Home-Office und Co-Working sind weiterhin große Themen. Die Büroflächen werden so gestaltet, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen. Büro- und Arbeitswelten stehen bei den Unternehmen im Vordergrund, und diese sind beim „Kampf um Talente“ auch notwendig. Das Flair des Büros trägt sehr viel dazu bei, gute MitarbeiterInnen zu bekommen. Dabei wird oftmals ein wesentlicher Punkt übersehen: Wie stellt sich die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Werkshallen dar? Ohne ihre Arbeit geht gar nichts, und daher rückt der Blick auf diese bei der Konzeption von Industriebauten immer mehr in den Vordergrund. Vor allem, wenn es sich um Gebäude handelt, in denen sowohl Büros als auch Distributions-, Lager- und Arbeitsflächen angesiedelt sind.
„Die Gebäude müssen qualitativ hochwertig sein, ein Image haben und ein entsprechendes Umfeld – das sind die entscheidenden Faktoren“, so Alfred Wurmbrand, CEO von Würth Österreich: „Man muss den Mitarbeitern ein Umfeld bieten, das ihnen zusagt. Die Arbeitsplätze haben zwar jetzt neue Namen wie Co-Working oder Arbeitswelten, aber es war schon immer wichtig, wie das Arbeitsumfeld aussieht.“
Geänderte Ansprüche
Die Ansprüche an Interieur, Wohlfühlen und Image haben sich verändert, aber andere grundsätzliche Anforderungen an einen Unternehmensstandort sind gleich geblieben, wie Petra Patzelt, Prokuristin von Niederösterreichs Wirtschaftsagentur ecoplus, feststellt: „Gute Erreichbarkeit und moderne Infrastruktur haben weiterhin einen wesentlichen Stellenwert.“ Allerdings zeigt sich ein Wandel bei der Mobilität. Verkehrsgünstige Lagen, die nur mit dem eigenen Pkw erreichbar sind, verlieren. In Zeiten des CO2-Fußabdrucks ist die öffentliche Anbindung wichtiger. Artur Pesendorfer, Geschäftsführer bei SWARCO FUTURIT Verkehrssignalsysteme: „Wir haben mehr als 50 Mitarbeiter an unserem Standort in Perchtoldsdorf. Eine direkte Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist dabei ein wichtiger Aspekt, der von immer mehr Mitarbeitern – insbesondere jüngeren – geschätzt wird.“ Hier zeigt sich auch ein Umdenken bei den Unternehmen, und oftmals werden individuelle Mobilitätslösungen entwickelt. Patzelt: „Unternehmen organisieren sich auch teilweise mit eigenen kreativen Lösungen in Form von innerbetrieblichen Gemeinschaftstaxis.“
Die Ästhetik des Gebäudes
Diese Äußerlichkeiten gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, allerdings beginnen sich auch in den Gebäuden selbst Veränderungen zu manifestieren. „Die Ästhetik des Gebäudes ist wichtig für das Thema Employer-Branding“, stellt Artur Pesendorfer fest: „Sie ist allerdings nicht nur für die Mitarbeitenden relevant, sondern man will natürlich auch gegenüber Kunden und Partnern ein entsprechendes Statement abgeben.“ Dennoch zeigt sich für den Geschäftsführer von SWARCO FUTURIT Verkehrssignalsysteme ein riesiger Gap, und der ist die eigentliche Herausforderung in den Industriegebäuden: „Die ganzen Gedanken rund um das Home-Office, die sind schon richtig, allerdings gilt das nur für die Büroangestellten. Wichtig ist, dass man den Gap zwischen Angestellten im Büro und den Mitarbeitern direkt in der Produktion, auf dem sogenannten Shopfloor, schließt, damit der interne Zusammenhalt in der Organisation gewahrt bleibt und sich die Mitarbeiter in der Produktion nicht als Mitarbeiter zweiter Klasse fühlen.“ Daher wird immer mehr darauf geachtet, auch die Fertigungsbereiche attraktiver zu gestalten.
Evgeni Gerginski, Geschäftsführer von HAWLIK GERGINSKI Architekten, meint über das große Thema Blue Collar Workers and White Collar Workers: „Es geht bei den Büros doch mittlerweile in Richtung Wohnzimmer. Diesen Entwicklungen muss man mit neuen Denkweisen begegnen und auch die Industrieflächen, insbesondere dezentrale Pausenbereiche, wie ‚Wohnen‘ planen und einrichten.“ Bei der Entwicklung neuer Hallen werden auch die Mitarbeiter in vielen Fällen miteinbezogen. Andreas Hawlik: „Architektur ist immer ein Statement – und damit ein Qualitäts- und im weiteren Sinn ein Produktionsfaktor.“
Die Hülle bleibt bestehen, das Innere verändert sich
Insofern gehören die Gebäude langfristig durchdacht, denn die Hülle bleibt oftmals bestehen, während sich im Inneren die Räume verlagern. Alfred Wurmbrand gibt ein Beispiel: „Wir erweitern die Verwaltung an unserem Standort, da wir einen Teil der Logistik nicht mehr benötigen. Das Innere ändert sich, die Hülle bleibt bestehen, weil wir bei der Errichtung bereits vorausschauend geplant haben.“ Verantwortlich zeichnete damals Architekt Ernst Huss, dessen Büro heute als HAWLIK GERGINSKI Architekten fortgeführt wird. Dank integraler Planung entstanden offene und flexible Flächen, die sich den Anforderungen des Unternehmens anpassen konnten. Wurmbrand: „Wichtig ist, dass visionäre Architekten mit den Eigentümern gemeinsam das Konzept erarbeiten.“
„Wir stellen fest, dass sich in der Innenarchitektur bei Industriegebäuden sehr viel tut“, sagt Andreas Hawlik: „Die Zukunft wird noch sehr viele Neuerungen bringen.“ Der Geschäftsführer von HAWLIK GERGINSKI Architekten nennt Beispiele: „Steigerung der Aufenthaltsqualitäten, Einsatz von Begrünung, Einsatz naturnaher Materialien oder Gemeinschaftsräume mit Sichtbeziehungen nach außen.“ In der Zentrale von Würth ging man noch einen Schritt weiter. Das Gebäude ist nicht nur ein Blickfang, sondern hat noch eine weitere besondere Qualität. Alfred Wurmbrand: „Wir haben dort, wo es möglich war, auch ein Museum mit Bildern aus der Sammlung Würth. Damit machen wir den Mitarbeitern und Besuchern die Kunst öffentlich zugänglich.“
ÖAMTC-Stützpunkt in Scheibbs
Neue Wege zeigt auch der ÖAMTC-Stützpunkt in Scheibbs, der von HAWLIK GERGINSKI Architekten entworfen wurde. Hell, freundlich und großzügig ist er nicht nur für die Büroangestellten, sondern auch für die Mechaniker. Diese haben außerdem einen direkten Zugang und Sichtbeziehung zum Kundenbereich. „Die Kfz-Halle samt Mitarbeitern wird integriert“, so Evgeni Gerginski: „Das Gebäude hat eine ganz andere und neue Qualität.“ Dies sei auch notwendig: „Wir sprechen von Menschen und vom Wohlfühlen. Architektur braucht einen Zugang zum Menschen. Die Grundbedürfnisse ändern sich nicht, und die menschliche Komponente spielt in die Architektur hinein.“