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Suche Kleingarten: Das Betongold blüht im Schrebergarten

Erfunden aus Liebe zur Natur, geschunden als Vorratskammer im Krieg. Jetzt bekommt der Kleingarten einen neuen Anstrich, der für Immo-Anleger golden glänzt.

Es ist nicht die Wiener City, es sind nicht Hietzing oder Döbling – dort ist das Immo-Parkett genügend betanzt. Wo lässt sich in Wien also entwickeln, mit Eigenheim und „grünem Wohnen“, in ruhiger Lage mit loyaler Nachbarschaft und hohen Margen? Das wäre mal eine Millionenfrage für Armin Assinger und seine Show, der Publikumsjoker hätte nicht gegriffen: Simmering, Floridsdorf, die Donaustadt sind „places to invest“: in den versteckten Trend des Schrebergartens. Pro Jahr gibt es in Wien knapp 200 Kleingartentransaktionen, wie zuletzt IMMOUnited in einer Untersuchung feststellte und die Preise steigen. Der Kaufpreis von Kleingärten hat sich seit 2015 fast verdoppelt.

Wo in Wien die Gartenzwerge wachen

Wien lebt und liebt seine Verwaltung, daraus sprießen interessante Blüten: etwa das „Statistische Jahrbuch der Stadt“, jährlich publiziert vom Magistrat und kostenlos abrufbar unter diesem Link. Darin widmet sich ein ganzes Kapitel den Kleingärten und informiert: Seit der Jahrtausendwende werden die „klassischen“ Schrebergärten weniger, weil immer mehr „ganzjähriges Wohnen“ gewidmet (und gebaut) wird. Immerhin 50 Quadratmeter Baufläche pro Parzelle stehen dann zur Verfügung, so steht es im Wiener Kleingartengesetz von 1996. Grund und Boden sind wertvolle Ressourcen, das spiegelt sich in diesem Trend. Wo früher Gartenzwerge gewacht haben, geht heute das automatische Schiebetor auf. Das passiert nicht am Stadtrand, in den entlegenen Entwicklungsgebieten – sondern bestens angebunden ans Öffi- und Verkehrsnetz der Stadt. Etwa an der U3 in Simmering (Schloss Neugebäude) oder am Hernalser Schafberg (Bim-Anbindung ans Jonas-Reindl vulgo Schottentor). Oder am Flötzersteig. Wer bei der Fahrt Richtung stadtauswärts nach rechts blickt, kann dort die eng aneinanderstehenden Häuser sehen. Jedes Grundstück ein Biotop für sich, zeigt sich die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten.

„Gentrification“ und Geranien

New Yorks Lower East Side und Montmartre in Paris schaffen polyglotten Klang im Ohr; Kreuzberg und Neukölln müssen phonetisch aufholen, haben dafür „Berlin“ auf der Visitenkarte stehen. Und Wien? Kaiserebersdorf. Kagran. Bitterlichstraße. Auf dem Papier klingt das wenig sexy, Breitensee verschwimmt mit Breitenlee, es bleibt das Bild von der Pelargonie am Gemeindebau-Balkon.

Nehmen wir nochmals das Statistische Jahrbuch bzw. das Wiener Landesgesetz zur Hand: „Kleingärtenflächen werden gärtnerisch genutzt und dienen der individuellen Erholung oder dem Wohnen.“ Diese Definition schließt einige Möglichkeiten aus, eröffnet aber viele Türen zur Gestaltung. Knapp 36.000 Kleingartenparzellen hat Wien nach aktuellem Stand, gerade einmal 507 (!) sind unberührt als Bauland gewidmet; mehr als 170 Parzellen stehen – laut Gemeinde – in Floridsdorf zur Bebauung bereit. Die Donaustadt hingegen hat schon 7.600 Parzellen, da ist kaum Platz für Neues (67 Parzellen für Bauland frei).

Den Mehrwert finden im Spießertum

Ein Blick in die Geschichte lohnt sich immer, um die Zusammenhänge zu verstehen. Ende des 19. Jahrhunderts hatte der deutsche Arzt und Orthopäde Daniel Moritz Schreber in Leipzig eine Idee: die Kinder nicht nur in der Leibesübung erziehen, sondern auch in der Naturkunde. Also pflanzten sie Obst und Gemüse und Kräuter neben dem Sportplatz, und der „Schrebergarten“ war geboren. Gurken und Paradeiser vor der Haustür – das ist „Bio“ und „nachhaltig“ und ganz im Stil von „save the planet“, aber in den Kriegsjahren 1918 und 1945 waren Wiens Schrebergärten – etwa auf der Schmelz – eine Überlebensversicherung für die hungernde Bevölkerung.

Die Aufschwungjahre der 1950er bis zur Ära Kreisky brachten Wohlstand für alle – und die Idee des „Zweitwohnsitzes“ war geboren. Das kleine, feine Domizil in Simmering, gleich beim Böhmischen Prater; das Häusl am Schafberg, mit dem Rad bald im „Krawa“; an der Hauptallee ein Hütterl, fürs Flanieren zum Lusthaus; ein Haus, ein Garten, ein Zaun. Die Spätmoderne brachte das Betongold auf leisen Füßen, gebettet auf Efeuranken und Thujenwänden. Pachtverträge wurden geschlossen (die meisten mit der Gemeinde), wenige Grundstücke kamen in private Hand.

Mein Pferd, meine Jacht, mein Schrebergarten

Es gibt Werbespots, die überleben die Zeit. „Wie das Land. So das Jever“, kennen Sie? Da legt der Business-Mann im schwarzen Anzug das Smartphone weg, schlüpft aus dem Sakko und trinkt im Schilf eine Flasche norddeutsches Bier. Der Spot funktioniert seit den frühen 1990er-Jahren. Dann gab es noch die Werbung für eine Bank: Zwei Schulfreunde treffen sich, erwachsen, wieder – und geben an. Mein Haus, mein Auto, mein Pool, Sie kennen den Rest. Ein Killer-Argument fehlt bis heute: Wie wäre es mit „Meine Lage“?

Wer den Hernalser Schafberg erwandert oder das (sehenswerte!) Schloss Neugebäude in Simmering besucht, findet sie überall in Wien: grüne Juwele, behütet gelegen, verkehrsberuhigt und doch fein angeschlossen; mit Raum zur Gestaltung und Garten dazu. Bauordnung und Kleingartengesetz lassen einiges zu. Das Angebot ist dünn, aber gut gestreut.

Die Mode ist Geist ihrer Zeit. Wer braucht Pause von den Schlagworten Zinshaus, Rendite und City-Lage? Der tauscht jetzt gegen Hängematte, Kirschlorbeer und Biotop – in der Natur in der Stadt. Und hebt den Schrebergarten aus seinem Dasein im Versteck.

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Geschrieben von:

Louis Frühbauer

Interview-Partner:
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  • Erschienen am:
    05.08.2021
  • um:
    07:00
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