Wohnen bzw. Wohnraum verändert sich – welche Trends zeichnen sich hier ab?
Jasmin Soravia: Covid hat das Thema Wohnen neu und intensiv ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Ich glaube, dass wir es grundsätzlich mit einem Wertewandel zu tun haben, der sich in der Wohnsituation widerspiegelt.
Was den Wohnraum an sich betrifft, so wird unter anderem mehr auf Freiräume geachtet. Balkon, Terrasse oder Garten – ein Platz an der frischen Luft ist wesentlich geworden. Urban Gardening in allen Facetten gewinnt an Bedeutung. Interessant ist, dass es eine Verschiebung der Wichtigkeit gibt: Die Erdgeschoßwohnungen waren früher nicht sehr begehrt. Das hat sich zur Gänze gedreht, wenn ein Garten dabei ist.
Auch ein Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden hat durch Covid an Bedeutung gewonnen. Da die Menschen viel mehr Zeit in ihren Wohnräumen verbringen, legen sie auch wieder mehr Wert auf Interior und auf hochwertige Einrichtungen – wie zum Beispiel Vollholzhöbel, echtes Grün oder naturbelassene Textilien. Wichtig ist, dass die Wohnung ein Wohlfühlplatz ist, ein Ort der Ruhe und Entspannung.
Würden die Bewohner die Grundrisse ändern, wenn sie mitbestimmen könnten?
Jasmin Soravia: Viele Menschen würden gerne in ein Haus ziehen, um sich ihren individuellen Wohntraum erfüllen zu können, aber das wird aufgrund der Grundstückspreise immer unleistbarer. Daher ist oftmals der Wunsch da, bei einer Wohnung die Aufteilung der Räume zu beeinflussen, wie es eben bei einem Haus möglich wäre. Wir versuchen bei der Planung unserer Wohnprojekte diesen Wünschen so gut es geht zu entsprechen und legen sehr viel Wert auf durchdachte Grundrisse. Wir gestalten diese möglichst flexibel, damit auch Zusammenlegungen möglich sind und im Inneren der Wohnung auch Wände verschoben werden können.
Ein Bauträger ist auf jeden Fall gut beraten, dem Kunden einen gewissen Gestaltungsspielraum einzuräumen, was aber von Anbeginn in die Projektplanungen einfließen muss.
Sind Veränderungen bei der Wohnungskonfiguration für den Kunden auch möglich?
Jasmin Soravia: Im Rahmen der Sonderwünsche sind natürlich gewisse Modifikationen möglich, aber alles mit Maß und Ziel. Wir gehen in den Verkauf, wenn die Baugenehmigung „nah“ ist, und da liegt die komplette Einreichplanung vor. Daher kann nur noch peripher eingegriffen werden. Kleine Umgestaltungen sind möglich, aber nicht solche, die zu größeren Umplanungen des Wohnprojekts führen würden. Das heißt, nach der Einreichung bzw. sogar rechtskräftigen Baugenehmigung sind jedenfalls Änderungen keinesfalls mehr möglich, die eine neue Genehmigung erfordern würden. Unabhängig davon sind Kundenwünsche auch teuer, und hier stellt sich die Frage: Wer übernimmt die Kosten dafür?
Was sind absolute No-Gos bei Grundrissen?
Jasmin Soravia: Grundsätzlich werden absolute No-Gos ohnehin von den Kunden abgestraft, da diese Einheiten kaum zu verkaufen sind bzw. wenn, dann nur über den Preis. Sehr kleine Zimmer gehören da zum Beispiel dazu, wobei solche unter zehn Quadratmetern ohnehin nicht mehr erlaubt sind.
Auf große Schlafzimmer wird weniger Wert gelegt als auf einen größeren Wohn-Essraum. Die Wohnräume sollten daher im Vergleich zu Vorraum und Schlafzimmer großzügiger sein, aber das ist oft nicht der Fall. Wohnungen ohne Freiraum, auch wenn dieser noch so klein ist, sollten grundsätzlich nicht mehr errichtet werden.
Welchen Stellenwert haben Materialien und Energieeffizienz – was wird vom Kunden gewünscht?
Jasmin Soravia: Jeder will seinen Beitrag für eine gesunde Umwelt leisten. Selbst wenn der noch so klein ist. Doch so richtig dafür zahlen will auch niemand – jedenfalls war das in der Vergangenheit so. Ich glaube aber, dass die ganze Klimadiskussion auch bei den Kunden das Bewusstsein geschärft hat. Es gibt eine Studie, in der Holz als Baustoff in der Beliebtheit ganz vorn im Ranking steht und Beton weit hinten.
Unabhängig davon bedeutet mehr Energieeffizienz auch niedrigere Betriebskosten. Das geht sogar so weit, dass Käuferinnen und Käufer durchaus auch bereit sind, einen höheren Kaufpreis zu akzeptieren, wenn die Betriebskosten niedriger sind. Natürlich muss der höhere Kaufpreis verhältnismäßig sein. Auf jeden Fall ist der Wert guter Materialien wieder mehr in den Vordergrund gerückt – auch Covid-bedingt.
Es ist aber klar, dass für Käufer Nachhaltigkeit wesentlicher ist als für Mieter, da es um langfristigen Besitz geht.
Verlieren damit die „gelernten“ Aspekte an Wichtigkeit?
Jasmin Soravia: Nein. Materialien und Energieffizienz sind zwar wichtig, aber meiner Erfahrung nach legen die Käufer weiterhin den Fokus auf Themen wie Lage, öffentliche Anbindung, Infrastruktur oder Grundrisse.
Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, dass „Häuslbauer“ etwas andere Prioritäten setzen. Sie legen sehr wohl Wert auf Autarkie und Energieeffizienz. Das sieht man daran, dass Nullenergiehäuser und Passivhäuser sehr gefragt sind.
Inwieweit sind Dienstleistungen für die Kunden wichtig?
Jasmin Soravia: Wir haben alle viel zu tun. Nicht nur im Job. Vor allem wenn man Familie und Kinder hat, braucht es einen enormen Einsatz. Dienstleistungen, die mit der Immobilie in Zusammenhang stehen und den Bewohnern den Alltag erleichtern, werden daher gerne angenommen. Facility-Services, Behördenhilfen, die kostengünstige Wartung gemeinsamer Anlagen vom WLAN mit Onlinehilfen bis zu Bestellplattformen oder einem Handwerkerpool. Postboxen kommen bei den Kunden sehr gut an, sie ersparen sich den Weg zur Paketstation. Auch das digitale schwarze Brett ist für die Bewohner ein Mehrwert, da es eine ideale Informationsplattform ist.
Die Menschen wollen wohnen und sich nicht mit Problemen herumschlagen.