Gegenüber der „Zeit“ erklärte sich die Wiener Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal mit den Worten: „Diesen Schatz haben wir gesichert!“ und meinte damit die Unterschutzstellung von Wiens alter Bausubstanz unter das Regime der Wiener Bauordnung. Christoph Chorherr, der für die Grünen die Wiener Baurechtsnovelle verhandelte, meinte dazu lapidar, dass er sich nun einen „ökonomischen Switch im Kopf der Hausbesitzer erwarte.“
Lottogewinn besser als Mietzinseinkünfte
Sind die politisch Verantwortlichen tatsächlich der Meinung, dass Hausbesitzer von ihrem Schatz abbeißen können? Auf welche Weise soll sich der „ökonomische Switch“ im Kopf eines Hausbesitzers vollziehen, dessen Haus in einem Gründerzeitviertel gelegen und mit diversen Altmietverträgen belastet ist?
Allenfalls kann ein Lottogewinn helfen, nicht aber die eigenen Mietzinseinkünfte, um den Hausbestand durch einen Ausbau des Dachbodens zu verbessern. Diesen Aussagen kann jedenfalls kein aufrichtiges Interesse an der Erhaltung der historischen Bausubstanz beigemessen werden, denn dann hätte die Novelle inhaltlich anders ausgesehen und wäre nicht ohne Begutachtung in einer Nacht und Nebel Aktion beschlossen worden. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass es den Verantwortlichen um eine Ausweitung des Mieterschutzes über den Umweg der Wiener Bauordnung geht.
Markante eingriffe in das Eigentum
Nach dem ersten Streich folgte leider sprichwörtlich sogleich der zweite: Diesmal im Rahmen offizieller Begutachtung. Es mag schon sein, dass Teil 2 des Entwurfs zur Wiener Bauordnung die eine oder andere zeitgemäße Änderung – Stichwort: Keine Verpflichtung mehr zur Trennung von Bad und WC sowie Änderung der Wohnungs-Mindestgröße von 30 auf 25 Quadratmeter – enthält, doch sieht auch dieser Entwurf markante Eingriffe in das Eigentum vor: Wohnungen, die sich in einer Wohnzone befinden dürfen nicht mehr kurzfristig vermietet werden. Durch Einführung einer Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ soll zum Zweck der künstlichen Beschränkung der Bodenpreise eine Limitierung der Grundkosten bewirkt werden.
Die Rechtfertigung für diese Vorgehensweise erfolgt unter Berufung auf das öffentliche Interesse, die Erschwinglichkeit von Wohnungen, insbesondere für einkommensschwächere Gruppen zu gewährleisten und bezieht sich dabei auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs. Dass diese Erkenntnisse des Höchstgerichts aber zum Richtwertgesetz ergingen und sich nicht auf die Bestimmungen der Bauordnung übertragen lassen, irritiert die Legisten gar nicht.
Potential auf den Dächern
In einer Broschüre der Arbeiterkammer aus dem Jahr 2018 wird auf das Potenzial verwiesen, das auf Wiens Dächern schlummert. Sowohl bei den Genossenschafts- und Gemeindebauten als auch bei den privaten Gründerzeithäusern könnten nach deren Berechnungen in den nächsten Jahren bis zu 40.000 neue Einheiten geschaffen werden. Laut dieser Broschüre sind die durch Nachverdichtung entstehenden Wohnungen im Gründerzeit-Altbau jedoch für die meisten zu teuer, weshalb private Projektentwickler verpflichtet werden sollten, einen Sozialwohnungsanteil von einem Drittel der neuen Wohnungen zu schaffen.“
Gerade in Wien ist der Anteil des öffentlichen Mietsektors mit rund 400.000 Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen so hoch wie in keinem anderen Bundesland und überragt den privaten Mietsektor beträchtlich. Zahlen belegen aber auch die fehlende soziale Treffsicherheit. Laut Statut von Wiener Wohnen liegt der Zweck dieser Unternehmung in der Schaffung von modernen Mietwohnungen für einkommensschwächere Personen und Familien.
Anstelle über die Bauordnung das Grundrecht auf Eigentum stetig auszuhöhlen, sollten die politisch Verantwortlichen von ihrer Enteignungspolitik Abstand nehmen und ihre soziale Wohnpolitik nach dem Grundsatz „Menschen und nicht Mauern fördern“ richten. Denn wenn im sozialen Wohnbau Besserverdiener angemessen zu den Wohnkosten beitragen und durch den Mehrerlös einkommensschwächere Gruppen unterstützt werden, wäre schon viel erreicht!