Wissenschaftliche Berater und Gutachter der deutschen Bundesregierung plädieren dafür, die Wohnungsbaupolitik drastisch zu verändern und von den Zielen im Koalitionsvertrag abzurücken. „Der soziale Wohnungsbau sollte zurückgefahren werden“, schreibt der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums laut ZEIT ONLINE. Besonders heftig in der Kritik stehen „die staatliche Förderung“, die Mietpreisbremse und Sozialwohnungen, da in der Regel nur ein einziges Mal das Einkommen der Menschen geprüft wird, die eine Sozialwohnung beziehen wollen.
Staatliche Förderungsmaßnahmen nach Bedürftigkeit
„Wir halten die staatliche Förderung von Baumaßnahmen insgesamt für falsch“, erklärt Ökonom Friedrich Breyer, federführender Autor des Gutachtens und Professor an der Universität Konstanz. Der Vorschlag: Das Wohngeld sollte nach Bedürftigkeit subventioniert werden, und wenn diese nicht mehr besteht, sollten die Zahlungen eingeschränkt oder eingestellt werden.
Mietpreisbremse wirkungslos, ersatzlos streichen
Weiters empfiehlt der Beirat auch, dass die „weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse ersatzlos gestrichen werden sollte“. Diese habe ihre preisdämpfende Wirkung kaum entfaltet. Tatsache ist, dass die wenigen Profiteure dieser gesetzlichen Regelung vor allem in der Gruppe „Doppelverdiener ohne Kinder“ zu finden sind. Die Mietpreisbremse in Deutschland nützt also vor allem Besserverdienenden, die sich kein Eigentum zulegen. Der Grund ist einfach, erklärt Georg Edlauer, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKO: „Gute Wohnungen ,verschwanden‘ vom Markt und wurden nicht mehr über Makler angeboten, sondern ,privat‘ weitergegeben, und in den seltenen Fällen, in denen begehrte Wohnungen aufgrund der Mietpreisbremse günstig angeboten wurden, konnten die Vermieter unter noch mehr Interessenten auswählen.“ Das Ergebnis: Den Zuschlag erhielten dann meist die Bewerber mit hohen, sicheren Einkommen. Die Knappheit an Wohnraum in Ballungsgebieten hat sich letztendlich dadurch noch weiter verstärkt, denn zu einem regulierten Mietpreis sind die Wohnungs- und Hausbesitzer weniger bereit, ihre Immobilie zu vermieten.
Sinkende Anreize neue Wohnungen zu bauen
Der Ökonom Friedrich Breyer, federführender Autor des Gutachtens und Professor an der Universität Konstanz, führt noch ein weiteres Argument an. „Würde die Mietpreisbremse wirken, sänken damit auch die Anreize, neue Wohnungen zu bauen“, sagt Breyer in der ZEIT ONLINE. Die Regelung gelte zwar nicht für Erstvermietungen, aber sobald der Mieter wechsle, trete sie sofort in Kraft. Potenzielle Käufer von Vorsorgewohnungen müssen daher mit einer niedrigeren Rendite rechnen, und das hält viele davon ab, sich in einem Vorsorgemodell zu engagieren.
Das deutsche Gutachten deckt sich mit WKO-Empfehlungen
„Der Inhalt dieses Gutachtens deckt sich vollkommen mit jenen Empfehlungen, die wir in Expertengesprächen der letzten Jahre den politischen Vertretern gegeben haben“, meint Fachverbandsobmann Edlauer: „Dazu kommen noch österreichspezifische Probleme wie „Mietadel“, überbordender Kündigungsschutz und überschießende Bauvorschriften, die im gleichen Zuge bereinigt werden müssen.“
Gutachten von Politik nicht akzeptiert
Die deutsche Politik reagiert aber ähnlich wie in Österreich und den Argumenten der Ökonomen wird mit Argwohn begegnet. Für die Sozialdemokraten im Bundestag sind die Ergebnisse des Gutachtens nicht akzeptabel. Bernhard Daldrup, wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion, sagt: „Wenn man sich dieses Gutachten durchliest, hat man den Eindruck, wir würden uns in einem politökonomischen Labor befinden.“ Die Modelle mögen für ein Grundseminar in Volkswirtschaft interessant sein, aber die Wirklichkeit werde hier nicht abgebildet.
Um die Probleme in den Griff zu bekommen, werden vonseiten der Regierung Milliardenbeträge für den sozialen Wohnungsbau und Milliardenbeträge zur Anregung des privaten Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt. Mit rund 1,5 Millionen neuen Wohnungen hat sich die Koalition ein ambitioniertes Ziel gesetzt.