Der Wiener Büromarkt erlebt derzeit nicht gerade seine besten Zeiten. Die Neuflächenproduktion, die seit 2008 kontinuierlich zurückgeht, wird heuer ein Rekordtief von 150.000 Quadratmetern erreichen. Davon entfällt rund ein Viertel auf den DC Tower, Wiens höchsten Büroturm. Weitere Objekte sind etwa das Greenworx, Wiens erstes LEED-Platin-zertifiziertes Bürohaus, und das 2nd Central Office am Park. „Im nächsten Jahr wird die Neuflächenproduktion weiter stark sinken“, erklärt Michael Ehlmaier, Geschäftsführer von EHL Immobilien, den Status quo. Die größten Objekte werden die zu Jahresbeginn 2014 fertiggestellte Baustufe 5 des Euro Plaza und das voll vermietete Gate2 sein.
Gründe des Standortwechsels
Sehr viele Projekte sind das nicht, und trotzdem– oder gerade deswegen– gibt es einige interessante Veränderungen auf dem Markt, die noch in den nächsten Jahre spürbar sein werden. Die Verwertung der Projekte ist ziemlich sicher gewährleistet, denn derzeit gibt es zwei Gründe, warum Unternehmen ihren Standort wechseln: „Die neuen Büroflächen sind prestigeträchtig, und man setzt als Unternehmen damit ein Signal, oder die alten sind ineffizient und energetisch nicht auf dem neuesten Stand und haben einen schlechten Standort“, erklärt Walter Huber, Geschäftsführer von Danube Property Consult. Ein typisches Beispiel ist das Philips-Gebäude am Wienerberg. Das Unternehmen ist in das Euro Plaza gezogen, und zurück bleibt ein Bürogebäude, das faktisch so nicht zu verwerten ist. Die technische Entwicklung macht dem alten Bürobestand zu schaffen. Die neuen Projekte haben nicht nur günstigere Betriebskosten, sondern auch eine effizientere Fächennutzung, weshalb ein multifunktionaler Bürobetrieb möglich ist. Verständlich, dass diese Objekte den in die Jahre gekommenen vorgezogen werden. Der Trend der Modernisierung betrifft alle Flächen von Wien. Stefan Brezovich, Vorstand der ÖRAG: „Wir leben ganz klar in einer Zeit, die vom Optimierungsgedanken geprägt ist und nicht von Wachstum durch neue Impulse.“
Faktor Mitarbeiter
Aber auch Projekte, die eine gewisse Form von Arbeitsqualität bieten, werden in weiterer Zukunft bestehende Büros alt aussehen lassen, und so meint Brezovich: „Die Mitarbeiter werden ein immer wichtigerer Faktor, und die Firmen legen großen Wert darauf, dass sich die Mieter wohlfühlen.“ Das betrifft nicht nur die Erreichbarkeit der Immobilie, sondern auch das Büro selbst und das unmittelbare Umfeld. Überhaupt scheint man sich auf alte Werte zu besinnen, wie Ehlmaier bemerkt: „Während in den letzten Jahren bei den meisten Suchanfragen der Preis als wichtigstes Kriterium angegeben wurde, ist seit Mitte letzten Jahres wieder ein deutlicher Trend zu mehr Qualität zu beobachten.“
Zentralen hinterlassen leere Flächen
Ab Ende 2015, Anfang 2016 werden dann wohl die vier großen Headquarter der ÖBB, ERSTE Bank, Bank Austria und Post dem Markt neue Impulse geben. Rund 380.000 Quadratmeter Büroflächen werden hier geschaffen, und davon könnten in etwa 100.000 fremdvermietet werden. Aber es sind nicht die eigentlichen Flächen der Großkonzerne, die den Markt verändern. Mit der Standortkonzentration wird vielmehr eine große Menge an Büroflächen– teilweise in zentraler Lage– leer. Die ÖBB hinterlässt einen Leerstand im Bereich Business Park Vienna, die Erste Bank mehrere Bürohäuser im 1. Bezirk und im Bereich Mariahilfer Straße. „Für die Flächen werden derzeit Nachnutzungskonzepte erarbeitet“, so Ehlmaier. Eine größere Portfoliotransaktion in diese Richtung gab es ja bereits: Im Juli wickelte die ÖRAG den Verkauf von sechs Liegenschaften der teilstaatlichen Volksbanken AG im ersten und neunten Bezirk in Wien an JP Immobilien bzw. Bank Austria Real Invest ab.
Und die Innere Stadt?
Die Unternehmenskonzentration in den vier großen Headquartern könnte in weiterer Folge dazu führen, „dass der erste Bezirk als Bürostandort an Attraktivität verliert“, meint Michael Zöchling, Geschäftsführer der BAR. Mit den Unternehmen sind nämlich auch entsprechend viele Dienstleister in der City gezogen, die sich rund um die Büros angesiedelt haben. Zöchling: „Diese Entwicklung sehe ich aber nicht dramatisch, da dies durch die Wohnnachfrage vollkommen ausgeglichen wird.“ Die Innenstadt könnte sich demnach wieder stärker zu einer Wohngegend entwickeln, vor allem, da es relativ problemlos ist, leere Büros in Wohnflächen umzubauen. Überhaupt ist an den frei werdenden Bürostandorten „eine große Nachfrage nach Wohnprojekten von Seiten der Bauträger und Investoren festzustellen“, so Huber: „Die Chancen für Wohnprojekte stehen mit der steigenden Bevölkerungszahl sehr gut. Das Potenzial für Umwidmungen wäre vorhanden.“
Auf jeden Fall ist Zöchling überzeugt, dass die größeren Agglomerationen an Büroobjekten gewinnen werden, es werde so wie in anderen europäischen Städten funktionieren, und die Büros würden nicht über die ganze Stadt verstreut sein. Viel eher würden sich wesentliche Standorte herauskristallisieren. „Das ist ein Trend, den man klar beobachten kann. Kein Mieter will mehr alleine in einer Gasse sitze, sondern man sucht Cluster, um die herum auch eine Infrastruktur vorhanden ist.“ Zu den bestehenden Bürostandorten wird in den kommenden Jahren das Quartier Belvedere rund um den neuen Hauptbahnhof als neuer Cluster dazukommen.