Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?
Winfried Kallinger: Es herrscht eine allgemeine Verunsicherung. Die Grundstückspreise sind auf einem überzogenen Niveau, die Baupreise auf einem nicht machbaren Niveau, und der Markt ist unsicher, was die Verkaufbarkeit und Leistbarkeit der durchschnittlichen Projekte angeht. Im normalen Wohnbau haben wir eine Schere zwischen Kosten und Leistbarkeit, die nicht schließbar ist. Ich glaube aber, dass sich das in absehbarer Zeit entflechten wird.
Kallinger Projekte hat aber auch noch ein Projekt in Bau.
Das widerspricht aber nicht meiner Aussage, da die Lage bei unserem Projekt sehr gut ist, und gute Lagen sind selten geworden. In diesen Lagen kann man auch den Kostenanteil in den Preisen unterbringen. Das setzt allerdings voraus, dass man eine entsprechende Qualität liefert. Nur den Preis erhöhen geht nicht.
Überrascht Sie die derzeitige Entwicklung?
Dass der Erfolg nicht garantiert und ewig ist, das war schon absehbar – ebenso die Grundstückspreisentwicklung und auch die Volatilität der Zinsen. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass sie ständig bei minus 0,5 Prozent liegen. Wir jammern jetzt über die steigenden Zinsen auf 1,5 Prozent, aber wir vergessen, dass wir vor Jahren auch schon sechs Prozent und mehr hatten. Man kann nicht darauf spekulieren, dass die Zinssätze unten bleiben. Irgendwann muss auch die Gelddruckmaschine gewartet werden.
Für Sie war diese Situation absehbar?
Selbstverständlich. Ich habe gewarnt, habe aber viele Jahre nicht recht gehabt. Ich war einfach zu früh dran, aber ich habe meine Einschätzung gebetsmühlenartig wiederholt, weil ich auf die Gefahren hinweisen wollte, die sich für mich abgezeichnet haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich recht habe.
Wie schlimm kann die Situation werden?
Ich sehe kein Katastrophenszenario. Es kehrt die Realität ein. Die Immobilienwirtschaft hat sich seit 2008 zu einem Teil der Finanzwirtschaft entwickelt und ist in dieser Rolle sehr volatil geworden. Wir bauen ja keine Gebäude mehr, sondern Finanzprodukte, und das ist die Krux.
Die Preise in Wien werden als relativ hoch eingeschätzt, aber es gibt auch Gegenstimmen, die meinen, die Eigentumspreise in Wien sind im Vergleich zu anderen Metropolen zu niedrig, und es ist noch Luft nach oben.
Bei der Luft nach oben bin ich mir nicht sicher. Es stimmt schon, dass wir im Vergleich zu London, Paris oder New York niedrige Preise haben, aber wohnen tut man nicht international, sondern regional, und hier sind die Preise über die Einkommensstruktur lokal definiert. Wohnen ist ein höchst lokales Geschäft.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung von Immobilien?
Wir haben eine unsichere Zeit, aber eines ist sicher: Die Anforderungen an eine moderne, zukunftssichere Immobilie werden anders. Es gibt ökologische Anforderungen, die Frage der Energiebeschaffung und eine andere Betrachtung der Ausstattung des Gebäudes, egal ob Wohnbauten oder Gewerbe. Das ist auch eine erklärte Zielsetzung unseres Projekts in Möllersdorf im Süden von Wien. Wir versuchen eine Planung zu entwickeln, die die Gebäude, aber auch das Projekt an sich energieautark macht – ausgenommen ein wenig externer Strom, um die Spitzen abzufangen. Wir haben Erdwärme und Photovoltaik, aber nicht nur objektbezogen, sondern als Thema für die städtebauliche Anordnung. Das ist das oberste Ziel, und dem haben sich die Nutzungen und die Baukörpersituierungen anzupassen. Das ist die Grundidee.
Möllersdorf ist also ein Zukunftsprojekt?
Auf jeden Fall! Es handelt sich dabei um ein altes Fabriksareal, das wir in die Stadtteilentwicklung von Möllersdorf einklinken. Wir denken nicht nur in den Grundgrenzen, sondern beziehen die Umgebung mit ein.