Sie beraten Gemeinden in Bezug auf Grundstücks- und Stadtentwicklung. Was ist Ihnen in den letzten Jahren hier besonders aufgefallen?
Wagner: Die Kleinstädte und Gemeinden werden professioneller. Es wird den Verantwortlichen einerseits bewusst, was sie an Möglichkeiten haben, andererseits aber auch, dass sie professioneller werden müssen, um ihr Potenzial ausschöpfen zu können. Viele– auch kleinere– Gemeinden haben ja eigene Immobilientöchter, über die sie ihre Immobilien verwalten, und in diesen stecken auch die Grundstücksreserven, die für die Zukunft der Gemeinden wichtig sind. Daher sollte man bei diesen Flächen sehr genau schauen, was dort gebaut werden kann und wo die Umwidmungs- und Wachstumspotenziale sind.
Welche Möglichkeiten bestehen?
Wagner: Es geht darum, sich zu überlegen, wie die Grundstücke gewidmet und bebaut werden können, damit sie der Gemeinde auch einen Nutzen bringen– ein Steuerungsinstrument für die Stadtentwicklung, denn damit kann man sehr genau definieren, in welche Richtung sich eine Gemeinde oder eine Stadt entwickeln soll.
Wenn man Niederösterreich nimmt, so erleben doch sehr viele Gemeinden rund um Wien einen starken Zuzug– so zum Beispiel Tulln, die am stärksten wachsende Stadt Österreichs. Da muss doch Interesse an Wohnraum bestehen?
Wagner: Für viele ist Wien nicht mehr leistbar, und sie ziehen aufs Land bzw. eben in Städte wie Tulln oder auch Korneuburg, wo sie eine direkte und rasche Anbindung nach Wien haben. Die Stadtgrenze ist keine große Hürde mehr. Aber diese gefragten Gemeinden bekommen ein immer größeres Infrastrukturproblem. Es ist einerseits zu begrüßen, dass sich dort mehr Menschen ansiedeln, aber andererseits bedeutet das für die Gemeinden eine immense Belastung. Die nötige Infrastruktur, also die Hardware, muss geschaffen werden: Straßen, Gehsteige, Straßenbeleuchtung, Kanal, Wasserleitungen oder etwa Kläranlagen. Das Zweite ist die soziale Infrastruktur: Schulen, Kindergärten und Spielplätze. Einige Städte stehen wirklich auf der Bremse, weil die Entwicklung in diesen Bereichen mit dem Zuzug nicht Schritt halten kann.
Die Steuereinnahmen sind ja auch nicht berauschend.
Wagner: Genau. Wenn die Leute dort nur wohnen, dann bekommen die Gemeinden und Städte die Steuern im Wesentlichen über den Finanzausgleich, also über indirekte Steuern, die sie selber nicht in der Hand haben. Aber die Aufwendungen für das Wachstum sind meist wesentlich höher. Und die Einkäufe werden in der Regel nur am Wochenende im Wohnort getätigt– damit entfällt auch hier ein „Geldbringer“.
Gibt es eine Größenordnung, welche Gemeinden besonders betroffen sind?
Wagner: Ein starker und rascher Zuzug ist für jede Gemeinde ein Problem. Je kleiner, desto schwieriger. Viele Gemeinden geraten hier teilweise aus den Fugen. Außerdem kommen noch andere Probleme dazu.
Welche?
Wagner: Diejenigen, die aus der Stadt zuziehen, haben zum Beispiel hohe Ansprüche, was die Infrastruktur betrifft. Das reicht von der genannten sozialen Infrastruktur über Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie bis hin zum Hallenbad. Viele Städte sind der Ansicht, dass ein Hallenbad unverzichtbar ist Und es ist nicht nur die Errichtung, sondern es sind vor allem auch die Betriebskosten des Hallenbads, die eine große finanzielle Belastung darstellen, denn Hallenbäder sind in der Regel Verlustbringer.
Zurück zu den Grundstücken. Wie geht man an ein freies Grundstück heran?
Wagner: Wie bei jeder Projektentwicklung. Man sieht sich den Standort und das Umfeld an und überlegt, was passen könnte und was nachgefragt ist– mit dem Zusatzgedanken: Was bringt das der Gemeinde? Sonst bekommt man keine Widmung, und daher muss man auf die Gemeindeinteressen von Beginn an Rücksicht nehmen. Die Bürgermeister müssen den Bewohnern und letztendlich ihren Wählern klarmachen, dass ein neues Projekt für die Gemeinde einen Sinn hat. Gerade in kleinen und überschaubaren Gemeinden haben die Bürger sehr wohl viel Macht gegenüber den Bürgermeistern.
Man muss sich als Projektentwickler darauf einstellen, dass es bei jedem Projekt eine Form der Bürgerbeteiligung gibt, und die Gemeindeinteressen sind ausschlaggebend.
Sind Hotels auch eine Option?
Wagner: Das ist nicht mehr so einfach. Hauptthema ist: Man muss einen Ganzjahresbetrieb darstellen können, d.h. eine Auslastung über das ganze Jahr zu vernünftigen Preisen. Und hier beeinflusst die Entwicklung in Wien die Märkte im Umland sehr stark.
Warum?
Wagner: Weil es in Wien viel mehr Hotels gibt als früher und dazu noch sehr günstige Angebote im Drei- und Vier-Sterne-Segment. Vor einigen Jahren noch, als Wien sozusagen „voll“ war, schwappte die Welle über, und die Hotels im Umland wurden stärker nachgefragt. Wegen der Erhöhung des Bettenvolumens in Wien ist nun die berechtigte Sorge da, dass die Überkapazitäten von der Stadt selber aufgenommen werden.
In welcher Form kann dann ein Hotel überhaupt funktionieren?
Wagner: Wenn es funktionieren soll, dann braucht es einen starken lokalen Bezug. Damit fallen aber die großen Hotelbetreiber weg. Und die kleinen lokalen Betreiber haben nicht die finanzielle Substanz, die man braucht, um ein Hotel finanzieren zu können. Sie würden es gut führen können, aber die Garantien und Fixmieten, die man für eine Finanzierung heutzutage benötigt, können sie nicht vorweisen. Das ist die Crux an der Sache.
Letztendlich braucht man viele Standbeine: Bustouristen, normale Touristen, Messebesucher, Seminargäste, Geschäftsreisende etc. Weiters muss man große Unternehmen in der Umgebung einbinden und sich auch die Unterstützung der Gemeinde oder der Stadt sichern. Die geben zwar alle keine Auslastungsgarantien, aber sie können Gäste schicken. Der Grundstückspreis ist hier ebenfalls ein entscheidender Punkt, und da kann die Gemeinde sehr oft Einfluss nehmen.