„Die Entwicklung von Büro- und Gewerbeprojekten ist im Hinblick auf die aktuellen Baupreise und Zinsen herausfordernd – eine wirtschaftliche Umsetzung nicht gerade einfach“, erklärt Michaela Koban, Leiterin der ARE Projektentwicklung: „Hinzu kommt unser Anspruch, architektonisch hochwertige und nachhaltige Projekte zu entwickeln sowie unseren Bestand aufzuwerten und klimafit zu machen.“ Der Einsatz ressourcenschonender Materialien und die Umsetzung möglichst klimaneutraler Energiesysteme ist „Grundlage jedes unserer Projekte, wie das VIENNA TWENTYTWO und das VILLAGE IM DRITTEN“.
Hausgemachte Probleme
Die Projektentwickler sind bemüht, beste Arbeit abzuliefern, aber die Probleme ergeben sich insbesondere durch die erhöhten Baukosten sowie durch die Rahmenbedingungen, geprägt durch die Faktoren Inflation, Zinsen und Energiekosten. „Die hohen Zinsen und Baukosten sind in Wahrheit nur noch das Tüpfelchen auf dem i“, meint Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher WKO. Das grundlegende Problem sind die fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Ein Teil der Probleme ist hausgemacht, wie Ulreich kritisiert: „Die Rechtslage ist so unüberschaubar, die Verfahrensdauer so elendslang geworden, dass Beamte und Entwickler quasi jedes Mal vor einem Puzzle mit einer Million Teile sitzen, und am Ende kommt man drauf, dass das letzte Stück fehlt.“
Langwierige Behördenverfahren
Langwierige Behördenverfahren führen immer wieder dazu, dass Projekte selbst infrage gestellt werden müssen, da die Entwickler und auch teilweise die Investoren nicht immer einen ausreichend langen Atem haben, um die komplexen Verwaltungsverfahren durchzuhalten. Überbordende Normen tragen ihr Übriges bei. „Wir benötigen eine Vereinfachung und eine Beschleunigung der Verfahren“, meint Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult und Mastermind des Stadtquartiers TwentyOne.
"Die Bürokratie erschlägt uns"
„Ganz generell erschlägt uns die Bürokratie“, bringt es Sebastian Beiglböck Geschäftsführer der Vereinigung österreichischer Projektentwickler (VÖPE), auf den Punkt: „Um Klimaeffizienz und Lifecycle-Management zu fördern, brauchen wir mehr Technologieoffenheit und mehr Freiheiten, die man uns aber nicht zugestehen will.“ Beispielsweise werde bei Büro- und Gewerbeprojekten noch viel zu stark zwischen Wohnen und Arbeiten getrennt. „Die meisten betrieblichen Nutzungen sind heutzutage absolut mischfähig“, so Sebastian Beiglböck: „Wir müssen endlich lernen, in durchmischten, lebendigen Quartieren zu denken.“ Dass das funktionieren kann, zeigt die Seestadt Aspern. In enger Kooperation mit der Stadt Wien werden die städtebauliche Planung, die Flächenwidmung und die infrastrukturelle Erschließung vorangetrieben.
Wünsche an die Politik
Anton Bondis Wunsch als Developer an die Politik ist, „dass vor der Beschlussfassung neuer Gesetze oder Verordnungen auch ein Praktibilitätscheck gemacht wird“. Der Erfolg von vielen, an sich gut gemeinten Regelungen wird oftmals infrage gestellt, weil die praktische Umsetzung der neuen Bestimmungen zu kostspielig und/oder zu umständlich ist. „Es ist wichtig, dass alle betroffenen Bereiche vorweg eingeladen und die praktischen Auswirkungen diskutiert werden“, mahnt Anton Bondi ein, bestätigt aber auch: „Diese Situation verbessert sich immer mehr, zum Beispiel durch die Einbindung der VÖPE als Interessenvertreterin der Entwickler. Das ist aber noch sehr ausbaufähig.“
Bezug zur Praxis
„Die meisten Architekten sind stets bemüht, neue Entwicklungen zu antizipieren, einzubauen und auch umzusetzen“, meint Bondi über die Zusammenarbeit. Auch wenn es ihm „Spaß macht“, sich mit den neuen Ideen und Herausforderungen zu beschäftigen, so stellen sie bei wirtschaftlichen Entscheidungen doch einen wesentlichen Gegenpart für den Investor dar. Der CEO von Bondi Consult würde sich mehr Sensibilität für die Kosten und die Relevanz von einzelnen Maßnahmen wünschen. Es muss bei allen technischen Möglichkeiten auch immer der Praxisbezug, insbesondere die Sinnhaftigkeit von technischen Neuerungen (Kundennutzen in Relation zu den Kosten), beachtet werden: „Gerade in der derzeitigen Situation der steigenden Zinsen und Kosten werden solche Themen wieder deutlich wichtiger und entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg von Projekten.“
Eckdaten bei Beginn des Projektes fixieren
Dass sich aber auch bei den Projektentwicklern etwas ändern muss, davon ist Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer der DELTA Gruppe, überzeugt: „Es kommen immer wieder Projektentwickler, die ein Projekt so kalkuliert haben, dass es sehr knapp ist und sich bei etwaigen auftauchenden Problemen gar nicht ausgehen kann.“ Seiner Meinung nach müssen zu Beginn eines Projekts die Eckdaten fixiert werden, und dann sollte ein Gutachten erstellt werden, ob „dieses Projekt in dieser Qualität und zu diesen Kosten umsetzbar ist“. Projekte zu starten, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie auch funktionieren, „das kann nicht sein“. Und noch ein Aspekt ist für den DELTA-Chef wesentlich: „Eine partnerschaftlichen Projektkultur ist eine wichtige Grundlage für lebenszyklusoptimierte Projekte.“
Baustarts verschoben
Die aktuellen Umstände veranlassen viele Bauträger dazu, geplante Baustarts bis auf Weiteres zu verschieben. Darunter auch die BUWOG Group, erklärt Geschäftsführer Andreas Holler: „Im Moment richten wir im Development unsere ganze Energie auf die noch fertigzustellenden Projekte.“ Daneben wird aber auch daran gearbeitet, geplante Entwicklungsprojekte baureif zu machen, um sofort bauen zu können, wenn sich die Lage etwas entspannt. Hans Jörg Ulreich ist überzeugt, dass es „wohl nur im Luxussegment keine großen Änderungen beziehungsweise Stillstände geben wird.“ Ein Beispiel dafür ist die Luxusimmobilie „The Shore“ von WK-Development, die im zweiten Quartal fertiggestellt wurde. Sie umfasst zehn Stadtvillen mit Premium-Eigentumswohnungen und eigenem Privatstrand sowie einen umfangreichen Fitness- und Wellnessbereich und verfügt über einen Concierge-Service, hochklassige Ausstattungselemente und smarte Technologien.
Taxonomiegerechten Gebäude
Was uns in den kommenden Jahren hauptsächlich begleiten wird, sind Refurbishments. „Eine Sanierungsrate von derzeit knapp über ein Prozent in Österreich und Deutschland zeigt das enorme Potenzial, das wir hier haben“, sagt Andreas Köttl, CEO von value one. „Die ‚grüne Wiese‘ ist out, Projektentwickler suchen versiegelte Flächen“, bestätigt auch Peter Engert, Geschäftsführer der ÖGNI. Versiegelte Flächen für neue Projektentwicklungen zu nutzen, bedingt neue Herausforderungen: „Es geht um Wiederverwendung, um Sanierung, um Aufstockung, Verdichtung, Überbauung und vieles andere.“ Allerdings seien weder die österreichischen Projektentwickler noch die österreichische Bauwirtschaft auf diese Herausforderungen vorbereitet. „Es ist ein Markt, der sich erst entwickeln muss“, blickt Engert in die Zukunft. Muss ist wohl der richtige Ausdruck, denn ein Gewerbeobjekt, das nicht den Anforderungen der Taxonomie entspricht, wird in nächster Zeit seine Mieter verlieren. Neue Projekte werden nur vermietbar sein, wenn gutachterlich bestätigt ist, dass die Taxonomie-Vorgaben erfüllt sind. Kein Unternehmen kann es sich leisten, einen „roten Punkt“ im ESG-Bericht vorzuweisen, nur weil es in einem nicht taxonomiegerechten Gebäude eingemietet ist. Daher ist die Sanierung von Gewerbeimmobilien unumgänglich, aber zu klären ist, so Peter Engert: „Wer macht es und wer finanziert es? Offene Fragen, die in den nächsten Monaten gelöst werden müssen.“
Die Zukunft gehört der Zusammenarbeit
Die Zukunft liegt für Wolfgang Kradischnig in einer engeren und besseren Zusammenarbeit „aller Projektbeteiligten auf Augenhöhe. Anders wird es nicht funktionieren.“ Auch Walter Hammertinger, Chief Development Officer von value one, bestätigt: „Es beginnt eine neue Ära, in der es weniger Einzelkämpfer geben wird – stattdessen wird es mehr um starke Partnerschaften gehen.“ Krisen sind immer auch Chancen zur Fokussierung und für neue Geschäftsfelder: „In den letzten zehn Jahre war es als Entwickler fast nicht möglich, kein Geld zu verdienen, heute braucht es mehr denn je Erfahrung, Gespür für die Zielgruppe und die Gabe, sich mit außergewöhnlichen Immobilien vom Rest abzuheben.“