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Eduard Zehetner: „Die Gier hört nie auf“

Über ukrainische Grundstücke bis hin zum Goldenen Quartier von Benko spreche ich mit Eduard Zehetner, der seinerzeit die Immofinanz saniert hat. Seine Conclusio nach so vielen Jahren ist klar. Außerdem zeigt sich in unserem Gespräch, dass St. Pöltner Fußballvereine der 1960er-Jahre eine gute Vorbereitung auf die Immobilienwirtschaft waren.

© Richard Tanzer

Sind Sie noch im Immobilienbusiness tätig? 

Eduard Zehetner: Nicht mehr wirklich. Ich betreue privat ein paar Liegenschaften und sitze noch im Aufsichtsrat der Privatstiftung Sparkasse Niederösterreich. Ich bin ja St. Pöltner und wurde – noch zu meiner Zeit bei der RHI – vom damaligen Vorstandsvorsitzenden, den ich noch aus der Schulzeit kannte, gefragt, ob ich diese Position besetzen möchte. Sie sehen, das mache ich schon sehr lange. Zum Leidwesen mancher Vorstände, denn unter Umständen werden die Sitzungen zu partiellen Zwiegesprächen. Ich möchte verstehen, was der Vorstand tut, und ich darf ja eine andere Meinung dazu haben.

Sie haben in der Jugend in St. Pölten auch Fußball gespielt und haben einmal gemeint, der Fußball hat Sie auf die Immobilienwirtschaft vorbereitet.

EZ: Ja, ich war Vorstopper. Eine Position, die es heute so nicht mehr gibt. Eigentlich habe ich in Pottenbrunn zu spielen begonnen, und da es in Pottenbrunn keine Junioren gab, hätte ich nicht mehr spielen können. Freunde von mir haben in St. Pölten bei Voith gespielt, und ich habe mich daher selbst zu Voith transferiert. Allerdings hat der Obmann von Pottenbrunn eine Klausel in den Transfervertrag eingebaut, dass Voith noch etwas zahlen muss, wenn ich in der Ersten (erste Mannschaft, Anm. d. Red.) spiele. Und da ich nicht nur in der Reserve spielen wollte, habe ich mich wieder transferiert und bin dann letztendlich bei Sturm 19 und dem St. Pöltner Sportklub gelandet. In den Vereinen gab es immer wieder viele Ahnungslose und Wichtigtuer, die mehr in der Kantine unterwegs waren als am Platz. Das war aber eine gute Vorbereitung für mich, da es in der Immobilienwelt noch schlimmer war.

Wann sind Sie in die Immobilienbranche eingestiegen?

EZ: Mit dem Lehman-Zusammenbruch im Jahr 2008. Damals hat die gesamte Branche zu wackeln begonnen. Das war anfangs weit weg in den USA, aber schließlich haben auch bei uns alle begonnen, ihre Wertpapiere anzuschauen und zu durchforsten, ob die Emittenten die gleichen Gauner sind wie Lehman. Da hat es ja Papiere gegeben, die sich in Luft aufgelöst haben. Dann sind die Turbulenzen bei der Immofinanz gekommen, und ich wurde vom damaligen Hauptaktionär Rudolf Fries in die Immofinanz geholt.

Was waren Ihre ersten Schritte in der Immofinanz nach dem spektakulären Fast-Zusammenbruch 2008?

EZ: Ich habe mir das einmal angeschaut und festgestellt, dass es viele Immobilien gibt, von denen auch etliche nur mit Eigenkapital finanziert wurden. Ich habe mir gedacht, die können nicht pleite sein, weil über die Kapitalerhöhungen viel Geld reingeflossen ist. Die wissen nur nicht, wo ihr Geld ist. Das muss man suchen. Es gab Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die haben gewusst, was sie tun, und bei einigen habe ich gesehen, da passiert nichts. Und vor allem: Man sollte möglichst wenig Geld ausgeben, damit die Mieteinnahmen das Überleben sichern können.

Die Immofinanz hatte wegen der Lehman-induzierten Abwertungen ein Ergebnis- und daraus resultierend ein Liquiditätsproblem, weil auch viel Geld für Unsinnigkeiten in Osteuropa rausgeschmissen worden ist. Das Unternehmen war aber nicht pleite, und ich musste es nur entsprechend herrichten. Das haben wir auch gemacht, indem wir einfach den Geldabfluss gestoppt haben: Das Nein in Richtung osteuropäischer Entwicklungspartner war ein wichtiges Wort. Es gab ca. 1.000 Firmen, also ähnlich wie bei Benko, und das war alles sehr verschachtelt und auch mit der Constantia Privatbank eng verwoben. Das Konstrukt war sehr eigen. Wir haben dann aufgeräumt und die Immofinanz wieder hergerichtet.

Vor den Geschehnissen des Jahres 2008/2009 war ja der Hype in Osteuropa enorm.

EZ: Es war ein enormer Hype in Osteuropa, und es hat sehr viele Glücksritter und sogenannte Entwickler gegeben. Ich kann mich an eine Roadshow in London erinnern – da wurde ich gefragt, wie groß das Unternehmen eines typischen osteuropäischen Immobilienentwicklers ist … wie viel Mitarbeiter er hat und so. Ich habe geantwortet: Er hat ein Handy, einen Laptop, ein teures Auto, alles möglicherweise nicht ganz bezahlt, er verspricht dir das Blaue vom Himmel und hat eine starke Neigung zur Korruption. Die Engländer fanden das sehr lustig und haben das dann auch in den Zeitungen geschrieben.

Es wurde viel Geld in Österreich und Deutschland über Kapitalerhöhungen eingesammelt und versprochen, dass es sich vervielfachen wird, weil ja in Osteuropa investiert wird, und da geht es gerade ab. Man darf nicht vergessen: Nachdem der Eiserne Vorhang weg war, herrschte Aufbruchsstimmung. Alle haben gehofft, dass es anders wird. In solchen Situationen tauchen immer Glücksritter auf, die Geschäfte machen. Man hat ja nicht gewusst, welchen „Gfrastern“ man gegenübergesessen ist, für die das ein gefundenes Fressen war. Die haben nichts gehabt, aber irgendwelche Leute wie Bürgermeister und Lokalpolitiker gekannt und bei den Transaktionen mitgeschnitten – zum Beispiel, damit die Bebauungsbestimmungen passen. Und am schlimmsten war es in der Ukraine.

Warum?

EZ: Da gab es Grundstücke, die waren der nackte Wahnsinn. Die Immofinanz hat unter anderem mit einem lokalen Partner ein Grundstück in Kiew besessen. Der hat uns gefragt, wann wir zu bauen beginnen mit Shopping-Center und Wohnturm und, und, und. Ich stellte dann aber fest, dass man dort kein Shopping-Center hinbauen kann. Der hat uns dann auf Zuhaltung des Investmentvertrags geklagt. Der Richter hat unserem Rechtsvertreter gesagt, wenn er 70.000 Dollar zahlt, verschwindet der Case. Ich habe dann bei einer Veranstaltung über Investments in der Ukraine, die wir mit der ukrainischen Botschaft gemeinsam im Twin Tower veranstaltet haben, auf der Bühne meine Geschichte erzählt – also erzählen wollen. Man hat mich unterbrochen, weil man so eine Geschichte nicht hören wollte … aber nach 14 Tagen war das Ganze vorbei und der Fall erledigt, ohne dass wir den Richter gesponsert hätten.

Grundsätzlich ist in Ländern, die nicht so entwickelt sind, die Korruption gewaltig, und im Immobiliengeschäft ist es besonders schlimm – aber es leugnen alle. Wissen Sie, was das Problem ist? 

… ?

EZ: Es ist viel zu viel Geld unterwegs. Die Projekte sind in einer Größenordnung, dass nur wenige Prozent davon für einzelne Menschen sehr viel Geld sind, und das fördert die Korruption. Jeder sieht für sich eine Chance.

Wie sehen Sie den Kauf der Immofinanz durch die CPI?

EZ: Es ist schade um die Immofinanz, aber ich glaube, das Unternehmen hat irgendwann bestimmte führende Aktionäre nicht mehr interessiert, und dann hat es eben die CPI gekauft. Wie gesagt: sehr schade.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

EZ: Wir haben stärkere Zinsausschläge als in der Lehman-Krise. 2009 hatten wir nicht Bewegungen in der Art, dass der Zinssatz von null auf fünf Prozent gestiegen ist. Dass er so schnell so hoch gestiegen ist, hat mit vielen Aspekten zu tun. Corona hat in Summe mit allen Maßnahmen zu einer Überhitzung geführt, dann kam der Ukraine-Krieg, und außerdem haben die Chinesen wirtschaftliche Probleme, da ihre Wirtschaft nicht mehr ausreichend wächst. Es wurde von den Staaten mehr Geld ausgegeben, als verdient oder über Steuern eingenommen worden ist. Die Geldmenge ist explodiert, und da stehen wir im Augenblick – und jetzt muss man es umdrehen. All das ist Gift für die Ökonomie. Die Wirtschaft ist eingebremst, die Schulden sind da, und jetzt müssen die Administrationen damit umgehen. 

Grundsätzlich ist die internationale Politik ein Wahnsinn, jeder kann ungestraft deppert sein, und der amerikanische Präsident ist ein dramatisches Beispiel dafür.

Würden Sie in der aktuellen Situation noch gerne einen Konzern übernehmen?

EZ: Ich bin zu alt, um einen Konzern zu leiten. Ich bin mental dazu nicht mehr in der Lage. Ich habe ein fotografisches Gedächtnis gehabt und alle Informationen gespeichert. Ich habe nicht mehr die Fähigkeit, das zu tun. Das normale Merken geht, aber es ist nur ein Teil von dem, was ich früher konnte. 

Wie sehen Sie den Unterschied zwischen Benko und Immofinanz?

EZ: Es ist ein dramatischer Unterschied zu Immoeast und Immofinanz. Diese beiden Gesellschaften hatten viel mehr Eigenkapital. René Benko hat in Wahrheit kein Geld gehabt und immer Leute angelockt, von denen ich auch einzelne kenne, die ihm dann Eigenkapital gebracht haben. Ich wundere mich bei einigen, dass sie sich bei ihm beteiligt haben. Aber es ist halt so: Nothing succeeds like success – man will immer mehr haben.

In Wahrheit haben sich die Anleger zu wenig um ihre Geldanlage gekümmert. Irgendwann waren sie an der Holding beteiligt und nicht mehr an der Immobilie. Klaus-Michael Kühne hat sinngemäß gesagt: Er hat mich beschissen.

Was ist Ihr Fazit?

EZ: Die Rahmenbedingungen haben sich nicht geändert, und diejenigen, die es in der Immobilienbranche aufstellt, machen die gleichen Fehler wie früher. Sie machen zu viele Schulden und sind zu abhängig von steigenden Immobilienwerten in der Bilanz. Gehen diese in die Gegenrichtung, nämlich nach unten, beginnen die Imperien zu wackeln. 

Es gibt Handlungen jenseits jeglicher Demarkationslinie zum Bilanz-/Strafrecht. Irgendwann gewöhnt man sich auch an Unrechtstatbestände und weitet das aus. Das darf man nicht tun. Benko, ein zudem sehr fleißiger Mensch, hat sich an eine bestimmte Handlungsweise gewöhnt, und hat das nie als Risiko gesehen. Das hat dann irgendwann System, und wenn man das Unrechtsbewusstsein verliert, dann gewöhnt man sich daran, weil man glaubt, das stehe einem zu oder es könne einem ohnehin nichts passieren. Die Menschen, die das machen, sind typischerweise Besserwisser, besessen von Größenwahn, und die Kombination Gier und Größenwahn ist für Unternehmen eine tödliche Kombination. Die Gier hört nie auf.


Zur Person:

Eduard Zehetner ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und verfügt über langjährige Erfahrung auf Führungs- und Vorstandsebene. Unter anderem war er als CFO von Connect Austria/ONE (1997 bis 2000), CEO von Jet2Web Internet Services (2000 bis 2001) und CFO bei der RHI AG (2001 bis 2007) tätig. Von Februar 2009 bis April 2015 war Eduard Zehetner Vorstandsvorsitzender der Immofinanz Group.

20.06.2025

Eduard Zehetner: „Die Gier hört nie auf“

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Geschrieben von:

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  • Erschienen am:
    20.06.2025
  • um:
    18:00
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    7 min
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