Seit 20 Jahren ist Alexander Lafenthaler, Geschäftsführer von Ticon Immobilien, als Immobilienmakler auf dem Wiener Markt tätig, aber „so etwas wie in den letzten drei Jahren habe ich noch nie erlebt“. Die Finanzkrise und die geringen Zinsen der Banken heizen die Nachfrage nach Wohnimmobilien in der Stadt an der Donau richtig an. Vor allem der Anlagebereich boomt und Lafenthaler hatte „noch nie so viele Investoren, die ihr Geld in Wohnungen anlegen“. Den Käufern erscheint die Immobilie als einzig sicherer Hafen. Die Steigerung der Nachfrage und auch der Preise in diesem Ausmaß in den guten Lagen hat selbst die Immobilienprofis überrascht. In den letzten Jahren erfuhren vor allem die Kategorie-A-Lagen eine immense Preiserhöhung. „Wir sind hier auf einem Level, das früher als Liebhaberei galt“, bringt es Bernd Gabel-Hlawa, Geschäftsführer der Immobiliendatenbank findmyhome.at, auf den Punkt. Für Gabel-Hlawa gehört natürlich der 1. Bezirk in diese Kategorie– in dem bei Spitzenobjekten auch schon 23.000 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden; weiters Teile des 3., 4., 7. und 8. Bezirks in der Nähe des Zentrums sowie die Cottage- und Grünlagen in den Bezirken 16 bis 19. Abseits dieser begehrten Wohngebiete waren die Preisanstiege spürbar, aber nicht in dieser Dimension.
Mittlere Lagen profitieren von Preisanstieg
Innerhalb des Gürtels sind Preise zwischen 3.800 und 4.500 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit, „außerhalb des Gürtels bekommst du schon ab 2.000 bis 2.500 Euro eine entsprechende Wohnung“, so Lafenthaler. Auch haben sich hier die Preise nicht so rapide nach oben entwickelt, obwohl sie an der generellen Preissteigerung sowie am Hype „Grundbuch statt Sparbuch“ partizipieren. Richard Buxbaum, Leiter Wohnimmobilien und Zinshäuser bei der Otto Immobilien Gruppe: „Die mittleren Lagen haben diesen Sog zu spüren bekommen und preislich auch angezogen.“ Der Konsument ist kritischer und selbstbewusster geworden und daher lässt sich trotz der hohen Nachfrage „nicht alles verkaufen, wie einige meinen“, so Sandra Bauernfeind, Leitung Wohnimmobilien bei EHL Immobilien: „Es werden sehr gute Preise bezahlt, aber dann muss auch das Gesamtpaket passen.“ Das gilt noch mehr für eigengenutzte Objekte als für solche, die vermietet werden sollen. Vor allem die öffentliche Verkehrsanbindung und die leichte Erreichbarkeit der Innenstadt sind zu wesentlichen Lagekriterien geworden.
Blick in die Zukunft
Die weitere Preisentwicklung ist, so die Meinung der Experten, ebenfalls etwas differenziert zu sehen. „Mit einer jährlichen Steigerung der Objekte von 5 bis 6%“ rechnet Lafenthaler in den gefragten Gegenden und auch Bauernfeind „sieht in guten Lagen keinen Grund, warum sie nicht weiter steigen sollen“. Eine rasante Preisentwicklung nach oben in bestimmten Lagen des 2. Bezirks, im 4. und 5. Bezirk und in der Nähe des neuen Zentralbahnhofs erwartet Gabel-Hlawa. Die Suche nach Anlagewohnungen wird aber auch den mittleren Lagen ihren Preiszuwachs bringen. „Das Budget, das Anleger zur Verfügung haben, ist nicht mehr als früher, sondern gleich hoch“, erklärt Buxbaum, „da die Preise steigen, werden die Investoren in leistbare Lagen ausweichen.“ Da die Grundstückspreise ebenfalls entsprechend angezogen haben, sind neue Projekte in innerstädtischen Lagen nur mehr schwer kalkulierbar. Das hat auch die gemeinnützigen Bauträger dazu veranlasst, in den 21. und 22. Bezirk auszuweichen. Diese Gegenden werden von ihnen dominiert, „sodass es am freien Markt kaum Nachfrage und Angebote gibt“, so Gabel-Hlawa.
Nachfrage von in- und ausländischen Käufern
Sowohl in- als auch ausländische Käufer sind am Wiener Markt vertreten, wobei bei Ausländern die Vorsorgewohnung nicht im Vordergrund steht. „Die bleibt den heimischen Investoren vorbehalten“, so Buxbaum. Das Interesse der ausländischen Klientel richtet sich eher auf das hochpreisige Segment und wer hier unterwegs ist, „benötigt oftmals keine Finanzierung“, so Bauernfeind. Ähnlich sieht es auch Lafenthaler: „Vor Kurzem hat ein Investor bei zwei Wohnungen im 8. Bezirk einfach bar bezahlt.“ Bei den bar zahlenden Kunden sind Dachgeschoße sehr gefragt; aber dann nicht zur Vermietung– und Unikate müssen es sein sowie ökologischen Standard haben. Lafenthaler bietet einen Dachgeschoßausbau mit 435 Quadratmetern in zentraler Lage im 7. Bezirk zwar um 3,5 Millionen Euro an, aber die Nachfrage nach dem im Bau befindlichen Objekt ist trotzdem hoch. Zur Eigennutzung wohlgemerkt, denn Dachgeschoßwohnungen als Vermietungsobjekt haben sich in einigen Teilen von Wien als „Ladenhüter“ erwiesen. Rund 100 Dachgeschoße zur Miete sollen alleine im 8. Bezirk leerstehen. 16 Euro pro Quadratmeter Bruttomiete und 200 Quadratmeter Wohnfläche lassen die Gesamtkosten ordentlich in die Höhe schnellen. In wirtschaftlich angespannten Zeiten sind Mieter, die 3.000 Euro und mehr pro Monat bezahlen, daher schwer zu finden.