Der Immobilien-Investmentmarkt bewegt sich heuer sehr schleppend. Letztes Jahr sah es noch ganz anders aus. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr vier Milliarden Euro investiert, heißt es im Investment-Marktbericht von OTTO Immobilien. Wohnimmobilien waren aufgrund einiger großvolumiger Verkäufe mit einem Anteil von rund 40 Prozent am Transaktionsvolumen zum dritten Mal nach 2020 die Nummer eins bei den Assetklassen. „Dahinter folgten Büroimmobilien mit einem Anteil von rund 27 Prozent des Transaktionsvolumens“, erklärt Christoph Lukaschek, Leiter Investment bei OTTO Immobilien. Auf dem dritten Platz landeten die Logistik- und Industrieimmobilien. Immobilien seien ja weiterhin gefragt, allerdings kämpfen diese einerseits mit einer starken Konkurrenz, andererseits bringt die Finanzierungsproblematik den Markt ins Stocken. „Die deutlich gestiegenen Kapitalmarktzinsen bedeuten sowohl höhere Finanzierungkosten als auch attraktivere Renditen bei Alternativinvestments“, erklärt Johannes Endl, Vorstand und Fachbereichsleiter Investment bei ÖRAG.
Bessere Alternativen
Festgeld und Anleihen versprechen aktuell höhere Renditen als Immobilien und ziehen das Geld aus dem Markt. Den anderen wesentlichen Punkt erklärt Christoph Urbanek, Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei Schindler Attorneys: „Die Finanzierung ist jetzt in den Mittelpunkt gerückt. Sie ist ein Kernthema und extrem komplex geworden – außerdem ist die Unsicherheit zu groß.“ Dies betrifft vor allem die Unabwägbarkeit der steigenden Zinsen. Erst mit mehr Sicherheit in diesem Bereich „wird sich die Situation beruhigen, und wir werden mehr Transaktionen sehen“, ist Christoph Lukaschek überzeugt.
Neue Preise werden den Markt beleben
Der Markt wird sich bei anderen Preisen und Renditen sicherlich neu finden. „Derzeit passen die Preisvorstellungen von Kaufinteressenten und Verkäufern oftmals nicht zusammen“, so Johannes Endl. Wie lange die Annäherung zwischen den Vertragsparteien dauern wird, ist nicht sicher. „Ursprünglich habe ich angenommen, wir werden uns nach dem ersten Quartal 2023 wieder finden“, so Christoph Urbanek: „Aber jetzt blicken wir doch weiter in die Zukunft.“ Sogar von 2024 ist die Rede. Die unerwarteten Veränderungen „befeuern die Stillstandmentalität“, so Christoph Urbanek: „Ich kann nicht sagen, wohin es gehen wird, aber jedenfalls nicht so schnell wie anfangs gedacht.“
Keine Vergleichsprojekte
Ein zusätzliches Problem ist auch, dass es derzeit kaum Referenzprojekte gibt, die gehandelt werden, und sich ein Preis daher schwer festmachen lässt. Unabhängig davon findet das Geld auch andere Wege beziehungsweise Projektentwickler und Investoren. Um einen gemeinsamen Nenner zu finden, schließen sich die Marktteilnehmer (wieder) vermehrt zusammen. Walter Hammertinger, geschäftsführender Gesellschafter und CDO bei value one: „Investoren interessieren sich gerade für alle Assetklassen, und sie suchen neue Wege, wie Kapital gemeinsam mit Entwicklern Projekte findet.“
Interesse an heimischen Immobilien ist da
Das Interesse an heimischen Immobilien sei weiterhin groß, meint Wolfdieter Jarisch, Vorstand der S+B Gruppe, nach der MIPIM: „Ich bin sehr positiv gestimmt aus Cannes zurückgekommen. Wohnen wurde ganz konkret nachgefragt und Mischprojekte.“ Besonders gefragt ist das Projekt „Waterline“ in der DC, das Arbeiten, Studieren, Wohnen und Reisen verbindet. Preislich gefunden hat man sich allerdings auch hier nicht. „Die Frage wird sein, zu welchen Renditen, aber drüber haben wir nur am Rande gesprochen“, so Jarisch. Für die S+B Gruppe besteht allerdings kein Zeitdruck: „Wir haben keinen Grund zu verkaufen. Wir sind voll durchfinanziert.“ Das trifft nicht auf alle Marktteilnehmer zu, und daher ist zu erwarten, dass aus dieser Ecke die ersten Verkäufe kommen könnten. „Eigenkapitalstarke Investoren stehen bereit“, sagt Johannes Endl: „Sie wollen diese Situation nutzen, attraktive Objekte zu vorteilhaften Konditionen zu erwerben.“
Markt in den Bundesländern
Im Österreich-Vergleich bleibt bei den Investments alles wie gehabt. „Bei der Verteilung auf die Bundesländer ist nach wie vor der starke Fokus auf Wien ersichtlich“, so Christoph Lukaschek. Dennoch bieten die Landeshauptstädte, insbesondere Graz, Salzburg, vor allem aber Linz, interessante Möglichkeiten, gerade auch im gewerblichen Immobilienbereich. Ein besonderer Fokus liegt außerhalb Wiens „sicherlich auf Logistik- und Industrieliegenschaften“, meint Johannes Endl. Unabhängig von der aktuellen Situation entwickeln sich die Nutzermärkte durchaus positiv, wie Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien, feststellt: „Die Nachfrage nach Büroflächen ist da, und wir verhandeln mit einigen Kunden bereits über Gebäude, die erst 2024 oder 2025 auf den Markt kommen.“ Dass die Nachhaltigkeit respektive ESG aufgrund der angespannten Situation in den Hintergrund gedrängt wird, wie teilweise vermutet wird, sieht Wernhart nicht: „Im Gewerbeberiech ist es klar ersichtlich, dass diese Themen in den Fokus gerückt sind und auch bleiben werden.“ Der Druck kommt nicht nur von den Banken, sondern auch von den Investoren, den eingemieteten Unternehmen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.