Sie haben vor zwei Jahren in einem Interview gesagt: „Der Gedanke des Lifecycle ist bestechend und gut, aber er hat sich noch nicht durchgesetzt, ich bin jedoch sicher, das kommt, weil es sinnvoll und wirtschaftlich ist.“ Was hat sich verändert?
Völker: Lifecycle ist präsenter geworden, aber nur in Nuancen. Wir sind mit dem Thema „Lebenszyklus“ offensiv unterwegs und wir spüren, dass die Idee greift, auch wenn wir uns mehr Nachfrage wünschen würden. Wir als SGS unterstützen einige Initiativen beziehungsweise treiben sie voran, um diese wichtige Idee weiter in die breite Öffentlichkeit zu tragen.
Welche Initiativen zum Beispiel?
Völker: Das Kommunalwirtschaftsforum, eine Initiative von Vasko+Partner, Porr Solutions, Raiffeisen Leasing und Siemens, ist eine dieser Initiativen. Österreichweit gibt es in vielen Kommunen einen Bedarf an Beratung bezüglich Private Public Partnership-Modellen (PPP-Modelle, Anm. der Redaktion), bei denen Kommunen mit Privatunternehmen gemeinsam Projekte realisieren. Das Kommunalwirtschaftsforum hat sich als Netzwerktreffpunkt für Gemeindevertreter der höchsten Entscheidungsebene wie auch für andere Teilnehmer der öffentlichen Hand etabliert, die vom Austausch mit der Planer- und Technologiebranche für die Entwicklung ihrer Kommune profitieren. Es handelt sich dabei um eine klassische Win-win-Situation, von der die Gemeinden und auch die beteiligten Firmen profitieren. Es ist dabei unter anderem wichtig, regionale Handwerksbetriebe einzubinden, damit ist die lokale Wertschöpfung ein weiterer Pluspunkt von PPP. Diese Modelle sind sinnvoll, kreativ und zukunftsweisend.
Apropos Lebenszykluskosten– wie stellt sich dieses Thema bei Altbauten dar?
Völker: Bei den Bestandsobjekten wird sich zeigen, welche Veränderungen durch die Betrachtung der Lebenszykluskosten möglich sind. Von Seiten der ÖGNI, deren Mitglied wir sind, wird derzeit ein Fokus auf den Altbestand gelegt, und dem gilt neben dem Neubau unser weiteres großes Engagement. In der ÖGNI versucht man Richtlinien und Maßnahmen zu definieren, wie man den Altbestand „aufwerten“ kann. Es ist bei den Bauten aus den 60er-, 70er- und teilweise 80er-Jahren sehr schwierig, ökologische und damit auch ökonomische Verbesserungen durchzuführen. Das ist sicher eine Herausforderung für die Zukunft. Man müsste zum Beispiel Fassaden erneuern, aber das ist eine Frage der Amortisation. Entscheidend wird hier sicher sein, wie sich die Energiepreise entwickeln, dann könnten solche Investitionen rein rechnerisch wieder interessant werden.
Einige große Fonds investieren schon in energetische Verbesserungen des Altbestandes.
Völker: Aus zwei Gründen. Der eine Grund ist derjenige, den ich eben erwähnt habe, nämlich dass die Energiepreise steigen könnten. Der andere: Sie rechnen, dass es in den nächsten Jahren zu einer Art Umweltabgabe für energetisch schlechte Gebäude kommen könnte und daher wird der Bestand sukzessive verbessert.
Wie erfolgreich ist die Siemens City, die vor zwei Jahren bezogen wurde?
Völker: Die Siemens City gilt als Musterbeispiel für ein „Green Building“. Wir haben im Objekt sehr viel „grüne“ Technologie, wie Kühlung und Heizung durch thermoaktive Bauteilsysteme, Energiegewinnung über Tiefenpfähle, Free Cooling, solare Warmwassergewinnung, Brunnenwassernutzung und vieles mehr verwendet. Mittlerweile ist die Siemens City nach den üblichen Einregulierungs- und Abstimmungstätigkeiten unter anderem mit dem goldenen Leed-Zertifikat für Green Buildings ausgezeichnet worden.
Wie fließen die Erkenntnisse in die weitere Arbeit ein?
Völker: Wir beobachten die Energiekostenentwicklung genau, wir optimieren weiter und vergleichen die Daten mit anderen Gebäuden. Natürlich ist es sehr aufwendig, Benchmarks zu finden, da die Gebäude teilweise sehr unterschiedlich sind und die Büroflächen auch bei jedem Gebäude anders zu betrachten sind. So betreiben wir mit dem Bürohaus ENERGY-base im 21. Bezirk– mit rund 7.000 Quadratmetern Bürofläche– ein sehr innovatives Bürohaus. Unter anderem werden dort gewonnene Erkenntnisse zur Optimierung in anderen Immobilien umgesetzt.
Siemens ist auch Mitglied bei der IG Lebenszyklus …
Völker: Das ist ein sehr spannendes Thema. In dieser IG sind Interessenvertreter der verschiedensten Berufsgruppen wie Anwälte, Banken, Planer, Baufirmen und Technologieunternehmen versammelt. Es wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich aus allen Blickwinkeln mit dem Thema Lebenszyklus befassen. Denn wenn man den Lebenszyklus einer Immobilie von Anfang an in seiner Gesamtheit– also als Gesamtkonzept– betrachtet, dann fährt man am Ende des Tages qualitativ und wirtschaftlich besser beziehungsweise günstiger. Das bedeutet, dass man statt den bis heute sehr oft künstlich geschaffenen Schnittstellen zwischen Planung und Errichtung beziehungsweise Errichtung und Betrieb Brücken baut, damit eine Gesamtverantwortung erreicht und dadurch Informationen durchgängig verfügbar sind. In Folge können Optimierungen nicht nur in den einzelnen Phasen– Planung, Errichtung, Betrieb–, sondern auch phasenübergreifend garantiert werden.
Wo sehen Sie Planung, Errichtung und Betrieb von Immobilien in 20 Jahren?
Völker: Das ist sehr weit gedacht, aber es ist unter anderem Aufgabe unseres neuen und visionären Sektors im Konzern, dafür Ideen und Konzepte zu entwickeln. In diesen neuen Sektor IC– Infrastructure Cities– sind wir als Siemens Gebäudemanagement -Services G.m.b.H. eingegliedert, gemeinsam mit anderen Siemens-Bereichen, die dazu beitragen können, die Herausforderungen der Städte in der Zukunft zu lösen.
Was sind die Herausforderungen?
Völker: Verkehr, Energieversorgung, Energieverbrauchsoptimierung, Wasserversorgung und -entsorgung sind unter anderem die großen Themen. So umfasst die Division „Rail Systems“ das gesamte Schienenfahrzeuggeschäft– von Eisenbahnen über Metros und Lokomotiven bis hin zu Straßen- und Stadtbahnen sowie dazugehörige Serviceleistungen. Neben dem öffentlichen Verkehr ist natürlich auch Augenmerk auf die einzelnen Gebäude zu legen. Die Division „Building Technologies“ bietet Lösungen und Dienstleistungen für die Sicherheit und Energieeffizienz von Gebäuden. Im Bereich Energie bietet die Division „Smart Grids“ intelligente Lösungen für die Zukunft der Energiewirtschaft. Eine große Anzahl von Spezialisten von Siemens arbeitet an Ideen und Lösungen für effiziente und ressourcenschonende Technologien bei gleichzeitigem Komfort für die Städte von morgen. Es gilt, Gebäudetechnik, Gebäude insgesamt und damit auch die Städte weiterzuentwickeln– für eine gleichermaßen gute Zukunft für die Menschen und die Natur!