Ich glaube, jede Generation von Architekturstudent*innen hat als eine ihrer Übungen die Aufgabe erhalten, variables Wohnen zu untersuchen und ein entsprechendes Projekt auszuarbeiten. Ich habe meines aus dem Jahr 1993 wieder hervorgeholt. Es hat an Aktualität nichts eingebüßt, im Gegenteil, man könnte es 1:1 umsetzen und hätte einen innovativen Wohnbau, der seinesgleichen in dieser Konsequenz suchen müsste.
Die Autorin
Ute Reinprecht
Ute Reinprecht ist Architektin und Städtebauerin sowie seit 2006 Projektentwicklerin für den frei finanzierten Wohnbau in Wien. Sie war 19 Jahren in Planung, Projekt- und Planungskoordination, ÖBA und Stadtraumforschung tätig und für vier Jahre für Genehmigungsverfahren im Anlagenbau verantwortlich. Seit 2003 ist sie in der Immobilienwirtschaft zuständig für Projektentwicklung, Projektmanagement und -steuerung, Baubetreuung, Baurecht und […]
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Woran scheitern aber derartige Konzepte, von denen es sicher viele gute in den Schubladen gibt?
Die Autorin
Ute ReinprechtUte Reinprecht ist Architektin und Städtebauerin sowie seit 2006 Projektentwicklerin für den frei finanzierten Wohnbau in Wien. Sie war 19 Jahren in Planung, Projekt- und Planungskoordination, ÖBA und Stadtraumforschung tätig und für vier Jahre für Genehmigungsverfahren im Anlagenbau verantwortlich. Seit 2003 ist sie in der Immobilienwirtschaft zuständig für Projektentwicklung, Projektmanagement und -steuerung, Baubetreuung, Baurecht und […]
Zum einen an einem Wohnungseigentumsgesetz, das in Nutzwerten in Quadratmetern denkt und nicht in Kubaturen. Damit werden Ergänzungsflächen im Wohnungsverband oder auch außerhalb unmöglich gemacht, denn sie bedingen immer eine Änderung der Nutzwerte und meist die Zustimmung aller Eigentümer. Die sich aus dieser Konsequenz ergebende Bauweise ist eine Scheibenbauweise, die baulich einen minimalen Spielraum für Änderungen (z. B. Zusammenlegungen von Wohnungen oder Teilung von solchen) zulässt, denn sie ist bautechnisch/bauphysikalisch wohl die einfachste und damit mangelfrei herzustellen.
Zum anderen sind es Förderbestimmungen und/oder Bestimmungen dazu in Landesgesetzen (z. B. angedacht in der Novelle zur Bauordnung Wien und dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz WWFSG 1989), welche den Spielraum für kreative Ansätze einengen.
Neue Widmungskategorie
So denkt man in Wien nun daran, eine Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ festzulegen, mit der man den Grundkostenanteil auf 188 €/m2 oberirdischer Bruttogrundfläche, den Mietpreis für 2018 mit 4,87 €/m2 Wohnnutzfläche limitiert und den Verkauf einer geförderten Wohnung bzw. Mietwohnung mit Kaufoption durch eine 40-jährige Förderungsdauer und einem damit einhergehenden Vorkaufsrecht der Stadt Wien zu einem nach Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz gebildeten angemessenen Kaufpreis innerhalb dieser 40 Jahre möglich macht.
Liegenschafts- und Wohnungseigentümer solcher Wohnungen und von bisher als „Förderbarer Wohnbau“ gewidmeten Grundstücken sehen sich mit der Situation konfrontiert, in eine neue Rechtslage zu rutschen, die Widmungskategorie „Förderbarer Wohnbau“ wird ohne Übergangsfrist zur Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“. Die geplante Mietzinsbeschränkung wird nicht nur für die Rechtsform Mietwohnung, sondern auch für die Rechtsform Eigentum Gültigkeit haben.
Willkürakt
Marktwirtschaftliche Regulative kann man meines Erachtens damit nicht außer Kraft setzen, vielmehr vollzieht man damit einen Willkürakt, denn kann für ein derartig gewidmetes Grundstück keine Förderung erlangt werden, gibt es kein Rechtsmittel dagegen – das Grundstück ist unbebaubar! Der Stadt Wien ist, so meine ich, doch auch bewusst, dass sie für jeden Quadratmeter derartig gewidmeter Wohnnutzfläche eine Rückstellung von Fördermitteln vorsehen muss.
Wünschenswert ist es, diese Intentionen in Richtung einer langfristigen sozialen Treffsicherheit weiterzudenken.
Wenn ich nun als Städtebauerin und Architektin nachdenke, wie man zu kreativen Lösungen kommen könnte, würde ich bei den Wohnformen ansetzen.
Das von den frei finanzierten Bauträgern abgeschaute Modell der Kleinstwohnung, im geförderten Wohnbau „Smartwohnung“ genannt, entbehrt meiner Meinung nach jeder Nachhaltigkeit. So bieten diese Wohnungen weder die Möglichkeit, im Alter eine 24-Stunden-Hilfe unterzubringen, noch einer Mutter mit Kind(ern) dauerhaft Wohnraum, sie dienen maximal als Übergangslösung für gesunde Singles und junge Paare.
Deshalb ist diese Wohnform nicht dafür geeignet, auf Bedürfnisse ihrer Nutzer langfristig nachhaltig und flexibel eingehen zu können, und auch nicht dafür, Wohnmodelle zu schaffen, die von späteren Generationen unter anderen Umständen genutzt werden können.
Derartige Problemstellungen zu lösen ist nicht die Aufgabe von Bauträgern im frei finanzierten Wohnbau oder von Investoren, vielmehr von jenen, die mit Mitteln der Allgemeinheit Wohnraum realisieren.
Baugruppen
Will eine Gesellschaft, in Vertretung ihre Politik, ihre Geldmittel nachhaltig einsetzen und den Herausforderungen des Wohnbaus, die auf sie zukommen, standhalten, bestenfalls innovativ begegnen, muss sie den Mut haben, anders zu denken – Lücken zu schließen.
Eine dieser Lücken schließen Baugruppen, die aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen in Wien überwiegend als Wohnheime errichtet werden und damit viele baurechtliche und fördertechnische Vor- und Nachteile genießen.
Clusterwohnungen
Eine weitere, viel zu wenig genützte Möglichkeit würde die Errichtung von Clusterwohnungen darstellen. Diese bieten, wie uns das benachbarte Ausland zeigt, weitaus mehr Möglichkeiten als nur den Zusammenschluss einiger Kleinstwohnungen mit einem großen Aufenthaltsraum zu einer Wohneinheit.
Zum Beispiel könnte eine Dreizimmerwohnung mit einer Einliegerwohnung, mehreren Zimmern mit gemeinsamen Sanitärräumen und einer zentralen Großküche zu einem Cluster vereint werden, der im Bedarfsfall auch geteilt oder aufgelöst werden kann. Dieser könnte einer Familie mit Großeltern ebenso Wohnraum bieten wie dem Single Familienanschluss ermöglichen; eine Wohngemeinschaft von Senioren könnte sich eine gemeinsame Pflegehilfe leisten oder sich mit jungen Menschen die Aufgaben des Alltags teilen.
Der Fantasie wären da keine Grenzen gesetzt, um unterschiedliche Synergieeffekte nutzen zu können, soziale Durchmischung zu fördern, Segregation entgegenzuwirken und für möglichst viele verschiedene Lebensmodelle offenzustehen. Die dafür notwendige Trennung und/oder Vereinigung diverser erforderlicher Infrastrukturversorgung und ihrer Schalt- und Zählkreise wäre dann „smart“.
Variable Wohnformen und das WEG
Derartig variable Wohnformen sind aber schwer in ein Wohnungseigentumsgesetz zu pressen. Umso mehr sollten sie im gemeinnützigen Wohnbau Fuß fassen können und durch eine Bauordnung unterstützt werden, die z. B. nicht in Bauklassen in Metern, sondern in Bauklassen in Geschoßen denkt oder baurechtliche Rahmenbedingungen schafft, die eine derartige variable Änderung von Wohnungen zulässt – hier sei im Besonderen an die bauphysikalischen Anforderungen von Wohnungstrennwänden gedacht.
Des Weiteren bräuchte sich die Stadt Wien bei solcherart geförderten Konzepten auch weniger Kopfzerbrechen darüber machen, dass derartige geförderte Wohnungen gewinnbringend weiterverkauft werden können, denn ob ihrer Größe wird dies von Grund auf erschwert.
So schwingt man mit der Novelle zur Bauordnung von Wien und jener zum Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz zwar mit der Keule in Richtung marktwirtschaftliche Gepflogenheiten, hat aber wenig Ideen dazu, Wege für innovativen, in die Zukunft weisenden Wohnbau zu bereiten.