Das Jahr 2024? „Harte Zeiten für den Immobilienmarkt – ein Mordskater nach einer langen Party“, fasst Gerald Beck, Geschäftsführer von ARE/BIG, die vergangenen zwölf Monate zusammen. Abgesehen von einer kleinen Kerbe 2000 bis 2002 hatte es viele Jahre steigende bis explodierende Preise gegeben. Man konnte nichts falsch machen, und das Geld war geschenkt. Dann kam relativ rasch die Ernüchterung, und trotz des zu erwartenden Endes wurden zahlreiche Marktteilnehmer – vor allem Bauträger – auf dem falschen Fuß erwischt beziehungsweise hatten sich verkalkuliert. Dem Vernehmen nach betraf und betrifft das auch einige langjährige Marktteilnehmer, die sich von der Dynamik der stets steigenden Preise mitreißen ließen. „Wenn eine Marktentwicklung zu lange dauert, dann verlernen die Leute ihr Handwerk“, meint Thomas Rohr, Geschäftsführer von IMMOROHR Immobilien. Der Absturz war hart, und die Talsohle ist größer als angenommen. Wer erwartet hat, wir würden 2024 bereits wieder im Aufschwung sein, wurde enttäuscht. So meint Gerald Beck auf die Frage, was ihn 2024 überrascht habe: „dass es eine anhaltende Durststrecke gab und erst jetzt zarte Anzeichen einer Erholung sichtbar werden“. Ähnlich sieht es Johannes Endl, Vorstand der ÖRAG: „Ich habe mit einer rascheren Marktbereinigung gerechnet.“
Unrentable Geschäftsmodelle
Viele Geschäftsmodelle sind mit den Zinsanstiegen 2022 und 2023 unrentabel geworden, was schmerzhafte Anpassungsprozesse erfordert. Michael Schmidt, Geschäftsführer von 3SI, über das Geschäft der Projektentwickler: „Ich habe mit einem schnelleren Rückgang der Baukosten gerechnet. Zwar gibt es leichte Entspannungen, aber die hohen Baukosten sind nach wie vor eine Herausforderung für die gesamte Branche.“ Es ist zu befürchten, dass es auch 2025 noch einige Insolvenzen geben wird. Das werden aber vielleicht nur noch die Ausläufer sein, denn Peter Weinberger, Sprecher Raiffeisen Immobilien Österreich, sieht „die Talsohle bereits durchschritten“.
Herausforderung und Opportunitäten
„Was für die einen eine Herausforderung oder Schwierigkeit ist, bietet den anderen aber wiederum neue Möglichkeiten und Opportunitäten“, meint Johannes Endl. Die passenden Begriffspaare für 2024 sind seiner Meinung nach „Wandel und Anpassung, aber auch Schwierigkeit und Chance“. Unabhängig vom Marktgeschehen war für den ÖRAG-Vorstand die größte Herausforderung, „sich nicht in den Strudel aus schlechten Nachrichten ziehen zu lassen, Chancen und Lösungen eher zu sehen als nur Probleme. Das war 2024 nicht immer einfach.“ Trotz der Turbulenzen war aber erstaunlich, dass sich einige Assetklassen resilient gezeigt haben und „dass doch vieles besser gelaufen ist, als angesichts der Nachrichtenlage zu erwarten war“. Der Bereich hochwertiger Gewerbeimmobilien – besonders im Bürosegment – lief beispielsweise deutlich besser als erwartet. So auch der Wohnungsmarkt. Michael Schmidt von 3SI hat die anhaltend hohe Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum positiv überrascht: „Trotz eines volatilen Umfelds und wirtschaftlicher Herausforderungen zeigt der Markt deutlich, dass Käufer bereit sind, für Qualität, Lage und nachhaltige Konzepte zu investieren.“
Mehr Käufe bei Wohnimmobilien
„Die EigenutzerInnen zeigen sich wieder in Kauflaune“, stellt Martina Hirsch, Geschäftsführerin von s REAL, fest. Diese Entwicklung hat mit einem Gewöhnungseffekt zu tun – einerseits haben die Suchenden die höheren Zinsen akzeptiert, andererseits zeigt sich immer klarer, dass die Preise nicht mehr sinken werden. Dass eine Verknappung auf dem Markt bevorsteht, wird immer mehr Menschen bewusst, und es gibt seit dem Herbst 2024 nicht nur eine gestiegene Nachfrage, sondern auch tatsächlich mehr Verkäufe. „Die Schockstarre nach den rasch gestiegenen Zinsen hat sich mittlerweile gelöst“, so Martina Hirsch. Die Nachfrage nach Wohnfläche besteht aber nicht nur beim Neubau. „Der Markt für gebrauchte Immobilien hat sich schneller an die geänderten Rahmenbedingungen angepasst als erwartet. Gebrauchte Immobilien sind ziemlich rasch günstiger geworden und werden daher auch wieder nachgefragt“, erklärt Peter Weinberger.
Entwicklung in Europa
Nicht nur in Österreich, sondern auch in der Europäischen Union zeigen die Investmentmärkte laut der aktuellen Marktanalyse von Arnold Immobilien „ermutigende Anzeichen einer Bodenbildung“. Das Transaktionsvolumen verharrte im dritten Quartal 2024 bei rund 27 Milliarden Euro, womit sich der in den letzten beiden Vorquartalen bereits bemerkbare Trend der Stabilisierung fortgesetzt hat. In den ersten drei Quartalen wurden insgesamt 84 Milliarden Euro an Transaktionsvolumen registriert. „Dies entspricht zwar einem leichten Minus von drei Prozent year-over-year, kann aber dennoch als Stabilisierung interpretiert werden“, meint Markus Arnold, CEO von Arnold Immobilien. Während es in der Immobilienwirtschaft Lichtblicke gab, verdunkelte sich freilich die wirtschaftliche Situation. Johannes Endl bleibt optimistisch: „Es braucht Zuversicht und eine positive Einstellung, um Dinge zu bewegen. 2024 hat das – zum Glück – oft funktioniert. Daran versuche ich mich zu halten.“