Wie sehen Sie die aktuelle Situation der Immobilienwirtschaft?
Bernhard Ebner: Die Immobilienwirtschaft befindet sich derzeit in einer Phase der Unsicherheit und der Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen. Das betrifft das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Ausprägungen genauso wie die in den letzten Jahren stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten, auch wenn sich die Zinsen gerade wieder nach unten bewegen … eine Garantie, dass es so bleibt, gibt es allerdings nicht. Die Unsicherheiten hinsichtlich innen- und außenpolitischer Änderungen wie auch der Inflation sind vorhanden. Der Käufer, sei es für den privaten Ankauf oder auch als institutioneller Investor, ist derzeit vorsichtig, wartet die weiteren Entwicklungen ab und stellt sich mitunter die Fragen: Gehen die Preise noch nach unten? Ist der Bauträger respektive der Entwickler stabil und auch noch während der Gewährleistungsfrist am Markt?
Wo liegen die speziellen Herausforderungen?
BE: Projekte, die vor einigen Jahren zu teuer eingekauft wurden, rechnen sich aus mehreren Gründen jetzt noch schlechter beziehungsweise zu einem großen Teil gar nicht mehr.
Zurückzuführen ist das auf Verzögerungen in der Umsetzung von Projekten wegen längerer Finanzierungsprozesse, fehlender Vorverwertungsquoten, langer Genehmigungsdauer etc. Dadurch sind natürlich weiter Zinskosten aufgelaufen. Die Baupreise steigen weiterhin, was großteils auf die gestiegenen Lohnkosten zurückzuführen ist.
Zu erkennen ist, dass es bei steigendem Baupreisindex zu einer Seitwärtsbewegung der Baupreise kommt, aber zu keinen breitenwirksamen Reduktionen. Mit erhöhter Vorsicht ist bei stark unterpreisigen Angeboten zu agieren. Diese scheinen oft nur anfangs günstig, die Stabilität der jeweiligen Firmen ist zu hinterfragen.
Im Exit, gleich ob an institutionelle Investoren oder Endverbraucher, können die teilweise zu teuer eingekauften Liegenschaften, die Veränderungen der Verkaufspreise respektive Exit-Yields und die oben erwähnten angefallenen Kosten nicht zur Gänze umgelegt werden. Natürlich gibt es hier in den einzelnen Immobilienkategorien Unterschiede.
Sie haben sich mit Ihrem Unternehmen auf Projektsanierung spezialisiert. Kristallisiert sich ein besonderer Schwerpunkt heraus, oder befinden sich die Projekte alle in unterschiedlichen Entwicklungsstadien?
BE: Unsere Projekte befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien, sie sind teilweise vor Baubeginn, mitten im Bau oder auch kurz vor Fertigstellung, was uns ermöglicht, flexibel auf die jeweiligen Bedürfnisse einzugehen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt jedoch auf der nachhaltigen Sanierung und der Anpassung an moderne Standards, um langfristige Wertsteigerungen zu erzielen.
Wir legen großen Wert auf die objektive Bewertung und Analyse des jeweiligen Projekts. Sind die Kosten nachvollziehbar? Wo sind Einsparungen oder Effizienzsteigerungen möglich, die aber Hand in Hand mit den jeweiligen Verkaufsverantwortlichen eng abgestimmt werden müssen? Denn an der falschen Stelle zu sparen bedeutet einen geringeren Verkaufspreis. Wie sieht der Zeitplan aus, und sind die ausgewählten Firmen wirtschaftlich in der Lage, das Projekt erfolgreich abzuschließen? All diese Parameter werden je nach Projektstatus analysiert und in Handlungsempfehlungen zusammengefasst und kommentiert.
Gibt es Assetklassen, die derzeit von einer Schieflage besonders betroffen sind?
BE: Die oben erwähnten Ursachen für eine Projektschieflage betreffen alle Assetklassen, daher betreuen wir unterschiedliche Immobilienarten.
Derzeit suchen die Banken Lösungen überall aber im Wohnbau bieten sie sich momentan eher an, da hier der Exit leichter darzustellen ist. Aus meiner Sicht gibt es einerseits sehr viele Wohnbauprojekte, gleich ob Zinshaussanierung oder Neubau, und andererseits sind die Banken hier finanzierungsfreudiger. Der Grund ist wohl die Nachfrage am Wohnungseigentumsobjekt und der doch im Vergleich zum Gewerbe schnellere Exit.
Gibt es in den Assetklassen unterschiedliche Probleme respektive sind sie in einigen größer?
BE: Im Prinzip sind die Probleme in allen Assetklassen ähnlich gelagert: hohe Ankaufskosten, Verzögerungen, die Bau- und Finanzierungskosten.
Während Wohnimmobilien, wie bereits erwähnt, vor dem Problem steigender Bau- und Finanzierungskosten stehen, die sich in den Verkaufspreisen nicht widerspiegeln, kommen bei Büroimmobilien Leerstände und die immer größer werdenden Anforderungen an nachhaltige Gebäude hinzu.
Stärker wirken sich jedoch die Anforderungen und damit Probleme hinsichtlich Finanzierung bei gewerblichen Projektentwicklungen aus. Zum Beispiel ist bei einem Hotel der Anteil an Eigenkapital wesentlich höher als im Wohnbau. Bei einer längeren Dauer der Hotelentwicklung und bis zu einem tatsächlichen Exit wirken sich die Zinsen bei einer Projektkalkulation weit mehr aus als bei einer Zinshaussanierung, wo auch mit Rückflüssen aus BTVG-Abverkäufen die Finanzierungspitze noch weiter gesenkt werden kann.
Wenn Sie ein Projekt überblicken – gibt es einen Bereich, der besonders heikel ist? Oder hängt das in den meisten Fällen vom individuellen Projekt ab und davon, wie weit es fortgeschritten ist?
BE: Jedes Projekt muss individuell analysiert werden. Natürlich sind es sich wiederholende Themen, die bearbeitet werden, aber manchmal in unterschiedlichen Wertigkeiten.
Ist zum Beispiel das Projekt kurz vor Baubeginn, dann liegt großes Augenmerk auf der Vergabe – welche Firmen sollen beauftragt werden, und wie stabil sind diese? Denn der Ausfall eines Unternehmens bringt meist nicht nur höhere Kosten und Verzögerungen, sondern auch Probleme hinsichtlich der Gewährleistung mit sich.
Durchaus ähnlich sind die Themen, wenn ein Projekt, das sich mitten im Bau befunden hat, wieder aktiviert werden soll. Die finanzierende Bank will wissen, zu welchen Kosten und in welcher Zeit das Projekt fertiggestellt werden kann. Es werden die Ist-Kosten erhoben und mit dem Baufertigstellungsgrad verglichen. Die noch zu erwartenden Kosten werden sehr detailliert analysiert und in der Ausstattung mit den Erwartungen hinsichtlich Verkauf abgeglichen. Das heißt, wir arbeiten hier sehr eng mit dem Vertrieb zusammen.
Ein aus meiner Sicht sehr wichtiger und heikler Punkt ist die Kommunikation. Immer wieder erkenne ich, dass die Kommunikation zwischen den Stakeholdern – wie Bauträger, Banken, Planer, Baufirmen – derzeit nicht die beste ist. Es hat aus verschiedenen Gründen ein Vertrauensverlust stattgefunden: Baukostenüberschreitung, Banken stellen Finanzierungen ein, offene Planer- oder Baurechnungen etc. Hier gilt es, wieder vertrauensfördernde Maßnahmen zu setzen. Ich sehe mich sehr oft als Mediator und versuche Vertrauen und Motivation in das Projekt zurückzuholen.
Was raten Sie Unternehmen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, sei es wegen Verwertung, Fertigstellung oder Refinanzierung?
BE: Die Unternehmen sollten eine gründliche Bestandsaufnahme ihrer Situation vornehmen und gegebenenfalls externe Experten hinzuziehen.
Den Kopf in den Sand zu stecken wird nicht zum Ziel führen, egal, welche Seite es betrifft. Es geht darum, die Themen eindeutig anzusprechen, mögliche Varianten zu erarbeiten und gemeinsame Lösungen zu suchen. Klingt sehr einfach, ist es aber leider nicht. Dazu braucht es den Willen und auch das notwendige Pouvoir auf allen Seiten.
Ihr Ausblick auf das Jahr 2025?
BE: Insgesamt bin ich vorsichtig optimistisch, dass sich der Markt im Laufe dieses Jahres stabilisieren wird – Anzeichen dafür sind schon zu erkennen. Die sinkenden Zinsen, das Ende der KIM-Verordnung und ein sinkendes Angebot bei steigender Nachfrage sprechen für eine Erholung. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Erholung für einige Entwickler zu langsam kommen wird.
Kapital ist vorhanden und wird auch wieder den Weg zur Immobilie finden. Bis sich die Schnittmengen zwischen Verkäufer und Käufer wieder vergrößern, wird es allerdings noch etwas dauern.