Wolfgang Kradischnig, Delta, und Daniel Deutschmann, Heid und Partner Rechtsanwälte, über die juristische und die Managementebene, über missverständliche Begrifflichkeiten und erklären, warum IPA und Allianzvertrag die zwei perfekten Seiten einer Medaille sind.
Was ist das Besondere und Charakteristische an der integrierten Projektabwicklung IPA? Was unterscheidet die deutsche Variante von der von Delta in Österreich praktizierten?
Wolfgang Kradischnig: In Deutschland gibt es vom German Lean Construction Institute eine klare Definition, was ein IPA-Modell ist. Da gibt es eine Vielzahl von Kriterien und wenn diese erfüllt sind, handelt es sich um eine integrierte Projektabwicklung. Wir in Österreich sind da weniger streng. Bei uns müssen nicht alle Kriterien erfüllt sein. Viel wichtiger ist, dass die Projektabwicklung aus einer partnerschaftlichen Best-for-Project-Philosophie heraus entsteht. Daraus ergibt sich dann ein Allianzmodell oder auch Early Contractor Involvement. Jedes Projekt ist anders und hat unterschiedliche Anforderungen. Deshalb ist es unserer Meinung nach nicht sinnvoll, über jedes Projekt dieselben Kriterien zu stülpen. Unser Ziel ist es, für die jeweiligen Rahmenbedingungen das perfekte Modell zu schneidern.
Wie sehen die Mindestanforderungen aus?
Kradischnig: Die Mindestanforderung ist, dass sich die wesentlichen Beteiligten, also zum Beispiel Auftraggeber, Generalplaner und die Hauptgewerke, zu einer partnerschaftlichen Projektabwicklung und einer Best-for-Project-Philosophie committen und eine gemeinsame Zielerreichung anstreben. Und das muss vertraglich abgebildet werden. Das ausgefeilteste IPA-Modell bringt nichts, wenn die Leute nicht dahinter stehen.
Daniel Deutschmann: Wichtig ist auch die Managementebene. Das IPA-Management umfasst das Projektmanagement im Hoch- und Tiefbau für Projekte, die mit einem alternativen Vertragsmodell partnerschaftlich abgewickelt werden. Zusätzlich zum Management ist auch die vertragliche Ausgestaltung der partnerschaftlichen Elemente ein zentraler Baustein für den Projekterfolg.
Kradischnig: Das ist richtig. Die reine Absichtserklärung, partnerschaftlich zu arbeiten, ist zu wenig.
Wie sehr braucht der Allianzvertrag das IPA-Management?
Deutschmann: Das IPA-Management ist ein wesentlicher Bestandteil des IPA-Modells oder auch des Allianzmodells, weil es jemanden braucht, der das Projekt im partnerschaftlichen Sinn steuert. Wir decken die juristische Seite ab und das IPA-Management die Projektsteuerung. Wir sind am Anfang eines Projekts etwas stärker involviert, aber schon bei der Vertragsgestaltung ist es sinnvoll, das IPA-Management an Bord zu holen. Je weiter fortgeschritten ein Projekt ist, desto mehr können wir Juristen uns zurückziehen und das IPA-Management übernimmt die Federführung.
Das heißt, auch wenn die juristische Ebene früher greift, gibt es doch Projektphasen, in denen Sie gemeinsam arbeiten.
Kradischnig: Auf jeden Fall. Die juristische Seite hat vielleicht zu Beginn etwas größere Leistungsanteile, weil das Gerüst erstellt wird, auf dem die spätere Abwicklung basiert. Aber wir arbeiten auch in einer frühen Phase zu, um die Kultur zu entwickeln und die richtigen Tools zu implementieren, um diese Partnerschaftlichkeit zu garantieren.
Wie lässt sich in Begrifflichkeit und Ausführung die Managementebene von der juristischen Ebene trennen?
Deutschmann: Das Management und die juristische Ebene sind Leistungsbilder innerhalb des Systems. Das sind die Gehilfen, die die Parteien brauchen, um das umzusetzen, was sie vorhaben.
Kradischnig: IPA-Vertrag und IPA-Management greifen ineinander. Der Allianzvertrag ist der Idealfall für ein IPA-Projekt.
Deutschmann: Allerdings würde der Allianzvertrag nicht alle Kriterien des deutschen IPA-Modells erfüllen. Er ist oftmals kein Mehrparteienvertrag, oft gibt es kein Early Contractor Involvement, aber, und das ist das Wichtigste, es ist ein funktionierendes vertragliches Gesamtsystem für eine gemeinsame partnerschaftliche Projektabwicklung. Die Vertragsparteien können sich bei Allianzverträgen wieder auf die bestmögliche technische Umsetzung des Projekts konzentrieren, da sie ihre Ressourcen nicht für Claim- und Anti-Claimmanagement einsetzen müssen.
Kradischnig: Wir finden die deutschen IPA-Kriterien ja alle gut, aber für uns wäre das zu eng. Die Fülle an Kriterien würde einen Gutteil der Auftraggeber abschrecken. Viel wichtiger als die Kriterien ist der Ausstieg aus dem alten kontroversiellen Denken.
Deutschmann: Das deutsche Modell ist für komplexe, extrem risikobehaftete Großprojekte geeignet. Das passt vielleicht für einen Brenner Basistunnel, aber für den Großteil unserer Projekte nicht. Deshalb haben wir das Allianzmodell in verschiedenen Varianten entwickelt, um dynamisch auf ein Projekt reagieren zu können. Uns beiden ist wichtig, dass das Projekt läuft. Und zum Laufen bringe ich ein Projekt, indem ich für den Auftraggeber und seine internen Kompetenzen das richtige Modell entwickle.
Sie haben es angesprochen, bislang wurden Allianzmodelle auf das jeweilige Projekt maßgeschneidert. Wird es auch einmal so etwas wie eine Standardlösung geben?
Deutschmann: In Deutschland wurde der Anschein erweckt, dass diese Standardlösung das Nonplusultra ist. Aber genau das gibt es eben nicht. Das liegt schon an der Auftraggeberstruktur. Eine Asfinag hat ganz andere interne Kompetenzen als etwa die FH Campus Wien. Diese Projekte können nicht mit demselben Modell abgewickelt werden. Diese Anpassung an die Auftraggeberbedürfnisse ist Aufgabe des Vertragserrichters.
Kradischnig: Das eine richtige Modell, das für alle Projekte passt, gibt es nicht und ist auch nicht zielführend.
IPA-Vertrag, Allianzvertrag, IPA-Management, deutsches Modell, österreichisches Modell… Es gibt viele Begrifflichkeiten, die für Verwirrung sorgen. Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Missverständnisse?
Kradischnig: Wir müssen in Österreich generell noch viel Aufklärungsarbeit leisten. Welche Modelle gibt es, was sind die Vorteile? Die Begrifflichkeiten sind da nicht so wichtig. Es geht darum, den Paradigmenwechsel zu erklären. Für Auftraggeber geht es auch um Machtverlust zum Wohle des Projekts. Aber wir haben schon festgestellt, dass wir, die wir an diesem Paradigmenwechsel arbeiten, klarer und schärfer in der Begrifflichkeit werden müssen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Es gab nie die Überlegung, andere Begrifflichkeiten zu verwenden, auch um sich bewusst vom deutschen Modell abzugrenzen?
Kradischnig: Das haben wir ehrlich gesagt ein wenig übersehen. Das ist uns erst jetzt bewusst geworden. Daniel Deutschmann und ich haben uns im Vorfeld dieses Interviews zwei Stunden lang unterhalten und dabei festgestellt, dass wir zwar das gleiche wollen, wir uns in den Begrifflichkeiten aber noch finden müssen.
Wie muss ein Projekt aufgesetzt sein, um die Vorteile von IPA und Allianzvertrag optimal zu nutzen?
Deutschmann: Ganz wichtig ist, die richtigen Personen zu finden und durch die vertragliche Ausgestaltung Win-win- bzw. Lose-lose-Situationen zu schaffen. Es geht um das Bewusstsein, in einem Boot zu sitzen. Im Allianzvertrag erreicht man dieses Ziel sehr stark über die Vergütungssystematik. Die Incentives können unterschiedlich ausgestaltet sein. Ganz zentral ist auch die gemeinsame Risikotragung, um die »Gleichrichtung der Ziele« der Vertragsparteien zu erreichen. Der Vertrag muss, überspitzt formuliert, so ausgestaltet sein, dass die Beteiligten zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Der Auftragnehmer will Geld verdienen, das ist sein gutes Recht. Dann muss man den Vertrag so formulieren, dass er das nur über den gemeinsamen Projekterfolg schafft.
Je besser der Vertrag aufgesetzt ist, desto einfacher ist wahrscheinlich das Projektmanagement?
Kradischnig: Beides greift ineinander, aber wie Daniel Deutschmann gesagt hat: Das Wichtigste sind die handelnden Personen, denen man vertrauen muss. Der Vertrag kann noch so gut sein, wenn die Menschen nicht wollen, können auch wir im Management nichts ausrichten. Deshalb gefällt mir auch das Allianzmodell so gut, wo es darum geht, zuerst das richtige Team auszuwählen und erst dann die Aufgabenstellung zu lösen.
Die wichtigsten Begriffe:
Project Alliancing: Aus dem australischen Raum stammende Methode zur allianzorientierten Projektabwicklung. Zuerst Auswahl des/der besten/geeignetsten Projektpartner(s) und dann mit der Auftraggeberin gemeinsame Projektentwicklung, -planung und -ausführung gemäß dem Best-for-Project-Grundsatz. Vertragliche Besonderheiten: Vergütung der tatsächlichen Kosten, Gain-Pain-Sharing und Risk-Sharing, unternehmensähnliche Organisationsstruktur, standardisierter Konfliktlösungsprozess, Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Planer und alle Schlüsselgewerke sind Teil der Allianz.
IPD – Integrated Project Delivery: Aus dem angloamerikanischen Raum stammende Methode zur integrierten Projektabwicklung. Ähnlich dem australischen Modell. Bezeichnung für Partnerschaftsprojekte im angloamerikanischen und skandinavischen Raum.
IPA Deutschland (IPA D): Integrierte Projektabwicklung nach einem vom German Lean Construction Institute (GLCI – www.glci.de) definierten Kriterienkatalog mit »8 Charakteristika und 21 Modellbestandteilen«.
IPA Österreich (IPA Ö): Überbegriff für integrierte bzw. allianzorientierte oder partnerschaftliche Projektabwicklung in Österreich, das heißt Projekte mit alternativen Vergabe- und Vertragsmodellen; Kriterienkatalog wird nicht so streng wie in Deutschland gehandhabt. Im Mittelpunkt steht die Partnerschaftlichkeit, das jeweils im konkreten Fall angewendete Vergabe- und Vertragsmodell (Allianzmodell, Totalunternehmervergabe mit oder ohne Partneringphase, GU+ (= GU inklusive Ausführungsplanung) usw.) richtet sich nach den konkreten Projektrahmenbedingungen. Ziel ist die Konzeption eines Vergabe- und Vertragsmodells, das an die Bedürfnisse der Auftraggeberin und die Anforderungen des Projekts angepasst ist. Die vertraglichen Mechanismen müssen so ausgestaltet sein, dass alle Vertragspartner den Best-for-Project-Grundsatz umsetzen müssen, um ihre individuellen Interessen (z. B. Gewinnmaximierung) zu erreichen.