Die Frauen wechselten sich bei der Versorgung der Hausherren, Handwerker, Zuroacher und Nachbarschaftshelfer ab. Querfeldein gab es Brettljause, Krainerwürstl oder Braunschweiger. Wir Buben waren für den ständigen Gösser-Nachschub zuständig, den wir mit dem geschundenen Leiterwagerl vom Gasthaus Dommerlbauer beschafften. Als Lohn gab es Stollwerck, Kokosstangerln oder Schaumrollen.
Es gab noch keine fertigen Häuser, aber schon eine Dorfgemeinschaft. Man schaute bedenkenlos bei den anderen vorbei, alle waren willkommen, die Türen offen, die Herzen auch, und der Grillduft zog durch den Schobergraben bis Heiligenkreuz. Irgendwann waren die Rohbauten verputzt, die Häuser winterfest, die Außenflächen angelegt, das erste Gras sprießte, die Bäumerln hatten Knospen und bald junge Früchte.
Jetzt baute man auch Carports und stellte Pools auf. Jetzt wurden auch Hecken gepflanzt. Wegen der Einsehbarkeit, um das neue Hab und Gut ein bisserl abzuschirmen, …
Jetzt gab es auch Zäune. Damit die Rehe nicht den Kirschbaum beschädigen, damit der Nachbarhund nicht daherhechelt, damit die Bengel von nebenan nicht ständig den Ball herüberschießen, damit die Holzmanns sich nicht dauernd was ausborgen kommen – außerdem: Die Leute könnten eh anklopfen, wenn sie wirklich was brauchen.
Mittlerweile weiß man in der Schulhaussiedlung nicht mehr so genau, wer wer ist. Ein paar haben schon wieder verkauft. Der Kontakt zu den anderen ist spärlich geworden. Man grüßt aus dem Auto oder sieht einander beim Wählen und natürlich bei der Fleischweihe.
Zwar solidarisiert man sich noch gegen die Verbauung weiterer Parzellen, protestiert gemeinsam gegen den Schober-Bauern, wenn er seine Jauche ausführt, und gegen den viel zu laut krähenden Hahn vom Hütter wird man genügend Unterschriften zusammenbringen.
Vom Anwalt der Nachbarn hat fast jeder schon Post bekommen:
- wegen der Lärmbelästigung beim Sommerfest,
- wegen der Silvester-Raketen-Schießerei,
- wegen des Rasenmähens am Wochenende,
- wegen der lauten Musik auf der Terrasse,
- weil der Freund der Tochter den Motor zu lange laufen lässt, wenn er sie heimbringt,
- weil die Katz’ ihr Gaggerl ausgerechnet im Karottenbeet von vis à vis hingemacht hat,
- weil der Kronprinz-Rudolf-Baum zu nahe am Nachbargrund steht und seine Äpfel die Wespen anlocken,
- weil die Thujen zu viel Schatten machen …
Die Nachbarn sind komisch geworden mit der Zeit. Eigenbrödlerisch. Egoisten. Kurz angebunden. In sich gekehrt.
Die Türen sind versperrt. Wer weiß, wer draußen stehen könnte. Der Zaun ist dicht, die Hecke hoch. Anläuten und reden? Der Weg ist weit geworden.
Die Zäune erfüllen ihre Wirkung. Man ist für sich. Ungefährdet. Ungestört. Unbehelligt. Die Nachbarn sehen so gut wie nix. Geht sie auch nix an.
Die Katzen von Empersdorf sind glücklich … Wenn die Fenster finster werden, erwacht das Katzen-Siedlungsleben. Der schwarze Kater Karlo ist der Bürgermeister, der graue Tiger Tom bringt Mäusebraten, die exzentrische Lillyfee bereitet den Tisch, die dreifärbige Fortuna umsorgt schnurrend die Jungen. Die tollen durch die Gegend, kümmern sich nicht um Tore und Grenzen, haben längst ihre Schlupflöcher gefunden, überwinden spielend Maschendraht und Hindernisse, teilen Whiskas und Milch, wo immer sie gerade sind. Solange die Menschen schlafen. Denn tagsüber werden sie verscheucht.
So ist das mit den Zäunen: Sie sind nur schwache Barrieren für jene, die von außen kommen, aber sie stellen hohe Hürden für jene dar, um die herum sie gebaut werden. Zäune begrenzen. Zäune beengen. Zäune schränken uns ein. In der Bewegung und im Geist.
Nur wenn wir den Kopf heben, wenn wir über das Trennende schauen, sehen wir wieder Sonne, Himmel, Sterne … und die – trotz allem – wunderschöne weite Welt.