Nachverdichtung statt Verbauung grüner Wiesen
Es ist erfreulich, dass das Programm der neuen Bundesregierung zum Thema Wohnen gleich in seinem ersten Kapitel den Vorrang von Nachverdichtung vor der Versiegelung grüner Wiesen festgelegt hat. Tatsächlich ist der sparsame Umgang mit Grund und Boden ein Gebot der Stunde. Täglich (!) werden in Österreich rund 30 Fußballfelder verbaut, obwohl der Gebäudeleerstand bei rund 500 Millionen Quadratmetern liegt. Auf jede Österreicherin und jeden Österreicher entfallen also rund 60 Quadratmeter Leerstandsfläche.
Die Städte nicht über ihre grünen Ränder hinaus auszurollen, sondern sie möglichst moderat und verträglich von innen nach außen zu entwickeln und sensibel zu verdichten, ist eine enorme raumordnerische Herausforderung. Industriebrachen, Baulücken, Auffüllungsgebiete oder Dachgeschoße bieten dafür wertvolle Baulandreserven.
Leerstand mobilisieren, Sanierung fördern
Die Bundesregierung hat es sich folgerichtig zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit den Ländern diesen Leerstand zu „mobilisieren“, also angebotserhöhend und damit preisdämpfend auf den Immobilienmarkt zurückzubringen. Um welche Anzahl leerstehender Wohnungen es geht, ist nicht verlässlich zu quantifizieren. Untersuchungen aus Deutschland gehen von drei bis vier Prozent des Wohnungsbestands aus. Es kann also mit ungefähr 150.000 Wohneinheiten in Österreich gerechnet werden. Um sie wieder marktfit zu machen, ist jedenfalls auch ein intensiver Einsatz der Wohnbauförderung zur Sanierung dringend geboten. Die im Regierungsprogramm vorgesehene Bekämpfung von strukturellem Leerstand ist als wichtige Maßnahme zur Stärkung von strukturbenachteiligten Regionen anzusehen und daher besonders zu begrüßen.
Strukturbenachteiligte Regionen stärken
Über die vorgesehenen Maßnahmen hinaus wäre es sinnvoll, Wohnbauförderungsmittel, die bisher für den Neubau von Einfamilienhäusern – vorwiegend in den sogenannten „Speckgürteln“ der Städte – verwendet wurden, (nur noch) in Gemeinden einzusetzen, die eine negative Bevölkerungsentwicklung aufweisen. Während man die Verhüttelung des wertvollen Grünraums zwischen Stadt und Land nicht auch noch aus öffentlichen Mitteln fördern sollte, brauchen Abwanderungsgemeinden dringend Investitionen in die Infrastruktur – etwa für eine bessere Erreichbarkeit (per Rad, Schiene, Straße oder Breitband), für Kinderbetreuungseinrichtungen, für Kultur-, Sport- und Veranstaltungsmöglichkeiten und zur Ansiedlung neuer Dauerbewohner. Die Jungen ziehen ja weg, weil sie kaum Arbeit und auch wenig Infrastruktur, wenig Unterhaltung und kaum „ihresgleichen“ vorfinden.
Zentralämter „draußen bei den Menschen“
Warum müssen im Zeitalter der Digitalisierung übrigens alle Ämter und Behörden in der großen Hauptstadt sein? Warum sollte Trofaiach nicht Sitz des Infrastrukturministeriums, St. Johann im Pongau nicht Sitz des Verteidigungsministeriums oder Stams nicht Sitz der Bundessportorganisation sein? Das brächte bald weitere Arbeitsplätze, aufstrebende Menschen und steigende Kaufkraft in diese Regionen. Pendeln funktioniert von A nach W, aber auch aus dem Zentrum in die Peripherie.
Wirksamkeit der Wohnbauförderung erhöhen
Dass die Einnahmen und Rückflüsse der Wohnbauförderung wieder zweckgewidmet für den Wohnbau beziehungsweise Sanierungen und zur Revitalisierung von Orts- und Stadtkernen verwendet werden sollen, statt damit einfach nur Budgetlöcher der Länder zu stopfen, ist ein weiteres begrüßenswertes Vorhaben aus dem Regierungsprogramm. In Verbindung mit der klar formulierten Stärkung der Sanierung in der Wohnbauförderung und dem Vorrang von Sanierung und Nachverdichtung gegenüber dem Neubau ergibt sich tendenziell eine Effizienzsteigerung und eine Erhöhung des Wirkungsgrads der eingesetzten Mittel. Trotz der schon bisher zahlreichen Beteuerungen, die Sanierung zu forcieren, liegt die Quote aktuell unter 0,5 Prozent. Derzeit wird also nur eines von 200 Gebäuden pro Jahr umfassend saniert.
Wohnen leistbarer machen – quick wins
Überfällig und nun in Angriff genommen sind Regierungsmaßnahmen zur Senkung der Baukosten – etwa durch Beschleunigung der Bauverfahren oder durch die Rücknahme von ineffizienten Standards und Vorschriften sowie durch bundeseinheitliche Regelungen zu technischen Normen. Quick wins, wenn’s gelingt. Erhebliches Potenzial liegt wohl auch in dem Regierungsvorhaben, das Wohnrecht zu novellieren. Erhaltungsmaßnahmen im WEG leichter durchsetzbar zu machen, Erhaltungsrücklagen verpflichtend zu implementieren wird wohl ungeteilte Zustimmung bringen, während die in Aussicht genommene Neufassung des Mietrechtsgesetzes zwar höchste Dringlichkeit hat, aber mangels verlässlicher Wegweiser im Regierungsprogramm noch nicht inhaltlich zu beurteilen ist. Wo der Schuh drückt, liegt jedoch klar auf der Hand: Schon der § 1 MRG macht es selbst Juristen schwer zu beurteilen, ob ein Bestandsverhältnis überhaupt in den gesetzlichen Anwendungsbereich fällt. Ähnlich ist es bei der Mietzinsbildung, bei den Befristungen oder den Erhaltungspflichten.
Das erzeugt hohe Verunsicherung, sodass manche Eigentümer ihre Wohnungen und Häuser lieber leerstehen lassen, ehe sie in die Illegalität schlittern. Die Mietdauer, der Mietzins, die Untervermietbarkeit sollten zwischen Mieter- und Vermieterseite frei vereinbar sein. Anno 2020 ist der Mietinteressent nicht mehr der Bittsteller, der Vermieter nicht mehr der mächtige „Hausherr“. Die Marktmechanismen, in Sonderheit ein wesentlich höheres Neubauangebot (derzeit stehen in der Steiermark 6.000 sofort verfügbare Mietwohnungen leer), kann die Mietpreise verlässlicher eindämmen als alle gesetzlichen Höchstgrenzen, seien sie im Kategoriemietzins oder im Richtwert festgelegt worden.
Klarere Vorschriften, höhere Rechtssicherheit
Fest steht, dass über 40.000 OGH-Entscheidungen für 58 Paragrafen im geltenden MRG ein unrühmlicher Beweis mangelnder Rechtssicherheit und damit höchster Verunsicherung der Beteiligten sind. Ein einfach lesbares, nachvollziehliches Bundesmietrecht könnte viele Eigentümer motivieren, ihre Wohnungen doch auf den Markt zu bringen.
Dass die Regierung als letzten Punkt auch das sogenannte Bestellerprinzip bei Mietwohnungsvermittlungen einzuführen gedenkt, ist ein Tropfen auf den heißen Stein der hohen Wohnungskosten, könnte aber dem Ziel, möglichst viele leerstehende Wohnungen auf den Markt zu bekommen, entgegenlaufen. Warum soll der Vermieter alleine den Makler zahlen, wenn er die Wohnung professionell aufbereitet auf den Markt bringt? Die geltende Regelung war flexibel genug und nicht ungerecht. Auch bisher mussten Mietinteressenten nur dann ein Erfolgshonorar bezahlen, wenn sie tatsächlich eine Wohnung über den Makler gefunden hatten. Raiffeisen Immobilien ist jedenfalls auf die neue Regelung vorbereitet, und wir sind sehr zuversichtlich, dass uns die Auftraggeber weiterhin für eine engagierte und erfolgreiche Dienstleistung angemessen entlohnen werden.
Die Maßnahmen im neuen Regierungsprogramm unterteilen sich in die Kapitel:
- Investitionsanreize für Sanierungen und Neubau
- Eigentumsbildung fördern
- Baulandmobilisierung
- Wohnungseigentum: modern, sinnvoll, klar verständlich
- Schaffung von leistbarem Wohnraum
- Wohnrecht
- Wohnbauförderung
- Leerstand & Mindernutzung
- Maklerprovision nach dem Bestellerprinzip