Die am Markt anscheinend nachgefragte Form von „Kurzgutachten“, häufig mit dem Hinweis verbunden, man brauche ja „nur das Ergebnis“, ändert nichts am Arbeitsumfang der Sachverständigen – der sich in der Regel ohnehin am „Mindestumfang“ orientiert, da sich aus Wettbewerbsgründen häufig niemand in der Lage sieht, ein über den Bewertungszweck hinausgehendes Gutachten zu beauftragen.
Was soll also bei einem „Kurzgutachten“ kürzer sein als bei einem „Gutachten“? Es kann beim Ausdruck des Gutachtens nur ein Teil ausgedruckt werden, was jedoch dazu führt, dass notwendige Informationen des Inhaltes des Gutachtens (mit den Mindestanforderungen) verloren gehen. Im Extremfall könnte man ein Kurzgutachten auf die Identifikation des Bewertungsobjektes und den ermittelten Wert reduzieren. Isoliert stellt dies aber kein Gutachten mehr dar, es sei denn, der gekürzte Teil wird mündlich erstattet – dies kann aber zu schwerwiegenden Problemen führen.
Soll der Befundteil gekürzt werden? Ein Gutachten ohne Befund entspricht weder national noch international den Anforderungen an den Mindestumfang eines Gutachtens. Ein Objekt, das von den Sachverständigen nicht einmal befundet wurde, kann nicht qualifiziert beurteilt und bewertet werden. Somit könnte noch am Datenresearch „gespart“ werden. Die Vergleichsdatenerhebung ist aber einer der wesentlichsten Bestandteile der Gutachtenstätigkeit und bestimmt unmittelbar die Gutachtensqualität. Das Ergebnis eines Gutachtens kann nur so gut sein wie die Qualität der Eingangsdaten! Diese müssen nicht nur den Sachverständigen bekannt sein, sondern müssen auch selektiert, gewichtet und angepasst werden. All das ist ein Prozess, der den Kern des Ergebnisses darstellt.
Eine Reduktion der Leistung bei der Gutachtenserstellung führt unweigerlich zu einer größeren Ergebnisbandbreite! Ein qualitativ wertiges „Kurzgutachten“ kann also lediglich eine Zusammenfassung eines Gutachtens bedeuten, was wiederum eine Zusatzleistung darstellt und somit keine Kostenersparnis bedeutet. Die korrekte Bezeichnung wäre in diesem Fall richtigerweise „Zusammenfassung“ anstelle von „Kurzgutachten“.
Wenn der Markt jedoch aus Kostengründen nicht den Verkehrswert einer Liegenschaft ermitteln möchte, kann dies z. B. durch reduzierten Aufwand, geringeren Arbeitsumfang, geringer qualifizierte Bearbeiter und einen kürzeren Bericht erfolgen – allerdings wird das Ergebnis qualitativ geringer sein. Dieser ermittelte Betrag ist auf Basis einer Indikation bzw. Grobeinschätzung von einem Gutachten strikt abzugrenzen und darf nicht als Gutachten und das Ergebnis nicht als „Verkehrswert“ oder „Marktwert“ bezeichnet werden.
Somit steht dem Markt eine Vielzahl von „Indikationen“, „Preiseinschätzungen“ oder anderen „individuellen, subjektiven Werten“ offen. Diese entsprechen jedoch weder von der Qualität noch vom Inhalt her den Anforderungen eines Gutachtens und eines Verkehrswertes auf Basis nationaler und internationaler Standards, Normen, Richtlinien und Gesetze. Diesen Entwicklungen der „Scheingenauigkeit“ von „Kurzgutachten“ und „automatisierten Bewertungen“ ist nicht zuletzt aus Gründen des Schutzes von Konsumenten, Investoren, Finanzierern und allen Gutachtensadressaten Einhalt zu gebieten.