Deutlich mehr Anfragen
Neue Mieter könnte es auch bald geben. Die britische Premierministerin Theresa May hat nun das Austrittsgesuch der Briten nach Brüssel geschickt. Es folgen zwei Jahre schwieriger Verhandlungen, aber „der Startschuss ist gegeben“, meint Belina. Damit besitzt Wien große Chancen, Unternehmen aus der englischen Hauptstadt zu bekommen. „Der Brexit zeigt schon seine Auswirkungen bei der Nachfrage nach Büroflächen“, erklärt Stefan Brezovich, Vorstand der ÖRAG: „Wir merken deutlich mehr Anfragen von Finanzdienstleistern aus dem britischen Raum, die auf der Suche nach einem neuen Betriebsstandort sind.“ Auch aus den Niederlanden informiert man sich – unter Verweis auf den Brexit – über verfügbare Flächen in Wien.
Kommt die EMA?
Der größte „Brocken“ aber, der kommen könnte, wäre die zweitgrößte EU-Behörde, EMA (Europäische Arzneimittelbehörde), mit 900 Mitarbeitern. „Eine mögliche Ansiedlung dieser Behörde bzw. Institution würde dem Wiener Markt sehr guttun“, so Brezovich. Sollte sich die EMA für Wien entscheiden, dann würden mit Sicherheit einige Unternehmen, insbesondere aus dem Pharmabereich, nachziehen. Allein in London haben sich im Umfeld der EMA rund 2.000 Unternehmen angesiedelt. Als härteste Standort-Konkurrenten gelten Paris, Dublin und Mailand.
Politik ist gefordert, aber …
Wien als Weltstadt mit höchstem Lebensstandard und auch einer Reihe von hochwertigen Immobilien können das Interesse sicher stark anfeuern. „Leider werden diese Entscheidungen jedoch nur nachrangig nach diesen subjektiven Kriterien entschieden“, so Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult: „Primär werden politische Faktoren ausschlaggebend sein.“ Hier ist eindeutig die Politik, und im Besonderen die Regierung gefordert, alle Register zu ziehen, um „auch die politischen Entscheidungen in unserem Sinne zu beeinflussen“, so Bondi.
… die Ignoranz ist groß
Eine Chance, Wien zu bewerben, hätte sich ja auf der MIPIM ergeben, aber wie immer war – außer dem St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler – kein Politiker anwesend. „Leider waren wir politisch überhaupt nicht vertreten, die Ignoranz diesbezüglich ist sehr groß“, meint Ewald Stückler, Geschäftsführer von t.o.c., Tecno Office Consult.
Bewegung nur intern
Unabhängig von den internationalen Unternehmen, die London den Rücken kehren, und unabhängig von politischen Entwicklungen ist die Situation am Wiener Büroimmobilienmarkt an einem spannenden Punkt angelangt. „Es kommen nach Jahren einer relativ verhaltenen Neuflächenfertigstellung bis Mitte 2018 ca. 450.000 bis 500.000 Quadratmeter Bürofläche auf den Markt“, meint Reinhard Prüfert, Leiter des Büro-Maklerteams der ÖRAG. Diese Flächen werden auch benötigt, denn die öffentliche Hand, Versicherungen und andere Großmieter analysieren, ob es Alternativen zu ihren derzeit genutzten Büroräumlichkeiten gibt. „Intern ist sehr viel Bewegung da“, sagt Stückler. Auf Grund der alten Gebäudestrukturen lassen sich in den alten Häusern keine modernen Bürokonzepte realisieren. Deshalb werden die jetzigen Neuflächenproduktionen „ihren Markt finden“. Da es bis dato vergleichsweise wenig größere zusammenhängende Flächen in Wien gibt, sind einige suchende Unternehmen auf in Bau befindliche Projekte ausgewichen. So hat die BIG-Tochter ARE im Herbst das noch im Entstehen befindliche Büroobjekt Denk Drei in der Viertel-Zwei-Erweiterung beim Prater gekauft, um einen Teil selbst zu nutzen.
Genug Potenzial da
Mit dem neuen Schwung sind dann aber faktisch alle Projekte aus den Schubladen verschwunden. Für weitere neue Ansiedler, die im Zuge des Brexit nach Wien kommen könnten, sieht Stückler aber trotzdem keine Probleme: „Definitiv könnte die Stadt diesen Zuwachs verkraften. Es ist genug an Potenzal da, ich mache mir um die Flächenproduktion keine Sorgen.“