Mit dieser Fragestellung war er mehr in der Immobilienwirtschaft als in der Bauwirtschaft aktiv. Aus diesem Interesse heraus hat der Vorarlberger auf der TU Wien Städtebau und Raumordnung studiert und sich nach dem Studium in den Familienbetrieb der S+B Gruppe integriert. Eine freiwillige Entscheidung, wie Schertler betont: „In gewisser Weise war der Weg ja vorgegeben, aber es gab zu keiner Zeit eine Verpflichtung oder gar Zwang, in das Unternehmen einzusteigen, alles entwickelte sich ohne belastenden Druck. Es war mein Wunsch, und es hat sich für alle als vorteilhaft herausgestellt.“
Ein anderer Beruf?
Es stellt sich die Frage, ob für Reinhard Schertler auch ein anderer Beruf in Frage gekommen wäre? „Skigebietmanager wäre ich auch gerne geworden“, meint der Vorarberger, den Berge und Schnee genauso faszinieren wie Gebäude. Wobei ihm seine Tätigkeit als Skilehrer während seines Studiums in weiterer Folge im Immobilien-Business auf jeden Fall geholfen haben, denn man lernt, Emotionen zu verkaufen: „Es lässt sich heute im Geschäft nicht alles auf Fakten und Zahlen zurückzuführen, und gerade die Emotionen sind entscheidend. Du versuchst ja, in den Verkaufsverhandlungen eine gute Stimmung rüberzubringen. Wenn man es geschafft hat, als Skilehrer einen schlechten Regentag als schönen Skitag zu verkaufen, der alle glücklich macht, dann hilft das später auch im Geschäftsleben.“
Große Herausforderungen und einprägsame Erlebnisse
Sein erstes großes Projekt war eine besondere Herausforderung, wobei sich daran auch Profis abgearbeitet hätten: das Headquarter von Europay in der Marxergasse im dritten Wiener Gemeindebezirk. Verkauft war das Projekt schon vor Baustart, dann wurde bei laufendem Betrieb (400 Mitarbeiter) umgebaut. „Das hätte nicht gut gewirkt, wenn es geheißen hätte: Ja, wegen dem Schertler ist das ganze Bankomat- und Zahlungssystem in Österreich zusammengebrochen“, sieht der S+B-Vorstand diese Zeit mit etwas Humor, aber er gibt auch unumwunden zu: „Das hat mich einige schlaflose Nächte gekostet.“ Ein weiteres einprägsames Erlebnis hatte allerdings nicht mit der Errichtung einer Immobilie zu tun, sondern genau mit dem Gegenteil: In der rumänischen Stadt Sibiu sollte ein Kornspeicher gesprengt werden, um für ein neues Projekt Platz zu machen. Die Stadtverantwortlichen waren da, die Medien und zahlreiche Zuschauer– allein der Turm fiel nicht. Er neigte sich zwar nach der Sprengung in eine Schräglage, die den physikalischen Gesetzen widersprach, aber er blieb stehen und wurde in weiterer Folge händisch abgetragen. „Wir haben dann das Grundstück verkauft“, lacht Schertler.
Zuerst Vorarlberg, dann CEE, dann Wien
Die Vorarlberger gelten in der Branche als Vorreiter in CEE/SEE, und bevor in Wien ein Büro eröffnet wurde, war man bereits in Osteuropa tätig. In der Funktion als Generalunternehmer wurden im Jahr 1984 das Novotel und das Penta Hotel in Budapest gebaut. „Osteuropa ist fast Heimat und unser Markt“, so Reinhard Schertler: „Wo wären wir, wenn es diese Region nicht gäbe? Der Markt ist vorhanden, und ich sehe Zentral- und Osteuropa weiterhin sehr positiv.“ Die Nachfrage nach Büroflächen ist derzeit zwar nicht überbordend, aber langsam werden die Bürohäuser der ersten Phase durch moderne Projekte mit niedrigen Betriebskosten ersetzt. Die Unternehmen wechseln in die besseren Immobilien. Auch wenn es keinen Boom wie vor der Krise gibt, so ist doch „ein stetiges kleines Wachstum vorhanden, und das kann man abrufen, und daran arbeiten wir“, erklärt Schertler seine Strategie.
Ein Gefühl der Verbundenheit
Das Gefühl der Heimatverbundenheit macht sich bezahlt, und Schertler resümiert: „Wenn ich an die letzten fast 30 Jahren zurückdenke, dann haben wir in CEE nie Geld verloren. Es war manchmal mühsam und kompliziert, aber es ist immer gegangen, und wir haben einige Krisen erlebt.“ So auch die– aus heutiger Sicht problemlose– Ostöffnung, da „damals niemand genau gewusst hat, wie sich die Staaten weiterentwickeln werden“. Die Anfangszeiten in den neuen Märkten waren aber auch von anderen Herausforderungen geprägt, und „wir haben mit privaten Haftungen in Vorarlberg die Bürohäuser in Tschechien finanziert, daher sehe ich die momentane Situation auch nicht so extrem“.
Vorreiter in Sachen „Nachhaltigkeit“
Nicht nur in CEE hat sich der Vorarlberger Unternehmer einen Namen gemacht, sondern er gilt auch als einer der Vorreiter in Sachen „Nachhaltigkeit“. Sehr bewusst, wie er betont, denn ihm geht es auf der einen Seite darum, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten, auf der anderen Seite hat es für ihn auch handfeste ökonomische Vorteile: „Es rechnet sich, und es ist sinnvoll.“ Allerdings sollte man Nachhaltigkeit nicht mit Technisierung gleichsetzen, und so gibt es in Vorarlberg bereits eine Initiative mit Bauträgern– unter anderem auch mit Schertler–, Architekten und dem Land Vorarlberg, um das mittlerweile überbordende Regelwerk wieder zu minimieren.
Die Erfahrung und die Zeit
Im Immobilien-Business hat sich für Schertler in den vergangenen Jahrzehnten „im Kern nichts geändert. Wir produzieren Immobilien für Nutzer und Investoren. Wenn sich die Mieter wohlfühlen, dann ist die Entwicklung erfolgreich.“ Dazwischen allerdings gab es eine Phase, in der sich die Immobilien zu reinen Investmentprodukten entwickelt hatten, weg von ihrer eigentlichen Idee. Investieren nur um des Geldes wegen war damals wie heute die falsche Strategie, meint Schertler rückblickend, und „wenn man im Kernbereich geblieben ist, so wie wir, dann hat man langfristig auch die schwierigen Zeiten durchgedrückt. Ein gutes Produkt an einem vernünftigen Standort wird sich immer rentieren, das haben die Erfahrung und die Zeit gezeigt.“
Die Zukunft und das Lieblingsprojekt
Die Zukunft des Familienunternehmens ist aus Schertler Sicht der aktuellen Situation sehr ähnlich: „Genau so wie heute. Starkes Größenwachstum gibt es nicht, die Länder sind klar abgesteckt, die jungen Mitarbeiter sollen gut in die Firma hineinwachsen und die Älteren weiterarbeiten können. Wir fühlen uns wohl in dieser Größenordnung.“ Das bedeutet: Ein Volumen von rund 200 Millionen Euro ist in Bau und Fertigstellung, ein weiteres von 200 Millionen ist in Vorbereitung, „wir haben die Ressourcen und das Eigenkapital, und es macht Spaß“.
Es gibt auch persönliche Pläne für die Zukunft, und dazu gehört das aktuelle Lieblingsprojekt, das gerade entwickelt wird: die „Danube Flats“ auf dem Platz des Cineplexx in Kaisermühlen: „Es ist der große Traum, einmal im Leben ein Hochhaus zu bauen– das hat eine große Faszination.“ Vor allem möchte Schertler in diesem Projekt das „In-sich-geschlossen-Sein des Kinos“ auflösen, und gemeinsam mit der Stadt Wien werden daher Gestaltungsmöglichkeiten in der Erdgeschoßzone mit Gastronomie und Einkaufsgelegenheiten sowie die Grünanlagen erarbeitet. „Das Projekt soll sich der Nachbarschaft öffnen, und es soll für alle in Kaisermühlen etwas Funktionierendes entstehen“– was auch genau der Philosophie von Reinhard Schertler entspricht.