In welchen Segmenten ist Hamburg Trust tätig?
Reul: Wir investieren im Bereich Wohnen und Büro das Kapital von deutschen institutionellen Anlegern in Bestandsimmobilien wie auch in Projektentwicklungen und haben daher einen sehr langfristigen Horizont. Von unserer Seite wurde in den letzten Jahren sehr viel in Deutschland investiert, und natürlich fiel da unser Augenmerk auch auf Österreich.
Agieren Sie selbstständig auf dem österreichischen Markt?
Reul: Nein. Wir haben unsere Zentrale in Hamburg, und wir bilden uns ja nicht ein, dass wir von Hamburg aus den Wiener Markt beurteilen können. Wir haben zuverlässige Partner in Österreich, die für uns die Objekte sondieren und den Ankauf koordinieren sowie die Betreuung vor Ort. Einer unserer Partner ist Manfred Wiltschnigg, der ja auch im Vorstand der Immofinanz Group tätig war.
Welche Städte sind für Sie in Österreich interessant?
Reul: In Österreich ist es natürlich Wien, aber auch die zwei, drei nachfolgend größeren Städte erfüllen alle unsere Kriterien für ein langfristiges Investment. Dazu gehören Graz und Linz – hier haben wir auch schon einige Objekte geprüft. Auch Salzburg wäre ein attraktiver Standort, allerdings ist die Stadt relativ teuer.
Welche Vorteile sehen Sie in Wien?
Reul: Zum einen die demografische Entwicklung und die hohe Zuwanderung, zum anderen ist Österreich wirtschaftlich und insgesamt sehr solide und nach unserer Einschätzung für die Zukunft sehr gut gerüstet. Dazu kommt, dass das Mietniveau deutlich niedriger ist als in vergleichbaren deutschen Städten. Wenn Sie die Mieten mit Hamburg oder München vergleichen, dann ist hier doch ein erheblicher Unterschied. Diese Kombinationen halten wir für eine positive Ausgangslage.
Welche Objekte haben Sie in Österreich?
Reul: Wir haben in Wien bereits ein Objekt übernommen, und ein zweites steht kurz vor dem Ankauf. Wir sind allerdings auch bei zwei Neubauprojekten in Graz kurz davor zu kaufen.
Kennen Sie sich mit dem MRG in Österreich aus?
Reul: Ja – alles andere müsste man wohl als fahrlässig bezeichnen. Einige Kollegen meinten zuerst, aufgrund der Gesetzgebung im Wohnungsmarkt, dem Mietrecht und der Baurechtsordnung, dass man in Österreich ja gar nicht investieren könne. Natürlich ist das Mietrecht bei Altbauten eine komplexe Sache, aber bei Neubauten ist das anders. Wir haben uns mit dem Markt beschäftigt und festgestellt, dass die Gemeinde Wien und die Genossenschaften mit rund 70 Prozent Wohnungsbestand sehr stark sind und das Mietniveau bestimmen. Aber für einen stark wachsenden Markt, so wir ihn in Wien sehen, ist das Angebot nicht ausreichend – daher beurteilen wir dieses Segment als sehr nachhaltig.
Wie sehen Sie den Vergleich zu Deutschland?
Reul: Wir haben in Wien ein Objekt gekauft, in dem wir zirka 12,5 bis 12,9 Euro Miete pro Quadratmeter bekommen. Das ist viel weniger als die Miete in einem Neubau in den sieben großen deutschen Städten. Dafür ist der Einkaufspreis pro Quadratmeter in Wien mit rund 4.200 Euro günstig. In Düsseldorf sind es rund 6.500 Euro pro Quadratmeter. Man zahlt in Wien für den Neubau das, was die Miete an Rendite bringt. Die Rendite mag dann ähnlich sein wie in Deutschland – das Risiko eines Preisverfalls pro Quadratmeter ist jedoch geringer.
Ist das MRG ein Hemmschuh oder – überspitzt formuliert – bietet es mehr Sicherheit als die Diskussionen über Enteignung wie in Berlin?
Reul: In Wien werden keine verrückten Sachen passieren, und es wird auch zu keiner Überhitzung des Markts kommen. In Wien sind die Rahmenbedingungen nicht optimal, aber die Werkzeuge sind bekannt, und damit kann man umgehen. Für langfristige Investoren sind die Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen über die Laufzeit ein Problem. Enteignungsdiskussionen wie in Berlin sind für Investoren eher abschreckend, weil sie nicht einschätzen können, wohin das führt.
Langfristig gesehen: Wie wird sich der Wohnimmobilienmarkt entwickeln?
Reul: Ich glaube, Wien ist ein sehr gutes Beispiel für die Entwicklung auch in anderen Großstädten. Den Eigentümermarkt lasse ich einmal beiseite.
Die Menschen müssen sich Wohnen leisten können, und in einigen deutschen Städten zahlen sie schon 40 bis 50 Prozent des Einkommens für die Miete. Die Mieten sind deutlich stärker gestiegen als das Einkommen. Der bezahlbare Wohnraum wird uns in Deutschland in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen, und die öffentliche Hand wird stark unter Druck kommen.
Wenn sich die Situation noch weiter zuspitzt, glaube ich, dass viele Politiker schwach werden und eingreifen beziehungsweise eingreifen müssen. Mit Deckelungen ist das nicht zu lösen – die öffentliche Hand wird mehr bauen und mehr subventionieren müssen, als es heute der Fall ist. Das ist das „bezahlbare“ Segment. Dann gibt es abgekoppelt den Bereich des höherwertigen Mietermarkts, in dem es wieder verschiedene Sonderformen wie Mikroapartments oder studentisches Wohnen gibt. Das ist das Segment, das wir in Wien abdecken wollen.