Die Bauwirtschaft kriselt gewaltig – und es scheint außerhalb der Branche niemanden zu kümmern. Es ist klar, das eigene Hemd ist immer das nächste, aber einer Branche, die am Beginn der Wertschöpfungskette steht und der Konjunkturmotor jeder Volkswirtschaft ist, derart wenig Aufmerksamkeit zu schenken, ist doch etwas ungewöhnlich.
Obwohl die Baupaktpartner bereits seit Frühjahr letzten Jahres auf die Situation hinweisen, wird dem Anliegen wenig Bedeutung geschenkt. Die Branche habe sich in den letzten Jahren ohnehin in einem Goldrausch befunden, es sei daher zu akzeptieren, dass dieser eben auch ein Ende hätte. Wenn man die reine Statistik betrachtet, könnte man dieser Argumentation etwas abgewinnen. Aber so trivial funktioniert Volkswirtschaftslehre nun einmal nicht.
Der schwarze Schwan
Man drehe das Rad der Zeit um sieben Jahre zurück. Die Kreditzinsen haben den Boden erreicht, Geldausleihe ist so günstig wie nie und wer eines hat, bekommt fürs Sparen oder Anlegen kaum Ertrag. Es wird viel gebaut, die Preise für Wohnraum steigen – vor allem aufgrund der beinahe „täglich“ steigenden Grundstückspreise. Der Konjunkturmotor brummt und Wohnraum wird nachgefragt, weil auch das dafür erforderliche Geld verfügbar ist und der Bedarf einer wachsenden Gesellschaft auch nicht gedeckt ist.
Drei Jahre später ereilt uns eine Pandemie, die allen Volkswirtschaften weltweit schwer zusetzt. Die Baubranche darf ebenso wie der Lebensmittelhandel weiterarbeiten. Letztendlich um die Grundversorgung der Gesellschaft mit ihren Produkten zu sichern. Ja, es braucht neben einem täglich gefüllten Magen auch ein sicheres Dach über dem Kopf – zumindest in unseren Breitengraden. Der Baukonjunkturmotor brummt noch immer.
Soweit so gut könnte man meinen. Plötzlich taucht allerdings der berühmte schwarze Schwan auf und die Energie- preise steigen in schwindelerregende Höhen. Die Nachfrage am Bau nimmt ein abruptes Ende, auch weil die Kosten aufgrund der täglich steigenden Energiepreise nicht mehr planbar sind. War die Nachfrage bis Ende 2021 kaum zu befriedigen, sank dieselbe im Sommer 2022 dramatisch. Überhänge bescherten in einigen Bereichen noch Auslastung bis Anfang 2023. Die gesamte Branche hingegen steuert seither ungebremst dem Abgrund zu. Und da befinden wir uns jetzt.
Hilferufe ernst nehmen
Man kann das alles damit begründen, dass das eben eine normale Konjunkturkrise ist. Ist es aber nicht. Derartige Auf und Abs sind ungesund und sorgen für Destabilisierung. Seit der Ankündigung des Wohnbaupakets der Bundesregierung sind nun sechs Monate vergangen. Am Markt angekommen ist davon so gut wie nichts. Angesichts der heimischen politischen Situation ist wohl bis Anfang nächsten Jahres nichts zu erwarten. Wer auch immer die neue Regierung bilden wird, die Hilferufe der Baubranche müssen ernst genommen werden und höchste Priorität haben. Rückgänge bis zu 50% und der damit verbundene Mitarbeiterabbau dürfen nicht die Norm bleiben!