecik (via RPR-PS Anm. d. Red.) und einer Option für Signa eine Konzentration und Neuordnung an. Es würde mich wundern, wenn Mastermind René Benko nicht auch hier einen großen Plan hätte … Diese Entwicklung kann man mittelfristig aus zwei Perspektiven betrachten: Aus österreichischer Sicht schwindet die Vielfalt der heimischen Immo-AGs und damit auch ein Teil des Wettbewerbs untereinander sowie die Möglichkeit für indirekte Immobilieninvestitionen für Kleinanleger. Von der europäischen und internationalen Warte gesehen, könnte langfristig ein ganz großer und starker Player entstehen.
Das betrifft aber nicht nur die genannten Immobilien-AGs.
Brezovich: Richtig. Auch die Conwert wurde bereits von Vonovia übernommen, und aktuell laufen Gespräche zwischen Vonovia und BUWOG. Damit würden zwei große börsennotierte Immobilienfirmen in einer deutschen Gesellschaft aufgehen, die Leitung und Steuerung ihrer Aktivitäten fände dann von Deutschland aus statt.
Diese Gegenbewegung ist auch insofern spannend, als österreichische Immobilienunternehmen in Deutschland jahrelang erfolgreich investiert haben und dort – insbesondere auch aufgrund von erfolgreichen Developments – massiv gewachsen sind. Aussagen wie „Die Ösis kaufen Deutschland auf“ waren oft zu hören. Auch in CEE haben die oben genannten Immo-AGs eine tragende Rolle gespielt.
Nun geht der Zug wieder zurück nach Deutschland, indem diese Unternehmen von einem deutschen Unternehmen übernommen werden.
Und der Zug ist ein internationaler, da – jedenfalls im Verlauf 2017 – BlackRock größter Einzelaktionär der Vonovia war. Für BlackRock mag die mittelbare Beteiligung an ehemals bedeutenden heimischen Immobilien AGs ein Mini-Investment sein, aber für den heimischen Markt ist es im Licht der Eigentumsverhältnisse und Entscheidungskompetenzen eine tief greifende Veränderung.
Ein internationaler Konzern hat ja ein ganz anderes Investmentprofil, und es stellt sich die Frage, ob dieser Konzentrationsprozess langfristig für Österreich gut ist. Was sich aber in Österreich durch die Internationalität positiv entwickelt hat, sind die Bieterverfahren.
Brezovich: Bieterverfahren garantieren allen Beteiligten absolute Transparenz. Wichtig ist in einem solchen Prozess, dass diejenigen, die verkaufen, dokumentieren können, dass sie den Transaktionsgegenstand an den Bestbieter verkauft haben, und das muss ja im 100-prozentigen Interesse der Aktionäre bzw. der Eigentümer liegen.
Die ÖRAG wickelt derzeit auch ein großes Bieterverfahren ab.
Brezovich: Solche Bieterverfahren sind eine unserer Kernkompetenzen im Maklerbereich. Aktuell sind wir dabei, die beiden Standorte der UniCredit Bank Austria in der Lassallestraße 1 und 5 im Rahmen eines strukturierten Bieterprozesses zu verwerten. Sobald die Bank Austria ihre neuen Konzernflächen im Austria Campus bezogen hat, sind die Gebäude frei. Der Bieterprozess läuft bereits, und wir haben zu diesen beiden Objekten überaus positive Rückmeldungen bekommen – besonders aufgrund der tollen und zentralen Lage der Liegenschaften.
Sind es mehr nationale oder internationale Investoren, die sich für diese beiden Objekte interessieren?
Brezovich: Sowohl als auch. Das Interesse kommt auch von konservativen Investoren, die auf diese Weise sehr früh in den Entwicklungszyklus (Adaptierung, Wiedervermietung oder Umnutzung) einsteigen. Eine Entwicklung, die man auf Märkten mit niedrigen Renditen und knappem Angebot immer öfter sieht – so auch in Wien. Wir erwarten eine spannende Schlussrunde. Der Gewinner wird an diesem Wachstumsstandort mit den beiden Gebäuden in der ersten Reihe zwei beeindruckende Zeichen setzen können.
Wie sehen Sie allgemein die Situation in Europa?
Brezovich: Mit einem wachsamen Auge, denn die wirtschaftliche Entwicklung der europäischen Länder verläuft sehr unterschiedlich. Für uns (Ö) ist natürlich Deutschland der wichtigste Partner und Indikator. Deutschland ist in der Erfolgskurve etwas weiter voraus als Österreich. Nicht zuletzt aufgrund der zähen Regierungsbildung in Deutschland stellt sich für mich die Frage, ob dort mittlerweile der Zenit der starken Wachstumsphase erreicht wurde.
Wie schätzen Sie die Entwicklung in der EU ein?
Brezovich: Das ist sicher ein großes Thema für 2018: Was passiert mit und in der EU? Trotz meiner persönlichen Haltung eines bekennenden Europäers erscheint mir eine weitere Zentralisierung der EU derzeit übereilt – siehe die jüngsten Äußerungen von Macron und Juncker. Es ist, als erfolge diese aus Angst vor weiteren Zerfallstendenzen nach dem Brexit. Angst ist allerdings meist ein schlechter Ratgeber.
Zentralisierung ist dort vernünftig, wo sie thematisch notwendig ist, wie zum Beispiel bei der Verteidigung der EU-Außengrenzen oder in der Umweltpolitik. Zentralisierung darf aber nicht Selbstzweck sein. Brüsseler Regulierungswut darf nicht die kulturelle Vielfalt der europäischen Länder und das Alltagsleben der Bürger einschränken.
Für weitere große Schritte muss mehr auf den jeweiligen Entwicklungsstand der einzelnen Mitgliedsländer und auch auf die Stimmung der Bürger Rücksicht genommen werden.
Die Einführung einer Sozial- und Transferunion sowie einer Steuer- und Finanzunion darf nur erfolgen, wenn es dem Wollen der informierten Mehrheit der Bürger der Mitgliedsländer entspricht. Alles andere würde Widerstände wecken und eine entgegengesetzte Entwicklung riskieren.
Wie sehen Sie die Situation rund um den Brexit?
Brezovich: Es wundert mich, wie der Brexit an sich und seine möglichen Auswirkungen auf die EU und das UK selbst verharmlost, ja fast ignoriert werden, jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung. Das allgemein gute Wirtschaftswachstum trägt auch seinen Teil dazu bei, dass die kritischen Folgen verzögert auftreten. Wie der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn meint, wenn ich mich richtig erinnere, ist der Brexit für die EU und das UK die Explosion einer Atombombe in Zeitlupe, und wir haben die Auswirkungen noch nicht realisiert, weil wir sie auch noch kaum spürenSicherlich wird für das laufende Jahr in der EU auch der Wettbewerb mit den USA – kommt es zu verstärktem Protektionismus? –, Russland– an welche neuen Partner wendet sich Russland? –, China auf dem Weg zur führenden Wirtschaftssupermacht und Indien als das neue China eine entscheidende Rolle spielen. Es wäre wünschenswert und wichtig, auf europäischer Ebene einen gemeinsamen Kurs zu finden, um für diese globalen Herausforderungen entsprechend gerüstet zu sein.