Wie sehen Sie derzeit den Status quo der Baubranche?
Kallinger: Sehr heterogen. Einerseits hat die Branche viele Chancen im Wiener Raum durch die beschleunigte Stadtentwicklung, die in Schwung kommen muss. Andererseits ist eine gewisse merkwürdige Trägheit festzustellen.
Es ist Vieles neu und muss neu sein, und da sind alle paralysiert. Es ist das klassische Beharrungsvermögen der Immobilienbranche, die ihrem Namen damit alle Ehre macht.
Ich hatte vor kurzem eine Diskussion, in der die Steuerreform heftig beklagt wurde, aber dabei vergisst man, dass wir lange Jahre ein ungeheures Steuerprivileg hatten. Das finde ich paradox. Auch die Jammerei über die Vorschriften und Normen wird immer lauter, aber etwas zu tun, in Richtung alternativer Konzepte, das findet nicht statt.
Wie begegnen Sie dieser Situation?
Kallinger: Wir agieren anders und haben uns damit einen Vorsprung erarbeitet. Das freut mich. Wir sind derzeit der einzige gewerbliche Wohnbauträger, der bei der Wohnbauoffensive der Stadt Wien mitwirkt, bei der 1.000 Wohnungen ausgelobt werden, mit einer neuen Förderung.
Führen Sie das auf die Trägheit der anderen Marktteilnehmer zurück?
Kallinger: Ja, auch. Es werden Baukostenstandards verlangt, die härter sind, als wir es bisher im geförderten Wohnbau gewohnt waren, und da hat man anscheinend keine Rezepte dafür und ist nicht in der Lage, mit Baukonzepten diesen Standards zu entsprechen– oder man will es nicht.
Welche Konzepte haben Sie?
Kallinger: Das ist unser Planungs- und Baukonzept Slim Building, das wir auf diese spezielle Förderungsart abgestimmt haben und das uns in die Lage versetzt, die Baulimits, die uns abverlangt werden, bei guter Qualität einzuhalten.
Was ist das Besondere an diesem System?
Kallinger: Es ist ein Planungs- und Konstruktionskonzept, das auf einer nach allen Seiten offenen Rahmenbauweise beruht. Das heißt, die vertikale Konstruktion besteht aus schlanken Säulen, und nicht mehr aus massiven Elementen. Damit ist das System nach allen Seiten planungsoffen.
Worin liegen die Vorteile bei Ausschreibungen?
Kallinger: Was Ausschreibungen betrifft, ist es ein klarer Vorteil in der Gewichtsersparnis. Dazu kommen 20% logistische Ersparnis, weiters verkürzen wir die Bauzeit um ein Viertel, da wir einen extrem hohen Fertigungsgrad haben, und in der klaren und einfachen Konstruktion, die von einem ganz strikten Planungsraster ausgeht. Dazu kommt noch eine 30% geringere Konstruktionsstärke.
Eisinger: Und ein Nutzflächenvorteil, der sich in der Fläche widerspiegelt. Bei großen oder sehr hohen Gebäuden mit bis zu 21 Stockwerken beträgt dieser Vorteil im Vergleich zu herkömmlichen Massivbauten etwa 5%.
Wie lange haben Sie an dem System „Slim Building“ geforscht?
Eisinger: Von Beginn bis zur Patentierung waren es vier Jahre. Die Forschung und Entwicklung läuft aber permanent weiter, ob wir zum Beispiel die Konstruktionsstärken noch minimieren können, oder wir überprüfen neue Materialien, um Gewicht einzusparen.
Wie weit ist Ihrer Meinung eine Reduktion möglich?
Eisinger: Das Material ist bis zu einem gewissen Grad determiniert. Durch Wärmeschutz und Schallschutz, die gefordert werden, gibt es bestimmte Benchmarks, die derzeit nicht zu durchstoßen sind, und die Grundregeln der Physik auch nicht.
Wir hoffen, dass wir auch die herstellende Industrie mit unseren Ideen in einem gewissen Grad verbessern und Vorschläge liefern können, die Neuerungen betreffen.
Kallinger: Es ist schon paradox, dass ein Bauträger auf die Idee kommt, und nicht die Industrie. Unsere Ideen und Ansätze sind nichts Kompliziertes, denn es ist uns klar: Mit mehr Komplikationen werden wir keine Kosten senken.
Unsere Neuerungen sind von der Massivbaulobby heftig angegriffen worden, da sie meinten, die Speichermasse fehle, aber interessanterweise funktioniert unser System viel besser.
Eisinger: Anfangs gab es viel Kritik, auch von Seiten der Baufirmen, aber diejenigen, die unser System verstehen, reagieren jetzt sehr positiv. Sie präferieren unser System, unsere Art zu bauen, da der Aufwand letztendlich viel geringer ist und sich das Bauunternehmen sehr viel Zeit und Geld spart. Den Beweis, dass unsere Ideen und Entwicklungen funktionieren, treten wir ja gerade an.
Kallinger: Am Anfang hatten wir noch mit den Preisen zu kämpfen, aber mittlerweile haben wir einen deutlichen Preisvorteil.
Sie haben aber noch zwei weitere Neuerungen: „Smart Tech“ und „Klima Loop“.
Kallinger: „Smart Tech“ ist schon fast schon wieder Geschichte. Der Gedanke ist: Minimierung des technischen Aufwandes für die Haustechnik mit Hilfe von Solarthermie. „Klima Loop“ ist bereits der nächste Schritt.
Eisinger: Das System „Klima-Loop“ arbeitet mit Erdwärme und wird genützt zur Unterstützung der Heizung im Winter. Im Sommer wird dem Gebäude Wärme entzogen und wieder in den Erdkoffer rückgeführt– so entsteht eine Art Perpetuum mobile.
Das ist aber nicht so neu.
Eisinger: Das stimmt, aber in Bezug auf großvolumigen Wohnbau in Kombination mit Niedrigtemperaturheizsystemen, Flächenheizungen und Fußbodenheizungen ist das ein Unikat. Auch bei Einfamilienhäusern gibt es Wärmepumpen, aber der Wirkungsgrad des Wärmepuffers, also der Erdwärme, ist irgendwann erschöpft. Wir regenerieren den Puffer, indem wir im Sommer dem Gebäude Wärme entziehen und wieder in die Erde leiten.
Wir benötigen auch keine komplizierten Kältemaschinen, da unser System auf „Free Cooling Basis“ funktioniert. Für den Nutzer bedeutet das am Ende des Tages spürbar geringere Betriebskosten, da Heizung, Warmwasser und Kühlung in diesem Kreislauf sinnvoll zusammenspielen.
Lässt sich die Einsparung bei den Betriebskosten genauer verifizieren?
Eisinger: Salopp gesprochen ist die Gebäudekühlung im Sommer gratis dabei.
Ist es ein baulicher und preislicher Mehraufwand?
Eisinger: Dadurch, dass wir zwei differente Kreise zum Kühlen und zum Heizen haben, ergibt sich ein Mehraufwand von 3% bis 5% für das gesamte System, aber die Einsparungen im Baubereich machen diesen Aufwand wieder wett.
Sie haben von Weiterentwicklung gesprochen, gibt es neue Ideen?
Kallinger: Das Thema kostengünstiges Bauen haben wir im eigenen Haus noch nicht ganz ausgereizt. Da sind die Projekte der Wohnbauoffensive wichtige Schlüsselprojekte, da wir die Erfahrung nutzen und unsere bestehenden Systeme entsprechend optimieren können. Wir sind auf einem guten Weg, den Entwicklungsprozess in allen Bereichen weiterzuführen.
Das ist das Gebot der Stunde: Die Normen, zum Beispiel betreffend Brandschutz, auf eine Weise zu lösen, die bestehende Bestimmungen respektiert und das Jammern durch konstruktive Weiterarbeit ersetzt.
Eisinger: Wir setzen nicht auf radikale Neuerungen, sondern beschleunigen die Evolution der bestehenden Vorgaben. Unsere Ideen und Ausführungen werden von der Stadt Wien und der Wohnbaupolitik wahrgenommen. Der großvolumige Wohnbau Simmeringer Hauptstraße 170 wird ein Vorzeigeprojekt auch für die Stadt Wien, in dem alle unsere Konzepte umgesetzt werden– ebenso beim kleineren Wohnprojekt „Am Park“ mit rund 30 Wohnungen und rund 4.500 Quadratmetern Nutzfläche.
Kallinger: Beim Projekt Siemensstraße 142 der Wohnbauoffensive der Stadt Wien sehen wir uns als Partner einer neuen und weitreichenden Entwicklung in der Stadt, mit der gängige Denkmuster verlassen und neue Konzepte für leistbaren Wohnbau entstehen können.
Eisinger: Wir sind Praktiker und sitzen nicht im Elfenbeinturm. Wir sind bei unseren Entwicklungen auch vorsichtig, weil man ja auch die rechnerischen Erwartungen real auf den Boden bringen muss.
Jetzt haben wir so viel von der Zukunft des Bauens gehört, wie planen Sie die Zukunft des Unternehmens?
Kallinger: Wir sind ein mittelständisches, von den Eigentümern geführtes Unternehmen, und daran wird sich vorläufig auch nichts ändern. Wir haben eine klare Aufgabenteilung: Ich bin Konzeptionist und für die strategische Ausrichtung verantwortlich. Stefan Eisinger ist der eher technisch Orientierte, und damit ist sein Zuständigkeitsbereich klar definiert, und meine Tochter Susanne Kallinger ist für die Seele der Projekte zuständig. Natürlich ist auch eine Wachablöse im operativen Bereich vorgesehen. Stefan Eisinger ist an der Firma beteiligt, und meine Tochter ist Teil der Geschäftsführung des Gesamtunternehmens. Bei uns gibt es keine Überraschungen– außer in baulicher Hinsicht.
Eisinger: Auf lange Sicht gibt es keine Überraschungen– kurzfristig schon. Bei uns kursiert der Spruch: „Wenn einer auf Urlaub geht und wieder kommt, ist im Unternehmen alles ganz anders.“Ich möchte aber noch das familiäre Verhältnis unterstreichen. Wir arbeiten gerne zusammen, und die Zusammenarbeit funktioniert daher hervorragend. Wir können Entscheidungen sehr einfach und schnell treffen.
Kallinger: Wer weiß, was uns morgen einfällt, aber es ist alles ganz einfach.