Sie sind zwar weiterhin als Makler tätig, aber Sie haben in der Immobilienwirtschaft auch neue Wege beschritten.
Wilhelm Fetscher: Die Spielwiese in der Immobilienbranche ist riesengroß. Es gibt so viele Assetklassen und so viele Betätigungsfelder. Wir bespielen mit unserem Team von REMAX DCI in erster Linie Wohn- und Gewerbeimmobilien. Ich bin zwar noch aktiv im Unternehmen tätig, habe aber das Management der DCI-Geschäftsführung 2012 abgegeben, damit ich mich mit meinem Bruder Richard auch anderen Themen widmen kann, die spannend sind und bei denen wir uns vorstellen können, dass sie einen breiten Anklang finden. Es sind Themen, die sich aus unserem beruflichen Alltag und der Erfahrung ergeben haben.
In welchen Bereichen?
Wilhelm Fetscher: Crowdfunding. Crowdfunding kommt ja eigentlich aus der Start-up-Szene, in der Gründer eine Geschäftsidee hatten, aber keine Bank zur Finanzierung finden konnten, da diese nicht an die Ideen glaubten.
Ich habe im Jahr 2007 davon gehört, dass es in den USA Unternehmen gibt, die Mezzaninkapital organisieren. Das war dort damals bereits ein großes Thema. Ich konnte das aber nicht umsetzen, da wir zwar das Know-how für Immobilien hatten, aber nicht die Erfahrung, wie wir für Projekte „Geld einsammeln“ sollten. Wir wären damit vor mittlerweile 14 Jahren die Ersten in Österreich gewesen. Ich habe zwar das Potenzial gesehen, aber dass es vor allem in der Immobilienwirtschaft so einschlagen würde, habe ich mir nicht vorstellen können.
Das ist aber der Tatsache geschuldet, dass es keine alternativen Anlagemöglichkeiten gibt. Wenn Leute Geld haben, was sollen sie damit machen? Nur wenige können so lange ansparen, bis sie selbst eine Vorsorgewohnung kaufen können.
Jetzt sind Sie aber im Crowdfunding aktiv?
Wilhelm Fetscher: Ja. Voriges Jahr haben wir einen Partner mit CONDA Crowdinvesting gefunden, sind gemeinsam in Form unserer RECrowd eine Partnerschaft eingegangen und mitten im Corona-Jahr 2020 mit den ersten Fundings erfolgreich gestartet. Wir bringen unser Immobilien-Know-how ein und CONDA das Know-how für das Einsammeln der Investoren. Da sehen wir noch riesiges Potenzial.
Es gibt mittlerweile viele Crowdfunding-Plattformen – ist die Konkurrenz nicht groß?
Wilhelm Fetscher: Ja, das stimmt, aber ich war schon immer der Meinung, dass Mitbewerb befruchtet. Man muss dann wieder kreativer werden.
Prinzipiell „funden“ wir nur Projekte, wenn ich mit meinen Partnern auch wirklich an die Projekte und den Verkaufspreis der Wohneinheiten glaube. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter und geben eine Vermarktungsgarantie für die Projekte, die wir über RECrowd finanzieren. Als Teil des RE/MAX-Netzwerks kann ich auf jeden RE/MAX-Makler in ganz Europa zugreifen, das ist unser Vorteil gegenüber dem Mitbewerb.
Entscheidend ist ja, dass die Immobilie, in die die Crowd investiert hat, dann auch vermarktet wird. Crowdinvesting funktioniert nicht nur mit neuen, sondern auch mit gebrauchten Immobilien.
Bei einer gebrauchten Immobilie wären die Renditen niedriger.
Wilhelm Fetscher: Das stimmt, aber man muss das System nur umdenken. Bei einer neuen Immobilie ist eine größere Spanne da, und ich habe eine höhere Auszahlung an den Investor. Bei einer gebrauchten liegt der Fokus eher auf einer langfristigen Sparform.
Crowdinvesting wird richtig spannend, wenn das Thema Tokenisierung dazukommt. Da sprechen wir dann von kleinteiligen Investitionseinheiten, und man könnte jede Liegenschaft nicht nur in Wohnungseigentum splitten, sondern auch in eine Vielzahl von Token-Einheiten, und die wären dann auch handelbar.
Welche Möglichkeiten sehen Sie noch?
Wilhelm Fetscher: Eine der digitalen Möglichkeiten wird ja schon bei RE/MAX umgesetzt, nämlich DAVE – das digitale Bieterverfahren. Die Kunden erhalten alle Informationen, buchen Einzelbesichtigungen und geben danach bei Gefallen ein Angebot ab. Jedes Angebot ist von allen Interessenten bis auf den Adressaten einsehbar, und daher ist dieses Verfahren komplett transparent. Jeder Mitbieter sieht, was geboten wird – allerdings nicht, von wem.
Gibt es auch Ideen, die nicht mit Digitalisierung zu tun haben?
Wilhelm Fetscher: Unabhängig von der Digitalisierung ist die Leibrente aktueller denn je. Es gibt viele Menschen, die keine ausreichende Pension und oder keine Erben haben, aber eine Immobilie. „Meine Lebensrente“ – oder Leibrente – bietet Menschen ab 50 die Gelegenheit, jede Immobilie in eine lukrative zusätzliche lebenslange Rente umzuwandeln.
In Deutschland ist das ein großes Thema, und wir sind die Ersten in Österreich mit „meinelebensrente.at“! Wir stellen fest, dass die Nachfrage sehr hoch ist.
Warum ist die Lebensrente eG als Genossenschaft organisiert?
Wilhelm Fetscher: Der überwiegende Teil der Menschen, die sich eine Lebensrente/Leibrente vorstellen können, benötigt bei derart emotional hoch einzustufenden Lebensentscheidungen fundierte und objektive Beratung, professionelle Begleitung und faire Vertragsbedingungen. Deshalb wurde als Rechtsform eine Genossenschaft gewählt, die dieser Grundphilosophie des „gemeinwohlorientierten Wirtschaftens“ am besten entspricht.
Wie schätzen Sie derzeit den Wohnungsmarkt ein?
Wilhelm Fetscher: Ich bin grundsätzlich hocherfreut darüber, wie sich die Situation aktuell darstellt, aber viele verlieren die Realität aus den Augen. Sie sehen nicht die Tatsachen: dass es sehr viele Unsicherheiten gibt, die in den Markt hineinspielen. Es ist schwer abzuschätzen, wie es weitergeht, aber grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich der Markt auf hohem Niveau einpendeln wird. Es gab viele Kaufentscheidungen in den letzten zwölf Monaten, die nur Corona-bedingt getätigt wurden. Ich glaube nicht, dass sich das so fortsetzen wird!
Auf dem Mietenmarkt sind jetzt sehr viele Wohnungen, die früher in der Tagesvermietung waren, auf den Markt gekommen, da das Geschäftsmodell lahmgelegt ist. Ich erwarte nicht, dass dieses Geschäftsmodell der Kurzzeitvermietung rasch wieder anspringt. Ich glaube vielmehr, dass die Stadthotels mit sehr individuellen Lösungen diesen Markt übernehmen werden. In der Hotellerie gibt es derzeit wegen Corona einen Paradigmenwechsel.
Außerdem haben wir in einigen Bezirken bereits ein Überangebot an Neubauwohnungen, die vermietet werden sollen, und die Konkurrenz ist sehr groß. Die Ersten beginnen ihre Preisvorstellungen zu korrigieren. Wenn aber die Mietpreise nachgeben, dann wird das Investment für viele uninteressant, und es ist zu erwarten, dass damit Wohnungen wieder auf den Markt kommen, und das könnte die Neubaupreise in Bedrängnis bringen.
Es wird sich in den kommenden Jahren nicht mehr alles um jeden Preis wie geschnittenes Brot vermarkten lassen, was gebaut oder angeboten wird.