Anfang 2020 wird die Immobilienwelt in Berlin völlig anders. Dann tritt nämlich das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen“ in Kraft. Damit werden die Mieten für etwa 1,5 Millionen vor dem Jahr 2014 fertiggestellte Wohnungen für fünf Jahre eingefroren. Hinzu kommen Obergrenzen für Neuvermietungen und Grenzen für Bestandsmieten.
Es kann in bestehende Verträge eingegriffen werden
Die Investoren und Projektentwickler sind – gelinde gesagt – irritiert, denn „es wurde auch noch die Möglichkeit geschaffen, in bestehende Verträge einzugreifen und Mieten zu senken“, so Alexander Neuhuber, der mit der MAGAN-Firmengruppe seit 2006 auf dem Markt aktiv ist: „Ein Sanierungsgebiet auszuweisen, in dem zeitlich befristet Sonderregeln für Hauseigentümer gelten, ist etwas anderes als flächendeckend über eine ganze Stadt die Mieten auf einem deutlich vom Markt abweichenden Niveau einzufrieren.“ Das Gesetz wirf jetzt bereits seine Schatten voraus. So legt unter anderem die Berliner Volksbank wegen des geplanten Mietendeckels Investitionen in den eigenen Bestand von Wohnungen auf Eis. Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaftsbank, begründet diesen Schritt mit der geringen Aussicht auf Refinanzierung, und es steht im Raum, die Sanierungen in den kommenden Jahren überhaupt zurückzufahren. Außerdem wird – wie es sich derzeit darstellt – auch weniger gebaut. Die ersten Wohnungsbaugenossenschaften machen mit der Drohung ernst, ihr Neubau-Engagement in der Hauptstadt drastisch zurückzufahren.
„Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen sehr genau“, meint Ernst Vejdovszky, CEO der S IMMO AG, die rund 1.900 Wohneinheiten in Berlin besitzt. „Das Wohnportfolio in Berlin besteht zum überwiegenden Anteil aus Objekten im leistbaren Bereich, die im Durchschnitt zu einer Miete von 7,35 Euro pro Quadratmeter vermietet sind“, so Vejdovszky. Der Anteil der Mieterlöse aus Berliner Wohnungen an den Gesamterlösen der S IMMO liegt deutlich unter zehn Prozent, und die S IMMO fokussiert sich in der Hauptstadt auf das nach wie vor stark wachsende Bürosegment. Vejdovszky: „Auch wenn der derzeitige Gesetzesentwurf also tatsächlich vorerst hält, sind die Auswirkungen auf das Gesamtportfolio der S IMMO überschaubar.“
Ist der Mietendeckel verfassungswidrig?
Hinzu kommt bei dem ganzen Aufruhr, dass viele deutsche Juristen der Meinung sind, dass die Regelung des Bundeslandes Berlin zum Mietendeckel verfassungswidrig ist. Das Mietrecht fällt in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wie Michael Schick, Geschäftsführer von Michael Schick Immobilien und Präsident des Deutschen Immobilienverbands IVD, erklärt: „Es kann nicht sein, dass der Bund einen Bereich abschließend regelt, und ein Bundesland ein parallel existierendes Universum aufbaut.“ Ganz unabhängig davon, in welcher Strenge dieses Gesetz kommt, ist es formal verfassungswidrig, da das Land keine Gesetzgebungskompetenz hat. Neuhuber: „Ich hege die berechtigte Hoffnung, dass dieses Gesetz den vorgezeichneten Weg allen juristischen Schwachsinns gehen und von den deutschen obersten Gerichtshöfen aufgehoben werden wird.“ Bis eine Klage beim Bundesverfassungsgericht allerdings durchgekommen ist, kann doch einige Zeit vergehen. Für Schick stellt sich die Frage, ob ein Investor auf Dauer in Berlin bleiben will und die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, die dann unvermeidlich sind, durchstehen möchte: „Wer nur kurzfristige Investments plant, dem rate ich zum Exit.“
Preisrückgang bei Zinshäusern ist möglich
Die Profis gehen nämlich von einem Preisrückgang bei Zinshäusern und vermieteten Immobilien von bis zu 30 Prozent aus. „Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die anderer Marktteilnehmer und einer renommierten Berliner Privatbank“, so Schick. Die Höhe und Dauer des Rückgangs hängt definitiv davon ab, wann und ob der Mietendeckel von den obersten Gerichten aufgehoben wird.
Chance zum Nachkaufen
„Ein kurz- bis mittelfristiger Preisrückgang am Berliner Markt kann auch eine Chance zum Nachkaufen von Immobilien sein“, betrachtet Neuhuber die aktuellen Entwicklungen aus einem anderen Blickwinkel. Er bemerkt bereits, dass mehr Objekte auf den Markt kommen: „Was von vielen Eigentümern allerdings noch nicht realisiert wurde, ist, dass das Angebot auch mit einer Preisminderung Hand in Hand gehen muss, um auf Nachfrage zu treffen.“ Er rechnet damit, dass sich die Immobilien-Preiskurve in Berlin im Jahr 2020 südwärts bewegen wird. Vielleicht ist das die Chance für Österreicher? „Wir haben schließlich auch gelernt, hierzulande mit einem Deckel, also Richtwertsystem, zu leben“, so der MAGAN-Chef.
Wie sinnvoll ist der Mietendeckel?
Aber nicht nur die Investoren sind von der Situation betroffen, sondern auch die Mieter, und nicht nur S-IMMO-Vorstand Ernst Vejdovszky hinterfragt die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit im Sinne der Beseitigung der Wohnungsknappheit. Max Niklas Gille, Pressesprecher der Vonovia SE, zu der auch die österreichische BUWOG gehört: „Fakt ist: Ein Mietendeckel und eine Mietobergrenze werden das Problem von zu wenigen Wohnungen in Berlin vergrößern, dringend benötigte Investitionen in Energieeffizienz und den altersgerechten Umbau von Wohnungen verhindern und vor allem denjenigen nicht helfen, die in Berlin eine Mietwohnung suchen.“
Damit spricht Gille ein Thema an, dass in der ganzen Angelegenheit ein wenig zu kurz kommt. Die Fehler in der Vergangenheit hätten nicht Privatinvestoren gemacht, sondern Berlin selbst, meint Alexander Neuhuber: „Die Stadt Berlin hat ihre sozialen Wohnungsbestände vor Jahren verkauft, sie ist hoch überschuldet und hat in vielen Bereichen eine – im Vergleich zu Wien – suboptimale Verwaltung.“ So dauerten Flächenwidmungen und Baugenehmigungen oftmals viel zu lange. „Hier müsste angesetzt werden.“
Eines ist jedenfalls sicher, wie Michael Schick sagt: „Dem Berliner Markt stehen turbulente Zeiten bevor.“