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Mit Maß und Ziel. „Wenn man alles perfekt regeln will, dann regelt man alles zu Tode.“

Gesetze und Verordnungen des Staates führen mittlerweile oft nicht mehr zu dem gewünschten Effekt, sondern sogar zum Gegenteil. David Christian Bauer, Spezialist für Prozessführung und Regulierungsrecht sowie Partner bei DLA Piper Weiss-Tessbach, plädiert daher für Gesetze mit Maß und Ziel und mehr Selbstverantwortung.

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Was zeichnet einen Rechtsstaat aus wirtschaftlicher Sicht aus?

Bauer: Im Prinzip ist die Rechtsstaatlichkeit an zwei Faktoren geknüpft. Erstens an das Legalitätsprinzip. Jeder Verwaltungsakt, der gesetzt wird, muss durch ein Gesetz gedeckt und somit vorhersehbar sein. Das zweite Element ist die Gewaltenteilung. Diese beiden Faktoren und das Eigentumsrecht sind ganz zentrale Prinzipien für die wirtschaftliche Freiheit. Unter diesen sehr groben Rahmenbedingungen ist das Gesamtverhältnis der wirtschaftlichen Aktivitäten zu sehen.

Wir haben aber in Österreich das Problem der Überregulierung.

Bauer: Es gibt einen Tipping-Point, ab dem eine Überfülle an Gesetzen und Detailregulierungen beginnt, die rechtsstaatlichen Grundprinzipien auszuhebeln. Aus diesem Blickwinkel ist unser heutiger aufgeblähter Gesetzes- und Verordnungsstaat kritisch zu hinterfragen. In Wahrheit steht durch die Fülle an Gesetzen und Vorschriften, die man beachten muss, die Rechtsstaatlichkeit, so wie wir sie haben, auf zerbrechlichen Füßen. Sie steht, aber man muss aufpassen.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Überregulierung?

Bauer: Die Gefahr, dass Gesetze und Verordnungen anderen Gesetzen widersprechen, wird immer größer, je mehr Regulierung es gibt. Wir haben in vielen Bereichen den Zustand erreicht, dass Änderungen an den Regelungen die Probleme vielleicht prima facie lösen, aber gleichzeitig auch verlagern oder neue Probleme schaffen. Es ist kaum mehr möglich, neue Gesetze zu machen, ohne eine Rückstoßwirkung zu haben, bei der die Gesetze unerwünschte andere Folgen auslösen.

Im Finanzmarkt zum Beispiel haben wir im aufsichtsrechtlichen Bereich Meldepflichten, die so umfassend sind und dermaßen viel Datenmaterial produzieren, dass man diese inhaltlich nicht mehr aufarbeiten kann. Das geht so weit, dass es zahlreiche Fallen gibt, die zu ungewollten Gesetzesverletzungen führen. Steuergesetze sind eine andere besonders heikle Größe in diesem Zusammenhang.

Wir haben mittlerweile in so vielen Bereichen Haftungen konstruiert, dass jede Entscheidung massive Haftungsfragen nach sich zieht. Daher ist es immer schwieriger, jemanden zu finden, der bereit ist, Entscheidungen zu fällen. Wenn es überall Regeln gibt, die man verletzen könnte – und das kann leicht passieren, da viele Regeln einander widersprechen –, dann führt das zu einem wirtschaftlichen Stillstand. Das sollte uns zu denken geben.

Eine ähnliche Situation haben wir auch bei Steuern und im Finanzmarktbereich. Der Staat muss dafür sorgen, dass wir saubere Steuergesetze haben. Wenn man aber ständig die Vorschriften verschärft, indem Transparenzregister geschaffen werden oder die Geldwäschevorschriften so streng sind, dass Geldüberweisungen im normalen Wirtschaftsverkehr erschwert werden und damit ein Konflikt mit der Kapitalverkehrsfreiheit entsteht, dann wird ein Land als Wirtschaftsstandort uninteressant. Das Kapital wird in andere Märkte abwandern.

Das Ganze entsteht aus einem falsch verstandenen Ansatz der Politik.

Inwiefern?

Bauer: Es gibt von politischer Seite die Fantasie, dass man mit Gesetzen die ideale Welt schaffen kann. Aber das stimmt nicht. Die Welt können wir dadurch nicht perfekt machen, und daher sollten wir andere Wege einschlagen.

Wie ließe sich die Situation verbessern?

Bauer: Die Gesetze sind in vielen Bereichen ein Dschungel geworden, und man müsste sie eigentlich herunterschrauben und kürzen und sie wieder auf die oben genannten Grundprinzipien zurückführen. Es müsste etwa eine Stelle geben, die darauf achtet, dass die Gesetze schlanker, übersichtlicher und auf das Wesentliche fokussiert sind.

In der öffentlichen Diskussion könnte man realistischerweise etwa Grundsatzthemen wie Freiheit und Eigentumsschutz im Rahmen der Berichterstattung stärker in den Vordergrund rücken.

Wir haben Neuregelungen, die im engen Anwendungsbereich sinnvoll sind und auch entsprechend gutgeheißen werden, aber die Rückstoßwirkungen werden ausgeblendet und medial nicht thematisiert.

Man müsste mit mehr Maß und Ziel an die Gesetzgebung herangehen, und wir müssen auch lernen, einen gesunden Mut zur Lücke zu haben. Man sollte einen gewissen Raum lassen für Graubereiche, die wir in Kauf nehmen müssen, um das Funktionieren des Ganzen zu gewährleisten. Die Angst davor lähmt uns insgesamt.

Aber dieser Graubereich könnte auch falsch genutzt werden.

Bauer: Da haben Sie natürlich recht, aber das muss – meiner Meinung nach – eine Gesellschaft aushalten. Es wird immer vorkommen, dass manche das in einer Form ausnützen, die nicht ideal ist. Es würde aber auch dazu führen, dass wir mehr Selbstverantwortung wahrnehmen müssen. Das würde auch insgesamt zu einer gesünderen Wirtschaftsstruktur führen.

Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Ich glaube, strengere Vorschriften, nämlich noch detailliertere, hätten diese Situation rund um die Commerzialbank nicht verhindert. Wäre in diesem Fall genauer geprüft worden, dann würde man keine Zusatzregelungen benötigen. Ein Problem in diesem Fall war auch die Struktur der Bank. Die Commerzialbank steht zu 79 Prozent im Eigentum einer Kreditgenossenschaft. Der einzelne Genossenschafter hat keine Überprüfungsmöglichkeit, und damit fehlt ein gewisser Aspekt der Kontrolle. So bildete sich ein Klüngel aus Vertretern der Genossenschaft und der Bankvertreter.

Ein anderes Thema, bei dem wir uns eigentlich auch von Gesetzen entfernen, ist das Soft Law.

Bauer: Was wir als Soft Law bezeichnen, ist aus meiner Sicht eine sehr gefährliche Tendenz. Soft Law sind unter anderem Empfehlungen, manche Compliance-Regelungen oder Erlässe, die beispielsweise von internationalen Organisationen kommen. Das sind keine Verordnungen oder Gesetze, die durch einen demokratischen Prozess zustande kommen. Trotzdem werden diese Vorschläge dann als Maß der Dinge herangezogen – und man kann diese Normen auch nicht demokratisch abändern. 

Wie haben die vergangenen Monate den Rechtsstaat verändert?

Bauer: Es ist schon sehr bedauerlich, dass die Qualität der Gesetzgebung in dieser Zeit offensichtlich besonders schlecht war. Das ist aber ein Ausdruck dieser grundlegenden wirtschaftlichen und rechtlichen Tendenz, die ich angesprochen habe. Je mehr wir die Dinge zentralisieren, um etwas Gutes zu erreichen, desto mehr beschneiden wir die eigentlichen Freiheitsrechte und unsere Eigenverantwortung. Desto mehr erziehen wir uns alle selbst als Gesellschaft zu einem Abhängigkeitsverhältnis. Der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft wird immer größer.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Bauer: Im Immobilienbereich sieht man diese Entwicklung sehr gut. Die Banken sind eigentlich Risikoträger, und diese Möglichkeit wurde ihnen immer mehr genommen (Basel III). Die Corona-Maßnahmen führen dazu, dass die Banken ihre Kreditrichtlinien verschärfen. Zahlreiche Kreditnehmer können aber nicht mitziehen, und die Immobilien wandern an die Banken. Diese müssen die Immobilien verwerten, und damit kommt es einerseits zu Insolvenzen, und darunter leiden alle, die auch in diesem Umfeld gearbeitet haben. Andererseits gerät der Wert von Immobilien unter Druck, was zu einem weiteren Effekt der wirtschaftlichen Negativspirale führt. Dazu kommen problematische indirekte Staatsfinanzierungen und künstlich niedrige Zinsen.

Diese Situation übertünchen wir jetzt eine Zeit lang, weil wir die Insolvenzantragsfristen verlängert haben, aber so wie bei allen Blasen wird es schlimmer, je länger das hinausgezögert wird.

Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass sehr starre Regeln, die für einen konkreten Fall geschaffen wurden, für ein Szenario wie dieses überhaupt nicht geeignet sind. Die Regulierung ist zu starr und detailliert und führt jetzt zu unerwünschten Folgen. Dann ist Sand im Getriebe. Mit diesen überbordenden Regulierungs- und Verbotsmaßnahmen tun wir uns allen nichts Gutes.

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  • Erschienen am:
    12.11.2020
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