Hitzerekorde belasten die Menschen in der Stadt, und Grüninseln schaffen natürliche Abhilfe. So heißt es beim Verband für Bauwerksbegrünung, und Sprecherin Vera Enzi konkretisiert: „Gefühlte 13 Grad weniger können in einem Straßenzug mit grünen Fassaden erzielt werden.“ Grün am Dach könne im Inneren darunter die Temperatur um vier Grad senken. In einem Bericht der Forschungsgruppe „Grünstadtklima“ wird der Kühleffekt umgerechnet: Eine Grünfassade mit rund 850 Quadratmetern Fläche entspricht an einem heißen Sommertag in etwa der Kühlleistung von 75 Klimageräten mit 3.000 Watt Leistung und acht Stunden Betriebsdauer.
Favoriten bekommt Stadtgrün
Just als die Temperatur in Wien auf gefühlten 40 Grad ankam, war hier die Umsetzung des Strategieplans zur Bekämpfung von Hitzeinseln angekündigt worden. Vorgesehen ist, bis 2022 den dafür geeigneten Bestand an Gebäuden zu 20 Prozent zu begrünen. Für Innerfavoriten gibt es konkrete Pläne für 50 Häuser. Der Verein „Grünstattgrau“ wiederum lädt Bauherren ein, sich mit Systemen zur Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung zu beschäftigen. Ein begrünter Container namens MUGLI wird dazu auf Österreichreise geschickt. Die „Roadshow“ wird in St. Pölten, Linz, Graz, Salzburg und Feldkirch zu sehen sein. Aktuell ist sie am Wiener Hauptbahnhof. Hier kann man zum Beispiel erfragen, wie Regenwassernutzung mittels grüner Fassade geht.
Auch der Förderdschungel blüht
Die Stadt Graz hat gehandelt und letztes Jahr eine Förderung für grüne Fassaden und Dächer beschlossen. 40.000 Euro an Fördergeldern kann es pro Projekt geben. Bei zehn Euro pro Quadratmeter braucht es dazu aber viel Grün. Was es noch braucht, sind behördliche Zulassungen und fristgerechte Genehmigungen sowie technische Nachweise von Fachleuten. Förderbar sind Wohnhäuser im Stadtgebiet mit mehr als fünf Wohneinheiten und einer begrünten Fassade. Die Fassade muss allerdings aus dem öffentlichen Nahraum einsehbar und mindestens 50 Quadratmeter groß sein sowie zu 40 Prozent oder mehr begrünt werden. In Linz sind es bis zu 7.500 Euro, die für Investitionen ins Grün am Gebäude in Aussicht gestellt werden, und in Wien bis zu 2.200 Euro.
Dem Klima trotzen
Eine Studie im Auftrag des Klima- und Energiefonds unter Beteiligung der ZAMG zur „Zukunft der urbanen Hitze“ lässt erkennen, dass Handlungsbedarf da ist. Mittels Stadtklimamodell wird aufzeigt, dass Wien langfristig eine einzige Hitzeinsel mit mehr als 90 heißen Tagen im Jahr werden könnte. Auskunft über allzu viel oder lieber weniger Sonnenexposition für alle Standorte in Österreich bekommen Projektbetreiber und Planer zum Beispiel beim Wetterdienst MetGIS. „Wir rechnen standortgenau nicht nur die Sonnenscheindauer, sondern auch die Beschattung durch Topografie aus“, sagt Gerald Spreitzhofer, Geschäftsführer und Gründer der MetGIS GmbH, eines Spin-offs der Uni Wien.
Mikroklima o.k.
„Grüne Projekte“ gewinnen durch Hitzeperioden an Bedeutung. Neubauprojekte, die sich dem Thema widmen, gibt es. Das größte davon ist die „Biotope City“ am Wienerberg. Hier entstehen derzeit 950 Wohnungen, die von sieben hauptsächlich gemeinnützigen Bauträgern realisiert werden. Modellhaft wurden hier mikroklimatische Effekte inklusive Kosten für Grünmaßnahmen ausgewertet. „Durch diese Form der Optimierung konnten wir gegenüber dem ursprünglichen Szenario bei nahezu gleicher Wirkung 66 Prozent der Kosten oder zwei Millionen Euro einsparen helfen“, sagt Florian Kraus, Geschäftsführer der GREENPASS GmbH, eines BOKU-Spin-offs. Zwölf Projekte sowie mehr als 20 Bauträger und auch Städte wurden schon betreut. Selbst ein Zertifikat, das dem Gebäude-Mikroklima in verschiedenen Güteklassen ein Zeugnis ausstellt, gibt es schon. Das erste GREENPASS-Gold-zertifizierte Projekt „FLAIR Carrée Atzgersdorf“ steht aktuell vor dem „Spatenstich“. Die Hitze am Bau ist allerdings ein anderes Thema.