Am 9. August ist die Österreich-Premiere Ihrer Oper „El Juez“ mit José Carreras im Festspielhaus Erl in Tirol.
Kolonovits: Es ist ein fantastisches Opernhaus. Besonders in akustischer Hinsicht ist es eines der bemerkenswertesten Häuser, die ich kenne. Ich freue mich sehr auf die Österreich-Premiere, wobei die Uraufführung ja bereits am 26. April in Bilbao stattgefunden hat.
Bis dahin war es aber ein langer Weg.
Kolonovits: Ja, nachdem wir das Thema für die Oper gefunden hatten, hat sich die Möglichkeit aufgetan, mich bei einem befreundeten Musiker in Venedig einzumieten. Ich habe dann auf der kleinen Insel Giudecca in einer Dachwohnung in völliger Isolation zwei Monate lang komponiert. So ein Werk ist immer auch eine Reise nach innen. Vom ersten Lesen des Librettos bis zur fertigen Partitur ist es ein langer, beschwerlicher, aber auch ein faszinierender Weg. Für mich ist es wichtig, mich in jeder Phase dieser Arbeit wiederzufinden und zu spüren.
In Venedig entstand nur der Anfang der Oper. Es hat dann letztendlich noch zwei Jahre gedauert, bis sie fertig war.
Warum?
Kolonovits: So ein Werk braucht Zeit zum Wachsen. Vor der eigentlichen kompositorischen Arbeit erfolgt die Stilfindung. Dabei stehen musikdramaturgische, ästhetische, aber auch formale Fragen im Mittelpunkt. Eine zusätzliche Verzögerung entstand durch die Übersetzung ins Spanische. Ich habe natürlich zum deutschen Text komponiert, musste aber nach der Übersetzung ins Spanische melodisch noch sehr viel verändern.
Warum haben Sie Venedig gewählt?
Kolonovits: Venedig ist eine Stadt, in der ich mich sehr gern aufhalte. Altes immer wieder neu zu entdecken, ist eine meiner großen Leidenschaften. Aber auch ein neues Venedig konnte ich kennenlernen: Auf Giudecca leben sehr viele junge Künstler, die mich in ein modernes, heutiges Venedig eingeführt haben. Es war der richtige Rückzugsort.
Gibt es noch eine andere Stadt, die Sie besonders fasziniert bzw. fasziniert hat?
Kolonovits: New York, keine Frage. Aber meine Lieblingsstadt ist Rom. Ich habe als Fünfjähriger ein halbes Jahr im Vatikan bei meinem Onkel gelebt, der dort Priester war. Er war Chorleiter der Musica Saar, hat mich damals musikalisch unter seine Fittiche genommen und mir die römische Kultur nahegebracht. Diese frühkindliche Prägung verbindet mich bis heute auf magische Art mit der Ewigen Stadt. Roms Architektur ist immer wieder eine faszinierende Zeitreise … die Via Appia bei einem Sonnenuntergang in Richtung Ostia hinauszufahren, ist paradiesisch!
Als Zweitwohnsitz haben Sie aber dann doch Lilienfeld gewählt.
Kolonovits: Es ist nicht ganz Lilienfeld, es ist Rotheau. Ich habe dort seit Mitte der 70er-Jahre einen Bauernhof.
Wie sind Sie zu dem gekommen?
Kolonovits: Ich komme ja eigentlich aus dem Burgenland, aber Mitte der 70er wollte ich möglichst weit weg von meinem Elternhaus und doch möglichst nahe bei Wien wohnen. Meine damalige Freundin hatte mir die Zeitung „Der Bauernbündler“ in die Hand gedrückt. Darin gab es jede Menge Angebote von Häusern, die man sich leisten konnte. 1976 hatte ich meinen ersten musikalischen Hit „Hollywood“ mit Waterloo und Robinson, und mit dem Geld aus den Tantiemen habe ich mir das Haus gekauft. Der Kauf hätte mich damals fast in den finanziellen Ruin getrieben. – Heute freue ich mich über ein wunderschönes Refugium.
Auch wenn Sie es nicht immer bewohnt haben.
Kolonovits: Ja, in den 80er-Jahren war ich sieben Jahre nicht in Österreich. Aber gerade während meiner langen Auslandsaufenthalte habe ich dieses Haus immer als Heimat empfunden. Ich hätte früher nie geglaubt, wie sehr man mit einem Haus oder einem Stück Land verbunden sein kann. In die Natur eintauchen zu könne, ist für mich ein großes Stück Freiheit.
Diese Freiheit lässt einen dann auch angstfrei und kreativ werden. Wenn ich also wirklich kreativ arbeiten will, fahre ich zu meinem Landhaus.
Ihr Studio haben Sie aber in Wien?
Kolonovits: Ja, mein Studio habe ich hier im Haus. Nach all den Jahren im Musikbusiness wollte ich mir ein Studio bauen, das meinen Bedürfnissen gerecht wird. Außerdem wollte ich eine Arbeitsmöglichkeit, die mir Tag und Nacht zur Verfügung steht. Es entstand ein „Arbeitsraum“ ganz nach meinen Vorstellungen. So gibt es in meinem Studio keinen einzigen rechten Winkel, um direkte Reflexionen zu vermeiden. Auch Boden und Decke haben eine Neigung von vier Grad, um die Räume akustisch neutral zu halten. Trotz des enormen Bauaufwands habe ich den Luxus eines eigenen Studios nie bereut.
Können Sie sich an eine außergewöhnliche Immobilie erinnern, die Sie in Ihrem Leben bewohnt haben?
Kolonovits: Ja. Ich habe mit meiner Band „Einstein“ 1977 zwei Monate lang in Los Angeles am Mulholland Drive gewohnt. In einer unglaublichen Villa aus den 40er-Jahren mit Indoor-Swimming-Pool, Butler und japanischem Koch. Das hat mich damals als 25-Jährigen schon sehr fasziniert. Die Villa wurde uns von einem deutschen Sponsor bezahlt, der damals die Rolling Stones noch einmal erfinden wollte.
Und eine exotische arabische Suite im Waldorf Astoria habe ich unter anderem auch noch in Erinnerung.
Die schrecklichste Erinnerung?
Kolonovits: Ich war 1990 von den Berliner Philharmonikern eingeladen, bei der Weltausstellung in Hannover zu dirigieren. Für die Proben in Berlin hatte man mich aus Versehen in ein schäbiges Ostberliner Hotel einquartiert, der Mauerfall war ja erst ein Jahr her. Ich hatte ein altes, 70 Zentimeter breites Bett, in dem ich natürlich nicht einschlafen konnte. Um drei Uhr in der Nacht bin ich ausgezogen, habe mir ein Taxi genommen und bin ins Hotel Vier Jahreszeiten übersiedelt. So konnte ich bis zum Probenbeginn um neun Uhr früh noch gemütlich dösen.
Ich habe auch schon mit Skorpionen und Vogelspinnen in irgendwelchen Hütten in Guatemala und Mexiko übernachtet. Wenn man mit der Natur lebt, empfinde ich das als vollkommen normal. Wenn ich aber eine perfekte Arbeit abliefern muss oder in Sachen Musik unterwegs bin, dann brauche ich auch ein entsprechendes Umfeld, und da gehört komfortables Wohnen dazu. Ein 70 Zentimeter breites Bett geht dann gar nicht.